T. Lux Feininger: Ein Amerikaner in Quedlinburg

T. Lux Feininger, Einfahrt nach Havanna, 1930, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Museum Lyonel Feininger, Foto: Ray Behringer


Lyonel Feininger war ein jüdisch-deutsch-amerikanischer Maler, Grafiker und Karikaturist. Ab 1909 war er Mitglied der Berliner Secession. Mit seinen Arbeiten am Bauhaus seit 1919 gehört er zu den bedeutendsten Künstlern der Klassischen Moderne. 1937 musste Feininger mit seiner Familie aufgrund der jüdischen Herkunft Hitler-Deutschland verlassen und kehrte in die USA zurück. Seine zwei Söhne schlugen ebenfalls die künstlerische Laufbahn ein. Die Werke des jüngeren Sohnes, Theodor Lux Feininger, sind nun in der Ausstellung „T. Lux Feininger | Magic Moments“ im Museum Lyonel Feininger in Quedlinburg zu sehen.

Von Sabine Schereck

Der amerikanische Maler Lyonel Feininger hat durch sein langjähriges Wirken in Deutschland vielerorts Spuren hinterlassen. In Quedlinburg im Harz befindet sich jedoch weltweit das einzige Museum, das dem Künstler gewidmet ist, der 1937 Deutschland aufgrund seiner jüdischen Herkunft verlassen musste und in die USA zurückkehrte.

Feininger hatte zwei Söhne, die ebenfalls eine künstlerische Laufbahn einschlugen, aber deren Werke hierzulande seltener zu sehen sind. Andreas, der ältere wurde Fotograf und tat sich durch seine Architekturaufnahmen hervor, die letztes Jahr im Bröhan-Museum zu sehen waren. Der jüngere, 1910 in Berlin geborene Theodor Lux Feininger ließ seine Kreativität gleich in mehrere Kunstformen fließen: Grafik, Illustration, Malerei und Fotografie. Einen Einblick in sein vielfältiges Schaffen ermöglicht nun die Ausstellung „T. Lux Feininger | Magic Moments“ im Museum Lyonel Feininger in Quedlinburg. Bei der Auswahl der 70 hier präsentierten Gemälde und Grafiken richtete die Kuratorin und Museumsdirektorin Adina Christine Rösch den Blick auf die „Traumbilder”, wie T. Lux sie nannte und ihre Inspiration aus dem Realen, dem Fantastischen und Imaginären zogen. Gleichzeitig ließ sich Rösch davon leiten, einen guten Querschnitt abzubilden, so dass unterschiedliche Stile wie Expressionismus, Kubismus und der Magischer Realismus zur Geltung kommen.

 

Kostproben der stilistischen Bandbreite

Besonders markant in den drei Ausstellungsräumen in den oberen Etagen des Museums ist das elegante Design der Ausstellung selbst. Die Wände sind in dunkles edles Gold bzw. in ein tiefes Marineblau getaucht und die Schriftzüge dem Art Deco Stil entnommen. Sie transportieren den Besucher in die schicke Welt der Oceanliners der 1930er Jahre. Es passt perfekt zum Herzstück der Ausstellung, deren Bilder vielfach Schiffe als Motiv haben. Doch bevor es in die weite Welt hinausgeht, bietet der einführende Raum ‚Meeting T Lux’ eine Kostprobe von seiner schöpferischen, stilistischen Bandbreite und der Vielzahl von Quellen, die ihn anregten: Da sind farbige Illustrationen nach den satirischen „Geschichten von Langbogen I, II und III” (1925) des englischen Autors G. K. Chesterton, die 1936 entstanden als T. Lux 16 Jahre alt war. Er nutzte Aquarell und Feder dazu. Die „Nachtszene“ mutet expressionistisch an und lässt an die düsteren Szenen aus dem Film „Nosferatu” denken. Daneben wird seine Vorliebe für Autos aufgegriffen.

