Israelfeindlichkeit als Sender-Standard: Die verbalen Taschenspielertricks des „Deutsche Welle“-Intendanten
Nur allzu leichtfertig versucht auch der Senderchef Peter Limbourg mit begrifflicher Unschärfe die in seinem Sender zur Tagesordnung gehörende Israelfeindlichkeit als gutgemeinte Israelkritik schönzureden.
„Deutsche Welle”-Intendant Peter Limbourg © WIKIPEDIA
Für Konzerne, die gerade in einem Skandal stecken, der ihr Image nachhaltig zu beschädigen droht, gibt es heutzutage allgemein anerkannte Methoden des Krisenmanagements.
In einem vor einigen Jahren erschienenen Beitrag des amerikanischen Magazins „Forbes“ nannten PR-Experten 13 goldene Regeln der Krisenkommunikation, wie: „Versuchen Sie nicht, die PR-Krise zu vertuschen, das würde den Schaden nur verschlimmern. Bewältigen Sie stattdessen die Situation, indem Sie Verantwortung übernehmen, sofort reagieren und auf Feedback reagieren.“
Oder: „Die Grundsätze jeder Krisenkommunikation sind proaktiv, transparent und rechenschaftspflichtig zu sein. In die Tat umgesetzt sieht es so aus: Vorfall anerkennen, Verantwortung übernehmen und sich entschuldigen.“
Oder: „Eine aufrichtige Entschuldigung ist der Schlüssel zum Fortschritt. Wenn Sie dies nicht tun, wird das Feuer angeheizt und die Änderung des Narratives verzögert. Nach einer öffentlichen Entschuldigung muss das Unternehmen einen Aufruf zum Handeln vorzeigen können. Sie müssen etwas Wesentliches tun, um zu zeigen, dass sie zukünftig ihren Weg ändern.“
Irgendjemand muss den Deutsche-Welle-Intendanten Peter Limbourg mit der Nase auf diese Regeln der Public Relation gestoßen haben, denn nach einigem Zögern hat er ja zumindest einige von ihnen halbherzig umgesetzt.
Er ist aktiv, nein: proaktiv geworden, indem er die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, und den Psychologen Ahmed Mansour damit beauftragt hat, das Ausmaß des Antisemitismus in den Redaktionen der Deutschen Welle auszuloten.
Das erfüllt die Anforderung, „proaktiv“ zu sein, denn es ist sicherlich mehr als das, was die meisten von ihm erwartet hatten. Zudem verschafft es Limbourg Zeit und eine wichtige Argumentationshilfe: Fragen zu dem Thema kann er jetzt umgehen, indem er sagt, dass man den Bericht abwarten müsse.
„Definitiv nicht israelfeindlich“
Limbourgs Krisenmanagement – wenn man es denn so nennen will – hat ihm das Lob der eigenen Leute eingebracht. Am 17. Dezember berichtete die Deutsche Welle auf ihrer Website über eine Sondersitzung des Distributionsausschusses des Rundfunkrats, bei der dieser sich „mit Vorwürfen befasst[e], die Medien gegen einzelne Distributoren der DW im arabischen Sprachraum erhoben hatten“.
Das Ergebnis: Limbourg habe „unverzüglich und ausführlich informiert und sofort Maßnahmen zur Aufklärung eingeleitet“, erklärten die Vorsitzende des Ausschusses der DW, Elisabeth Motschmann, und der Vorsitzende des Rundfunkrats, Dr. Karl Jüsten.
Diese Wahrnehmung deckt sich allerdings nicht ganz mit den Fakten, sprich: mit Äußerungen von Limbourg und seinen Pressesprechern, die diese bislang zu der Sache gemacht haben. Von Anfang an wechselten Eingeständnisse möglicher Verfehlungen – nämlich antisemitische Äußerungen von Deutsche-Welle-Redakteuren und die Zusammenarbeit mit antisemitischen Partnersendern – einander ab mit Leugnen und Verharmlosen.
Nachdem das Magazin „Vice Deutschland“ und dessen Chefredakteur Felix Dachsel unzählige Belege dafür vorgelegt hatten, dass der jordanische Partnersender Roya TV den Staat Israel grundsätzlich als „die Besatzung“ und Israelis immer als „Siedler“ bezeichnet und darüber hinaus Karikaturen veröffentlicht, in denen Juden als Schweine dargestellt werden, die getötet werden müssten, war die Deutsche Welle noch der Meinung, dass es an Roya TV nichts auszusetzen gebe:
„Unsere Vertriebs- und Programmverantwortlichen halten Roya TV definitiv nicht für israelfeindlich. Roya TV ist ein christlich-liberal geführtes Medienunternehmen. Der Sender setzt sich für die Rechte religiöser Minderheiten ein und positioniert sich klar gegen Radikalisierung.“
Das war, wohlgemerkt, als man die Deutsche Welle bereits auf die antisemitische Weltanschauung der Journalisten und Funktionäre von Roya TV hingewiesen hatte. In so einer Situation noch Ignoranz vorzuschützen, sollte einem Unternehmen, dessen Geschäft das Recherchieren und Verbreiten von Informationen ist, eigentlich peinlich sein.
