Nun muss auch Preußen weichen: Die grüne Verbotspartei steht für Cancel Culture und ein verzerrtes Geschichtsbild

Kulturstaatsministerin Claudia Roth will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz umbenennen.© John MACDOUGALL / AFP

Die Grünen tun sich ganz offensichtlich schwer mit dem kulturellen Erbe Deutschlands. Erst benennt die außenpolitische Fehlbesetzung Annalena Baerbock das „Bismarck-Zimmer“ im Auswärtigen Amt in „Saal der deutschen Einheit“ um, obwohl gerade auch die Grünen strikt gegen die Wiedervereinigung waren. Nun lässt sie auch noch das Portrait des preußischen Fürsten abhängen. Jetzt will Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz umbenennen. Viele Museen und Kultureinrichtungen sind unter dem Dach der Stiftung gebündelt, sie ist zu einer essentiellen Institution unseres Landes geworden. Nun nimmt die alles andere als kompetente Kulturstaatsministerin Anstoß am Namen „Preußen“. Dieser bringe nicht „die Weltläufigkeit der Kulturgüter zum Ausdruck“, so die grüne Fehlbesetzung im Amt. Besser zu Gesicht gestanden hätte Claudia Roth, wenn sie sich mit einem Bruchteil ihres kulturfeindlichen Engagements, das sie nun an den Tag legt, dafür eingesetzt hätte, die judenfeindlichen indonesischen Aussteller auszubremsen und den antisemitischen Eklat bei der Documenta zu verhindern. (JR)

Von Ronald G. Asch/Tichys Einblick

Die Bundesregierung will offenbar Preußen endgültig aus der offiziellen historischen Erinnerung tilgen. Aber wie verträgt sich das mit der heute beschworenen Zeitenwende in der deutschen Sicherheitspolitik? Achtung: In diesem Text ist Ironie von Realsatire kaum zu unterscheiden.

Die gegenwärtige Bundesregierung wird oft heftig kritisiert und offenbar, das zeigen neueste Umfragen, nimmt das Vertrauen der sonst ja sehr folgsamen und vertrauensseligen Deutschen in die Regierung auch rasant ab. Das ist sehr zu bedauern und in vieler Hinsicht auch ganz ungerecht, wenn nicht gar staatszersetzend, wie uns der Verfassungsschutz warnen wird, denn zumindest in einer Hinsicht übertrifft diese Regierung alle ihrer Vorgänger: Sie besitzt einen ausgeprägten Sinn für Humor.

Nur so konnte man die Besetzung des Verteidigungsministeriums mit einer Frau wie Christine Lambrecht erklären, und ja, diese Personalentscheidung ist wirklich ein voller Erfolg gewesen. Die jüngste Neujahransprache der Ministerin hat international Lachstürme ausgelöst; das ist so noch kaum einer Vorgängerin gelungen und hat wohl auch zu ihrem Rücktritt beigetragen. So ist es nur fair, diesem großen Erfolg auch einmal Tribut zu zollen, und damit als Bürger seine Verfassungstreue und Loyalität unter Beweis zu stellen. Diese Regierung versucht uns in düsteren Zeiten wenigstens zu unterhalten, um die Stimmung zu heben, und das gelingt ihr ja am Ende auch oft.

Einen Sinn für Selbstironie und einen Hang zur Realsatire verrät aber auch die Ernennung von Claudia Roth zur Kulturstaatsministerin. Leider hat sie anders als Frau Lambrecht während ihrer Amtszeit keinen Milliardenetat zu verwalten, sie muss also auf andere Weise als die ehemalige Verteidigungsministerin die Öffentlichkeit auf sich aufmerksam machen. Das freilich gelingt ihr dann doch gelegentlich, so jüngst mit dem Vorschlag, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz umzubenennen. Sicher versuchte sie damit auch Anschluss zu gewinnen an Frau Baerbock, die im Auswärtigen Amt bereits Bismarck entsorgen will, einen anerkannten Reaktionär, Bösewicht und finsteren borussischen Machtpolitiker, der sich angeblich im kleinen Kreis in den 1880er Jahren auch sehr abfällig über das damals noch ganz neue und, wie manche meinen, sogar von der englischen Königin Viktoria vertretene Konzept der feministischen Außenpolitik geäußert haben soll.

