CDU in Nordrhein-Westfalen: Heikle Moschee-Besuche und ein schmallippiger Innenminister
Die Yunus-Emre-Moschee in Neuss© Peter Hemmelrath
Die CDU pflegt in Nordrhein-Westfalen umstrittene Kontakte zu „auffälligen“ Moschee-Vereinen. Obwohl das Landesinnenministerium seit 2017 CDU geführt ist, „verirren“ sich CDU-Politiker regelmäßig in Moscheen und Vereinen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden oder bekanntermaßen eine Nähe zu den rechtsextremen Grauen Wölfen sowie der Muslimbruderschaft haben. (JR)
Im März wurde im NRW-Landtag über Besuche von Politikern in Islamisten-Moscheen diskutiert. In den letzten Jahren waren etwa CDU-Politiker mehrfach durch Besuche in Graue-Wölfe-Moscheen aufgefallen. Dank des Desinteresses der meisten Fraktionen an der Debatte sowie einer resoluten Ausschussvorsitzenden, die diese abrupt wieder beendete, konnte sich CDU-Landesinnenminister Herbert Reul jedoch gut aus der Affäre ziehen.
Für islamistische Moschee-Vereine in Nordrhein-Westfalen ist es kein Widerspruch, gleichzeitig vom Verfassungsschutz beobachtet und von der kommunalen Politik unterstützt zu werden. Diese Unterstützung kann etwa dadurch erfolgen, dass sich Kommunalpolitiker dafür einsetzen, die Vereine mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen. Oftmals besteht sie darin, dass Politiker, aber auch hochrangige Vertreter des jeweiligen Polizeipräsidiums, den Vereinen öffentlichkeitswirksame Besuche abstatten. Diese Besuche, insbesondere die gemeinsamen Bilder davon, die anschließend im Internet verbreitet werden, führen im Ergebnis dazu, dass die Islamisten-Vereine vor Ort als gesellschaftsfähig wahrgenommen werden. Denn die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist vor Ort oftmals gar nicht bekannt. In den letzten Jahren haben insbesondere Vereine, die der Muslimbruderschaft zugeordnet werden, sowie türkisch-rechtsextreme Graue-Wölfe-Vereine von dieser gesellschaftlichen Aufwertung profitiert.
Im Düsseldorfer Landtag sind solche Praktiken dennoch seit Jahren kein Thema. Das dürfte auch darin begründet sein, dass mit der CDU die Partei, die solche Debatten am meisten zu fürchten hat, auch die Partei ist, die seit 2017 das Landesinnenministerium führt. Denn insbesondere CDU-Politiker fallen in NRW immer wieder dadurch auf, Graue-Wölfe-Moscheen in Wahlkampfzeiten Besuche abzustatten. Zuletzt war es der Neusser CDU-Landtagsabgeordnete Jörg Geerlings, der 2022 die in seinem Wahlkreis gelegene Yunus-Emre-Moschee besuchte. Die Moschee gehört zur Föderation der Türkischen Idealistenvereine in Europa (ADÜTDF), die wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Grauen Wölfen vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Besonders pikant war dieser Vorfall auch deswegen, weil Geerlings die CDU im Innenausschuss des Landtages vertritt. Endgültig blamiert war die Neusser CDU, als die Yunus-Emre-Moschee Anfang 2023 wegen einer Hetzrede eines türkischen AKP-Politikers in bundesweite Schlagzeilen geriet und dabei publik wurde, dass deren Vorsitzender, der die Rede beklatscht hatte, auch CDU-Mitglied ist.
Auch wenn der Neusser Graue-Wölfe-Funktionär danach schnell aus der CDU austrat, so zeigen dieses und andere Beispiele, wie schnell eine Debatte über solche Besuche auch zu einer darüber werden kann, dass die NRW-CDU Funktionäre dieses türkisch-rechtsextremen Spektrums bis heute als Mitglieder akzeptiert. Oder darüber, dass Personen, deren Bezüge zu den Grauen Wölfen längst öffentlich bekannt sind, dennoch bei Kommunalwahlen auf CDU-Listen antreten können. Diese Praxis begann unter dem ehemaligen Landesvorsitzenden Armin Laschet, wurde aber von seinem Nachfolger Hendrik Wüst nicht wieder beendet.
Graue Wölfe in der CDU kein Thema
Damit ist es nicht weiter verwunderlich, dass CDU-Landesinnenminister Herbert Reul, dessen Kampf gegen Clan-Kriminalität ihm auch außerhalb seiner eigenen Partei Respekt und Anerkennung eingebracht hat und der dafür bekannt ist, bei Verfassungsfeinden kein Blatt vor den Mund zu nehmen, sich zu den Grauen Wölfen eher selten äußert. Insbesondere parlamentarische Nachfragen der AfD-Fraktion, die sich auf Graue Wölfe in der CDU beziehen, werden von ihm stets nur kurz und inhaltsleer beantwortet. Aber auch zur Muslimbruderschaft äußert sich Reul nur sehr schmallippig. Also dürfte die CDU-Landtagsfraktion auch kaum erfreut gewesen sein, als die FDP am 23. März im Innenausschuss über Besuche von Politikern in Islamisten-Moscheen sprechen wollte.