Nachdem „Vice“ auf den Antisemitismus von Roya TV aufmerksam gemacht hatte, benötigte der Verfasser dieses Beitrags genau eine Google-Suche, um selbst ein Beispiel dafür zu finden. Gleich der erste Treffer war ein israelischer Zeitungsbericht darüber, dass in einer von Roya TV ausgestrahlten Sendung Juden als die „Nachfahren von Affen und Schweinen“ bezeichnet worden seien.
„Definitiv nicht israelfeindlich“? Wenn das die Maßstäbe der Deutschen Welle sind, erklärt das vieles andere in ihrem Programm.
Das Leugnen der Tatsache beweist die Absicht
Die Deutsche Welle hätte vielleicht die goldene Regel Nr. 12 aus dem „Forbes“-Beitrag zur Krisenkommunikation beherzigen sollen: „Vermeiden Sie reflexartige Reaktionen“:
„Frieren Sie die gesamte externe Kommunikation ein, bis Sie beurteilen können, was vor sich geht. Stellen Sie sicher, dass die erste externe Kommunikation nach der Krise eine durchdachte Reaktion ist.“
Ja, das wäre sicherlich gut gewesen. Dadurch, dass die erste Reaktion der Deutschen Welle auf das Bekanntwerden der antisemitischen Karikaturen bei Roya TV ein Leugnen war, wurden alle nachfolgenden Beteuerungen und Gelöbnisse auf einen Schlag unglaubwürdig.
Das später erfolgte „Aussetzen“ der Zusammenarbeit mit Roya TV ändert daran nichts mehr. Denn wäre das Leugnen erfolgreich gewesen und hätte die Kritiker verstummen lassen, hätte die Deutsche Welle ja einfach weitergemacht.
Vor allem aber zeigte der Vertuschungsversuch, dass die Deutsche Welle mit diesem Sender und seinen antisemitischen Hetzern zusammenarbeiten wollte. Das Leugnen der Tatsache beweist die Absicht: Wenn ein Autofahrer darauf aufmerksam gemacht wird, dass sein Rücklicht nicht funktioniert, wird er sich für den Hinweis bedanken, das Licht überprüfen und auswechseln.
Reagiert er hingegen, indem er gar nichts prüft, sondern die schiere Möglichkeit, dass das Licht defekt sein könnte, rundheraus in Abrede stellt, dann zeigt er damit, dass es ihn überhaupt nicht juckt, wenn er mit kaputtem Rücklicht unterwegs ist und er gar nicht daran denkt, den Mangel zu beseitigen.
Der Antisemitismus von Roya TV war so offensichtlich, dass die Deutsche Welle ihn gar nicht hätte übersehen können. Und dennoch hat sie nicht nur jahrelang mit diesem Sender zusammengearbeitet, sondern Peter Limbourg zeichnete Roya-TV-Chef Fares Sayegh sogar mit einem „Freedom of Speech Award“ (Preis für Meinungsfreiheit) aus. Nicht für seinen Antisemitismus, zwar, sondern dafür, dass Roya TV in der Frühphase der Corona-Pandemie Menschen auf der Straße interviewt und gefragt hatte, was sie vom Lockdown halten.
Aber auch, wenn der Anlass nichts mit Israel, Juden und Antisemitismus zu tun hatte: Wenn man jemandem mit einem Preis auszeichnet, der einen so bedeutungsvoll klingenden Namen hat, informiert man sich doch zumindest flüchtig, wen man da ehrt – oder?
Niedrige Messlatte
Nun, Vergangenes lässt sich nicht ungeschehen machen, und man sollte zufrieden sein, wenn die Deutsche Welle und Limbourg jetzt die richtigen Schlüsse ziehen. Leider gibt es Grund, daran zu zweifeln: neben dem erwähnten anfänglichen Leugnen das Handeln Limbourgs seither; Äußerungen Limbourgs, die dieser ausgerechnet in jüngsten Interviews tätigte, in denen er doch eigentlich zeigen wollte, wie ernst er den Kampf gegen den Antisemitismus jetzt angeblich nimmt.