Allerdings, die Umbenennung eines Konferenzsaales und das Abhängen eines Bildes, das sind vergleichsweise Banalitäten. Die Stiftung preußischer Kulturbesitz verwaltet immerhin weltbekannte Kunstsammlungen und das alte Preußische Geheime Staatsarchiv. Im Vergleich zur Entsorgung Bismarcks wäre eine Umbenennung da schon ein echter Paukenschlag, wobei man freilich auf den neuen Namen gespannt sein kann. Der Name „Rosa-Luxemburg-Stiftung“ ist ja leider schon vergeben, sonst würde er sich sicher anbieten und Berlin-Brandenburgische Kulturstiftung klänge ein wenig trivial, zu wenig programmatisch.

 

Die Bundesrepublik tat sich mit dem preußischen Erbe immer schwer

Wie man einräumen muss, tat sich schon die alte, Bonner Bundesrepublik mit dem preußischen historischen und kulturellen Erbe recht schwer. Die bestimmenden Kräfte in der Bonner Republik waren ja gerade diejenigen, die in Preußen zumindest vor 1918 marginalisiert worden waren, der politische Katholizismus, der das eigentliche Fundament der CDU besonders in den Anfangsjahren der Bundesrepublik darstellte, und die Sozialdemokratie, wobei man freilich nicht vergessen darf, dass zwischen 1919 und 1932 der Freistaat Preußen fast durchgehend von der SPD regiert wurde.

Es fiel der Bundesrepublik vor 1989 andererseits leichter, die Institutionen, die an das alte Preußen, das die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg als Staat förmlich aufgelöst hatten, zu tolerieren, weil Einrichtungen wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ihren Sitz ohnehin in Westberlin hatten, das dem westdeutschen Staat wegen seines Besatzungsstatuts nur mit Einschränkungen als Bundesland angehörte. Das ist heute, da Berlin nun mal leider die deutsche Hauptstadt ist, natürlich anders und während unmittelbar nach der Wiedervereinigung auch Politiker aus den Reihen der SPD vorsichtig versuchten, die Erinnerung an das untergegangene Preußen wachzuhalten und in das aktuelle Geschichtsbild einzubauen, sind diese Zeiten heute definitiv vorbei.

Natürlich ist die Erinnerung an Preußen in unterschiedlichster Weise durch historische Mythen geprägt. Für die negativen stehen zum Beispiel die Schlagworte Untertanengeist, Militarismus und Junkertum, für die positiven Disziplin, Fleiß, eine effiziente und korruptionsfreie Verwaltung und „Mehr sein als Scheinen“, aber auch konfessionelle Toleranz. Beide Mythen, die negative und die positive Geschichtserzählung, haben erhebliche Schwachstellen. Wie etwa der amerikanische Historiker William Hagen gezeigt hat, waren die erbuntertänigen Bauern der Mark Brandenburg im 18. Jahrhunderts, besonders nach 1763 durchaus bereit, sich vor Gericht auf Konflikte mit den Gutsherren einzulassen und konnten diese unter Umständen, wenn ein ganzes Dorf zusammenlegte, auch finanziell ruinieren. Fügsame Untertanen waren diese Bauern nicht unbedingt.