Die drei Beispiele „Taxis in der Nacht” (1951-52), „New Yorker Taxis” (1948) und „New Yorker Sommerregen” (1982) könnten unterschiedlicher nicht sein. Die „Taxis in der Nacht” gleichen einer gesprühten Druckgrafik sind aber ein Aquarell mit Schablonentechnik. Es zeigt den Blick von oben auf eine Autobahn, im Hintergrund ist die vage Silhouette einer Skyline auszumachen, die in den dunkelblauen Nachthimmel ragt. „New Yorker Taxis” ist ein großes Ölgemälde, das mit warmen Farben schimmernd wunderbar die Stimmung New Yorks der 1940er Jahre einfängt und den Einfluss des Malers Edward Hoppers sichtbar macht. Hier ist der Betrachter mitten in der Straßenszene, in der zwei Frauen zwischen den Autos hindurch die Straße überqueren. Die weichen Linien und unklaren Umrisse gleichen dem Effekt eines Sommerregens, bei dem die herunterpladderten Tropfen auf den heißen Motorhauben einen Dunst hervorbringen. Der daneben platzierte „New Yorker Sommerregen“ hingegen, ebenfalls in Öl, ist sehr viel kühler und stark abstrahiert.

T. Lux Feininger, New Yorker Taxi, 1948, Stiftung Bauhaus Dessau, T. Lux Feininger Estate, Foto: Siegfried B. Schäfer


Gemeinsam illustrieren die Bilder T. Luxs enorme Experimentierfreude aber auch Entwicklung. Damit wird eingangs schon auf seinen Wandel zwischen den Welten und verschiedenen Kulturen, insbesondere Europa und Amerika hingewiesen. Entsprechend ist die Thematik im nächsten Raum mit der Idee des Oceanliners bestens umgesetzt. Auch hier ist der Abwechslungsreichtum, mit dem Schiffe und Hafenszenen festgehalten werden verblüffend: Da ist mit „Aus Schweden“ in Öl gemalt ein Segelschiff auf klarem hellblauem Wasser, wo im Hintergrund ein Berg mit roten Bäumen vom Herbst erzählt. Es entstand 1955 und erinnert in seiner Ruhe an den Prismenstil seines Vaters. Ob es jedoch eine Erinnerung an einen Besuch bei seinem Bruder ist, der dort in den späten 1930er Jahren arbeitete?

 

Ein Hauch von Fernweh

Dann sind dort ein Holzschnitt von 1918, sowie ein Linolschnitt auf blauem Grund von 1977. Die Bleistiftzeichnung „Badende am Strand“ (1935-36) mit Segelbooten im Hintergrund erfährt durch die vergnügten Figuren eine gewisse Leichtigkeit. Eindrucksvoll sind insbesondere die Ölarbeiten „Zwei Segelboote im Sonnenlicht“ (1932), „Zwei Kutter im Ärmelkanal“ (1931-32) und „Gute Erinnerungen an dieses fremde Land“ (1974), die in ihren klaren Linien und Farben die Eleganz des Art Decos reflektieren. „Segelboot im Nebel“ (1932-33) aus Aquarell und Kohle strahlt trotz seiner trüben Grautöne, aus denen eine leuchtend gelbe Sonne am Horizont hervorlugt, eine magische Atmosphäre aus. Allen Bildern durchstreift ein Hauch Fernweh. Auf der gegenüberliegenden Wand ‚Von Seemännern und Frauen’ sind Hafenbilder vereint mit Matrosen, Fischfrauen und eine Gruppe verspielter Charaktere, die sehnsüchtig aufs Meer blicken wie in „Einfahrt nach Havanna“ (1930), wo der stürmische Wind am Kai die Szene lebendig werden lässt.

Weitere Themen, die das umfangreiche Spektrum von T Luxs Schaffen aufblitzen lassen, sind ‚Lebende Landschaften’, in der Tier- und Afrikabilder in vielen Stilen und Farben eingefangen werden. Im letzten Raum geht es um Frauen, inklusive Frauen in der Familie, im Umkreis der Familie wie Bedienstete und Frauen auf der Straße, Akte und Mode. Die Bilder hier haben aber nicht die Schlagkraft der anderen.

T. Lux hatte nicht nur ein äußerst produktives, sondern auch langes und erfolgreiches Leben: 1929, da war er gerade mal 19, stellte er erstmalig seine Werke aus, 1936 siedelte er nach Amerika über, wo er 1937 in Manhattan bereits eine Einzelausstellung verbuchen konnte. 2011 starb er im Alter von 101 Jahren in Massachusetts.

Die Ausstellung hier ist zwar klein, aber ungeheuer dicht und reichhaltig und eröffnet ein Fenster zu einem Schatz amerikanisch-europäischer Kunst, der abseits des Mainstreams liegt.

Die Ausstellung läuft bis zum 13.1.2025.

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