Da ist etwa die Formulierung „purer Antisemitismus“ – nicht, wohlgemerkt, als ein Ausruf des Abscheus gegenüber dem, was Deutsche-Welle-Redakteure so machen; etwa wenn der Leiter des DW-Korrespondentenbüros in Beirut sagte: „Jeder, der mit den Israelis zu tun hat, ist ein Kollaborateur und jeder Rekrut in den Reihen ihrer Armee ist ein Verräter und muss hingerichtet werden“ – dann kann man das „puren Antisemitismus“ nennen.
Limbourg aber spricht von „purem Antisemitismus“, wenn er ankündigt, was die Deutsche Welle in Zukunft nicht mehr dulden werde. So sagte er in einem Interview:
„Wenn purer Antisemitismus propagiert wird, dann dürfen und wollen wir mit diesen Sendern nicht zusammenarbeiten.“
In einem anderen Interview – diesmal mit der „Jüdischen Allgemeinen“ – sagte er:
„Wer in seinem eigenen Programm puren Antisemitismus verbreitet, mit dem wird die Deutsche Welle nicht zusammenarbeiten.“
Man soll nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, aber wenn der Deutsche-Welle-Intendant dieselbe Formulierung immer wieder benutzt, dann meint er sie offenbar genau so: Gegenüber purem Antisemitismus grenzt der Sender sich künftig ab. Aber wenn der Antisemitismus ein wenig verwässert oder kaschiert wird, dann ist er okay? Herr Limbourg setzt sich mit seiner Formulierung dem Verdacht aus, die Messlatte sehr, sehr niedrig hängen zu wollen.
Ebenso auffällig sind Limbourgs Versuche, die von der „Süddeutschen“, „Welt“, „Vice“, „Bild“ und anderen aufgedeckten antisemitischen Äußerungen und Karikaturen von Deutsche-Welle-Mitarbeitern und DW-Partnersendern zu verharmlosen und die Öffentlichkeit nachträglich darüber zu täuschen, worum es eigentlich geht:
- Karikaturen, in denen Juden als Schweine oder Mutter des Teufels dargestellt werden;
- einen Sender – Roya TV –, der Israelis als „Besatzungssiedler“ und Israels stets als „die Besatzung“ bezeichnet;
- einen anderen Sender – Al Jadeed (mit dem die DW immer noch zusammenarbeitet), der den Mörder Samir Kuntar – der den Kopf der vierjährigen Einat Haran zwischen einem Felsen und seinem Gewehrkolben zerschmetterte, nachdem er vorher ihren Vater vor ihren Augen ertränkt hatte – als ein großartiges Beispiel „moralischer Standfestigkeit“ lobte;
- einen Deutsche-Welle-Redakteur, der auf Facebook einen Holocaustleugner lobte und schrieb, dass er das Gespräch mit einer Jüdin abgebrochen habe, als er von ihrer Identität erfahren habe;
- ein Ausbilder der Deutsche-Welle-Akademie, der getwittert hatte: „Der Holocaust ist eine Lüge.“ Und vieles mehr.
Ablenkungsmanöver
Ob das alles so war, wie berichtet, werden Frau Leutheusser-Schnarrenberger und Herr Mansour noch herausfinden. Jedenfalls sind das die Vorwürfe, um die es geht. Es geht um Antisemitismus wie bei Adolf Hitler oder Julius Streicher.
Schauen wir uns an, was Peter Limbourg in jüngsten Interviews gesagt hat. Er sagte:
„Es stellt sich aber auch die Frage: Wo ist Israel-Kritik legitim, etwa an der jeweiligen Regierung, an Regierungsorganisationen oder am Siedlungsbau? Die Meinungen in der arabischen Welt unterscheiden sich in diesen Punkten sehr stark von den Diskursen in Deutschland und Europa. Da werden Sie immer einen Abwägungsprozess haben.“
Und noch vor wenigen Tagen:
„Roya TV ist in der arabischen Welt als liberaler und offener Sender bekannt. Er macht sich für Menschenrechte stark und für Demokratie. Grundsätzlich ist es aber eine Tatsache, dass das Bild Israels in der arabischen Welt extrem kritisch ist. Diese Konflikte spiegeln sich auch in den dortigen Medien wider.“
Was tut Limbourg hier? Zunächst einmal versucht er, das Augenmerk von dem wegzulenken, worum es geht. Es wurden Juden als zu schlachtende Schweine dargestellt? Limbourg redet von „Israel-Kritik“ und Siedlungsbau.
Er zündet Nebelkerzen, will die Leser glauben machen, dass da eigentlich nur jemand „Kritik“ an der israelischen Regierung geübt habe und vielleicht dabei eine etwas zu herbe Sprache benutzte – und selbst dieses Urteil darüber könne ja erst nach einem „Abwägungsprozess“ gefällt werden.