Umgekehrt muss aber auch die preußische Toleranz mit Skepsis betrachtet werden, denn mit der Aufnahme der vertriebenen Hugenotten in den 1680er Jahren versuchte der Große Kurfürst gerade jene konfessionelle Minderheit zu stärken, der er selber angehörte, und im Übrigen ließ auch das Reichsrecht den Hohenzollern nach 1648 kaum eine andere Wahl, als Besitzstände der Lutheraner und in einigen Provinzen auch die der katholischen Kirche, wenn auch zum Teil widerwillig zu respektieren. Ein Zeichen toleranter Gesinnung war das nicht unbedingt. Das mochte sich mit Friedrich II. d. Gr. ändern, der freilich Agnostiker war, und dem daher die konfessionellen Unterschiede eher gleichgültig waren, auch wenn auf einer persönlicher Ebene seine Abneigungen gegen den Katholizismus sicher größer als gegen den Protestantismus war.

 

Preußen war eine europäische Großmacht und Keim des deutschen Nationalstaates – das macht seine Geschichte heute inakzeptabel

Aber das sind Details, die Frau Roth gänzlich unbekannt sein dürften; würde sie mit ihnen konfrontiert, würde sie sie als irrelevant vom Tisch wischen. Das eigentliche Problem, das die preußische Geschichte für die heutige politische Klasse darstellt, ist ein ganz anderes: Brandenburg war das einzige deutsche Territorialfürstentum, dem es unter seinen Herrschern gelang, zur europäischen Großmacht aufzusteigen. Sicher, die bayerischen Wittelsbacher und zum Teil auch die sächsischen Wettiner waren lange ähnlich ehrgeizig wie die Hohenzollern, und besaßen anfänglich eine bessere Ausgangsposition, aber namentlich die Wittelsbacher scheiterten mit ihren Versuchen, sich im Bündnis mit Frankreich in der Konkurrenz zum Haus Habsburg als bedeutende europäische Dynastie zu etablieren, immer wieder.

Die Habsburger selbst wiederum nahmen spätestens seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durch ihren kontinuierlich durchgesetzten Anspruch auf die Kaiserwürde und durch ihre erfolgreiche Heiratspolitik, die ihnen unter anderem 1477 das burgundische Erbe einbrachte, eine Sonderstellung ein. Ihre Besitzungen reichten schon im frühen 16. Jahrhundert weit über die Grenzen des Reiches hinaus und trugen einen multiethnischen Charakter, während Brandenburg-Preußen als Staat in seiner ganzen Ausrichtung provinzieller, aber eben auch stärker auf seine deutschen Kernlande fokussiert blieb, jedenfalls vor dem Ausgang des 18. Jahrhunderts und erneut nach 1815, nachdem ein großer Teil der in den 1790er Jahre annektierten polnischen Gebiete verloren gegangen war. Von daher war Brandenburg-Preußen der einzige deutsche Fürstenstaat, dem es gelang, Aufnahme in das Konzert der europäischen Großmächte zu finden.

Dass dieser Aufstieg zumindest phasenweise, wie nach 1740 und erneut zwischen 1864 und 1871 mit einer rücksichtslosen Machtpolitik einherging, ist nicht zu leugnen, aber das Gleiche galt natürlich für die etablierten Großmächte wie Frankreich oder England, aber auch für einen anderen Aufsteiger, Russland. Nur, was man in Deutschland nach 1945 bereit war, den anderen Großmächten nachzusehen, bis hin zur imperialen Expansion außerhalb Europas, das vergab man Preußen nicht, weil man eine Projektionsfläche für die Fehlentwicklungen der deutschen Geschichte im frühen 20. Jahrhunderts und ihre vermeintlichen historischen Wurzeln suchte. Soweit die Bonner Republik sich überhaupt auf eine weiter zurückreichende historische Tradition in ihrem Selbstverständnis bezog, war es eher die Geschichte des „Dritten Deutschlands“, der mittleren und kleineren Territorien, die zwischen Preußen und der Habsburgermonarchie standen. Hier schien eine beschauliche Gemütlichkeit sich mit kulturellem Glanz und relativem Wohlstand zu verbinden.