Mit der Überschrift „Vom Extremismus beeinflusst - Wissen Behörden und Politiker, wen sie besuchen?" gab die FDP-Fraktion dem zwar einen neutralen Anschein. In seiner Begründung dazu stellte deren innenpolitischer Sprecher Marc Lürbke aber schnell klar, dass es ihm dabei insbesondere um Besuche in Islamisten-Moscheen geht. Lürbke verdeutlichte das an einem Beispiel eines Besuchs eines hochrangigen Polizeibeamten in einer Moschee in Münster, die wegen ihrer Beeinflussung durch die Muslimbruderschaft in einem Verfassungsschutzbericht namentlich genannt wurde. Dabei betonte der FDP-Politiker, dass solche Besuche vor Ort zur Legitimierung islamistischer Vereine beitragen. „Das ist ein Punkt, über den wir sprechen müssen", sagte er. „Am Ende freuen sich die Verfassungsfeinde, am Ende freuen sich die Extremisten." Und direkt an Herbert Reul gerichtet: „Sehen Sie darin kein Problem?"
Keine Politiker-Besuche bei den Wölfen?
Auch Markus Wagner, innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, sparte nicht mit Kritik. Wagner missfiel insbesondere, dass der Bericht, den Reul dem Ausschuss dazu vorgelegt hatte, nicht konkret benenne, wer welche Extremisten besucht habe. Auch dass darin nichts zu Besuchen bei Grauen Wölfen gesagt wurde, kritisierte er: „Dazu lese ich hier nichts."
Herbert Reul wäre jedoch nicht Herbert Reul, hätte er auf Kritik keine wortreiche Antwort parat: „Sie haben das Thema total richtig beschrieben", antwortete er Marc Lürbke. „Der Verfassungsschutz hat das im Blick." So würde sein Ministerium „massiv Sensibilisierung" betreiben: „Da wird wahnsinnig viel gemacht, die reißen sich den Hintern auf, sind unterwegs und schulen." Es sei aber nicht möglich, jedes einzelne Ratsmitglied im Land zu informieren.
Damit umging er unbemerkt, welche Pannen es etwa bei den Vorgängen um den Islamischen Kulturverein Bochum (IKV) gegeben hatte. Da reagierte der dem Ministerium unterstellte Verfassungsschutz selbst dann noch mit Schweigen, als in Zeitungen zu lesen war, dass mehrere Ratsfraktionen den IKV bei der Errichtung einer neuen Moschee unterstützen wollen. Erst als 2019 im Internet von Bezügen des Vereins zum Netzwerk der Muslimbruderschaft zu lesen war, räumte Reul im Landtag auf Nachfrage der AfD ein, dass der IKV vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Eine direkte Unterrichtung der örtlichen Politik fand jedoch erst ein Jahr später statt, nachdem die Bochumer CDU dem IKV auf Facebook zum Ramadan gratulierte. Die an einen vom Verfassungsschutz beobachteten Verein gerichtete Gratulation brachte der CDU nicht wenig Häme und Spott ein, woraufhin sich deren Kreisverband hilfe- und informationssuchend an das Innenministerium wandte.
Informationen erst im Nachgang?
Aber auch andere Beispiele aus den vergangenen Jahren deuten darauf hin, dass sich das NRW-Innenministerium sowie der Landesverfassungsschutz erst dann zu kommunalen Akteuren des legalistischen Islamismus äußern, wenn direkt danach gefragt wird oder private Stellen ihre Erkenntnisse dazu bereits publik gemacht haben. Hier hätte die Konfrontation mit diesen Beispielen der Debatte eine völlig andere Richtung geben können.
Im gut besuchten Innenausschuss aber hatte Herbert Reul keinen Widerspruch zu befürchten. Bereits zu Beginn dieser Erörterung gab es weder von seinen Parteikollegen noch von Seiten der SPD oder der Grünen Wortmeldungen dazu. Und kaum hatte der Innenminister sein letztes Wort dazu gesprochen, erklärte die Ausschussvorsitzende Angela Erwin (ebenfalls CDU) den Tagesordnungspunkt abrupt für beendet. Dabei verzichtete sie auf die sonst an dieser Stelle übliche Nachfrage nach möglichen weiteren Wortmeldungen. Das könnte auch mit Stress begründet gewesen sein, weil der Ausschuss den Raum zu diesem Zeitpunkt nur noch für eine halbe Stunde zur Verfügung hatte, große Teile der Tagesordnung aber gleichzeitig noch immer unerledigt waren. Dennoch blieb so der Eindruck zurück, dass es der CDU-Fraktion bei diesem Punkt vordringlich darum gegangen ist, eine für sie peinliche Debatte möglichst rasch im Keim zu ersticken.
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