Blick von Belegen weglenken
Diese Taktik kennt man vom ehemaligen Londoner Bürgermeister Ken Livingstone, der inzwischen wegen seines Antisemitismus aus der Labour-Partei ausgeschlossen wurde.
Als Livingstone einmal in der Kritik stand, weil er einen jüdischen Journalisten gefragt hatte, ob dieser „ein deutscher Kriegsverbrecher“ sei, schrieb Livingstone im Hinblick auf die gegen ihn gerichtete Kritik: „Viel zu lange ist der Vorwurf des Antisemitismus gegen jeden erhoben worden, der wie ich kritisch gegenüber der Politik der israelischen Regierung ist.“
Livingstone wollte darüber hinwegtäuschen, worum es wirklich ging und so tun, als werde ihm deshalb Antisemitismus vorgeworfen, weil er „kritisch gegenüber der Politik der israelischen Regierung“ sei. Limbourg macht zwar nicht das Gleiche wie Livingstone; er behauptet nicht, dass die Belege für Antisemitismus falsch seien und es keinen Antisemitismus gäbe.
Aber auch er versucht, den Blick von diesen Belegen wegzulenken; weg von den Tatsachen, den echten Vorwürfen, hin zu einer fiktiven „Kritik“ an der „israelischen Regierung“ oder dem „Siedlungsbau“. Als ob das eine irgendetwas mit dem anderen zu tun hätte. Das aber werden – und sollen – manche Leser des Interviews denken.
Es gibt in Deutschland eine starke Propagandakampagne, deren Kern die irrsinnige Behauptung ist, man könne keine „Kritik an Israel“ üben, ohne mit „dem Antisemitismusvorwurf“ belegt zu werden. Das ist das Klischee, das auch Limbourg bedient, wenn er bei einem Gespräch über den Antisemitismus der Deutsche-Welle-Mitarbeiter Wörter wie „Kritik“ an der „israelischen Regierung“ und „Siedlungsbau“ in die Runde wirft.
Kulturrelativismus
Dann ist da der Kulturrelativismus: die Idee, dass man Menschen bestimmter Herkunft mit anderen Maßstäben zu messen habe. Das ist allgemein eine problematische Haltung – aber wenn es um Antisemitismus geht? Um Holocaustleugnung und Karikaturen im „Stürmer“-Stil?
Eine Geisteshaltung, die man bei Deutschen mit Recht verurteilt, soll weniger schlimm sein, wenn sie von jemandem geäußert wird, der aus einem anderen Erdteil stammt? Etwa, weil es dort verbreitet ist, den Holocaust zu leugnen? Werden antisemitische Anschauungen weniger schlimm, je mehr Menschen es gibt, die sie vertreten? Wäre dann auch der Judenhass im Deutschland der 1930er Jahre weniger schlimm gewesen als heutiger, weil er damals so extrem populär war?
Auch seinen Kulturrelativismus verbindet Limbourg mit Floskeln, die man nur als Verharmlosung des Antisemitismus auffassen kann. Er nennt es eine „Tatsache“, „dass das Bild Israels in der arabischen Welt extrem kritisch ist“. Antisemitismus wird also zu einer „extrem kritischen Haltung“ umgedeutet – und damit beschönigt: Was kann man dagegen einwenden, wenn jemand „extrem kritisch“ ist? Heißt das nicht, dass er ein wacher Denker ist, der hohe Ansprüche an die Umwelt stellt und sich nicht mit fadenscheinigen Argumenten abspeisen lässt?
Man muss immer wieder in Erinnerung rufen, worum es geht: Da ist also etwa ein Kommentator des Deutsche-Welle-Partnersenders „Ma’an News“, der im Fernsehen sagt, Juden würden die „Krankheit“ Homosexualität verbreiten. Was sagt Deutsche-Welle-Intendant Peter Limbourg? „Grundsätzlich ist es aber eine Tatsache, dass das Bild Israels in der arabischen Welt extrem kritisch ist.“ Ganz schön kritisch, na klar.
Wenn die Deutsche Welle „Ma’an News“ immer noch (!) als „seriöse Nachrichtenquelle aus den palästinensischen Gebieten“ betrachtet; und wenn Peter Limbourg noch vor wenigen Tagen gegenüber der „Jüdischen Allgemeinen“ behauptete, Roya TV sei „als liberaler und offener Sender bekannt“ – wer soll dann seinen Beteuerungen Glauben schenken, die Deutsche Welle werde in Zukunft keinen Antisemitismus mehr verbreiten?
Doch halt: das sagt er ja nicht – bloß keinen puren Antisemitismus mehr.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.
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