Die Realität sah natürlich in Wirklichkeit im späten 17. und im 18. Jahrhundert oft anders aus, zumal auch vielen mindermächtigen Dynastien militärische Ambitionen und machtpolitischer Ehrgeiz keineswegs fehlte, aber immerhin konnte man Fürstentümern wie Hessen-Kassel oder gar Reuß-Greiz ältere Linie – das erst in jüngster Zeit durch den gefährlichen Reußenputsch in Misskredit geriet – nicht vorwerfen, nach der Vorherrschaft in Europa zu streben, und von daher waren sie ein ideales Vorbild für die Bonner Republik, die bewusst als machtpolitisch harmlos erscheinen wollte und sich daher politisch auch immer kleiner machte als sie war.

Das Bemerkenswerte ist freilich, dass die Berliner Republik nach 1989 diese Linie fortsetzte und im Grunde genommen noch steigerte, indem sie aus der Bundeswehr eine reine Operettenarmee werden ließ und auch sonst ganz auf Appeasement setzte. Diese Entscheidung für eine bewusste Wehrlosigkeit erscheint im Rückblick und angesichts der Ukraine-Krise allerdings als hochproblematisch. Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie, dass es gerade die Grünen sind, die seit dem Februar letzten Jahres besonders laut eine Zeitenwende und eine neue Sicherheitspolitik, die auch den Ernstfall einkalkuliert, fordern und auch für die stärkere Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf eintreten. Sie scheinen nicht zu begreifen, dass eine Bundesrepublik, die alles Preußische dämonisiert und sich dann konsequenterweise vor allem als gemütlicher Kleinstaat sieht, der sich bedingungslos auf dem Schutz durch andere Mächte verlässt, wohl kaum ein affirmatives Verhältnis zu aktiver Sicherheitspolitik oder zum Militärischen entwickeln wird.

Natürlich können der ruhmsüchtige Hasardeur Friedrich d. Gr. oder der Machtpolitiker Bismarck keine Vorbilder für heutige deutsche Außenpolitik sein, das sollte jedem klar sein. Aber ebenso richtig ist, dass die pauschale Ablehnung Preußens und seines Erbes oft mit einem expliziten Pazifismus oder zumindest Anti-Bellizismus einhergeht. Man sieht die Bundesrepublik sicherheitspolitisch eben doch eher als erfreulich machtlosen Duodezstaat und genießt die eigene Ohnmacht geradezu.

Will man diese Haltung ändern, dann wäre eine differenzierte Betrachtung der deutschen und preußischen Geschichte vor 1900 zumindest hilfreich. Das würde freilich voraussetzen, dass man überhaupt historisch denkt, was die meisten Politikerinnen der Grünen natürlich dezidiert ablehnen, es sei denn, es ginge darum, eine deutsche Schuldbilanz, etwa bei der kolonialen Expansion in Afrika oder sonst irgendwo zu erstellen. Unter diesen Umständen wird freilich auch die vielbeschworene Zeitenwende in der Sicherheitspolitik mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern.

Profitieren von der Verfestigung des antipreußischen Geschichtsbildes werden auch Bundesländer wie Berlin. Gerade weil es mal preußische Hauptstadt war, stellt Berlin den perfekten Gegenentwurf zu allem dar, was man mit Preußen irgendwie assoziieren könnte. Chaos und administrative Ineffizienz, aber auch die ständige institutionalisierte Revolte gegen den Staat und seine Vertreter sind hier mit Erfolg zu einer höheren Kunst entwickelt worden, und in einer solchen Stadt hat dann vielleicht eine Stiftung, deren Name an Preußen erinnert, wohl wirklich keinen Platz mehr, wenn der Name nicht einfach nur noch als Vorwurf an die Gegenwart oder als reiner Witz wirken soll. Von daher liegt dann Frau Roth mit ihrem „Weg damit“, vielleicht doch nicht ganz falsch.

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