Getrennte Wirtschaftsgipfel von FDP und Kanzlerpartei: Ist das Trennungsjahr in der Ampel-Regierung eingeläutet?

FDP und SPD führen nur noch eine Zweckehe.
© TOBIAS SCHWARZ AFP

Eine Regierung, zwei Gipfel. Das Auseinanderbrechen der Ampel-Regierung konnte man bei den zwei separaten Wirtschaftsgipfeln in Berlin beobachten. Doch obwohl die Programme in Wirtschafts-, Energie- oder Migrationspolitik völlig auseinandergehen und auch insgesamt diametral dem Interesse dieses Landes und seiner Bürger entgegenstehen, ist weder die FDP noch eine andere Partei bereit, die grün-linke dominierte Koalition zu verlassen und die Ampel-Fahrt endlich zu beenden. Dabei ist nicht zu übersehen, dass das politische Streben der Regierungsparteien nicht vom Wohl unseres von grün-links bereits erheblich beschädigten Staates, sondern vom persönlichen Machterhalt der agierenden Personen diktiert ist. Weil jedem der Beteiligten, besonders den Grünen und der FDP, wegen des Scherbenhaufens, den sie hinterlassen werden, klar ist, dass sie keinerlei Chance haben, an der nächsten Regierung teilzuhaben. Es darf darauf gesetzt werden, dass die Regierung in der gegenwärtigen Fehlbesetzung bis zum bitteren Ende zusammenbleiben wird, damit die Minister ihre Posten und ihre Privilegien nicht vorfristig aufgeben müssen. Lieber schlecht regieren, als gar nicht regieren, ist offensichtlich die wirkliche Devise Lindners und der übrigen Regierenden, die im Gegensatz zu seiner großspurigen gegenteiligen Aussage immer gegolten hat. (JR)

Von Mario Thurnes

Bergsteiger wissen: Nach dem Gipfel geht es bergab. Das steht auch der deutschen Wirtschaft bevor, nachdem Olaf Scholz und Christian Lindner deren Vertreter zum Gespräch eingeladen hatten. Die Ampel hat nichts, was es braucht, um die Probleme zu lösen – sie ist ein „Investitionshemmnis“.

Eigentlich sollte an dieser Stelle ein launiger Einstieg stehen. Doch der Satz, den Finanzminister Christian Lindner (FDP) nach seinem Spitzentreffen mit Wirtschaftsvertretern geäußert hat, ist so verräterisch, dass er für sich allein steht: „Die wirtschaftspolitische Diskussion ist jetzt da, wo sie hingehört – ganz oben auf der Tagesordnung.“ Darum sei es bei seinem Gipfel gegangen – und wohl auch bei dem fast zeitgleich stattfindenden Treffen, zu dem Kanzler Olaf Scholz (SPD) andere Vertreter der Wirtschaft eingeladen hatte.

 

Einsetzende Deindustrialisierung

Spitzenvertreter der deutschen Politik treffen sich unter hohem Aufwand mit Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft. Und warum? Um das Thema Wirtschaft auf die Spitze der Tagesordnung zu setzen. Ein Job, der mit einem Zuruf an den Assistenten erledigt gewesen wäre. Braucht die Ampel wirklich das Brimborium zweier Gipfel an einem Tag, um sich den Ernst der Lage zu vergewissern? In einer Situation, in der die Deutsche Industrie- und Handelskammer vor einer einsetzenden Deindustrialisierung des Landes warnt.

Nun ist Lindner eins zugute zu halten: Er ist zwar ein schwacher Politiker, der immer wieder viel zu schnell vor Hirngespinsten rot-grüner Ideologie eingeknickt ist. Doch er ist auch ein guter Analytiker der Situation. Der Finanzminister erkennt und benennt oft, die richtigen Notwendigkeiten. Wenn Lindner davon spricht, dass jetzt die „wirtschaftspolitische Diskussion“ oben auf der Tagesordnung steht, meint er nicht sich. Er selbst hat mehrfach den Ernst der Lage benannt.

Lindner meint den Kanzler. Als der Finanzminister und „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) im Frühjahr auf die Not der Wirtschaft aufmerksam gemacht haben, wiegelte der Regierungschef ab: Der Wirtschaft gehe es gut, meinte Scholz da noch. Wer etwas anderes sage, rede das Land schlecht. Er werde Miesmacherei nicht dulden. Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Der Sozialist in seinem Lauf ist oft wie ein echter Esel drauf.

 

Nichts als politische Manöver

Zwei Jahre Schrumpfen der Wirtschaft in Folge. Rezession. Sinkende Steuereinnahmen. Steigende Arbeitslosigkeit trotz „Arbeitskräftemangels“. Selbst der notorische Schönbeter Scholz kann nicht mehr wegschauen. Also lädt er zum Gipfel ein, in einer Blindheit, die nie zuvor einem Regierungschef der Bundesrepublik eigen war: Einzelne Spitzenkonzerne lädt Scholz und die Gewerkschaften. Diese Auswahl zeigt, worum es dem Kanzler mit seinem Gipfel geht: um Show. Politische Manöver statt lösungsorientierten Inhalten.

Scholz verzichtet auf jeden Vertreter des Mittelstands, lädt aber die Gewerkschaften ein. Das zielt auf die Linke in der SPD, die nach den verlorenen Wahlen in Europa und im Osten Deutschlands gemurrt hatte, der Kanzler solle sozialdemokratisches Profil schärfen. Kein Vertreter des Mittelstands, aber Abgesandte einiger Großkonzerne. Scholz macht damit weiter wie bisher. Er will mit Steuermilliarden einzelne Leuchttürme hochziehen, die den Wähler blenden sollen, sodass der den Niedergang des Rests der Wirtschaft übersieht. So wie in Magdeburg oder bei Saarlouis, wo solche Leuchttürme noch vor dem Bau in sich zusammengebrochen sind. Scholz will gar nichts Substanzielles ändern. Er will blenden und zurück zu seiner alten Erzählung, dass ja eigentlich alles in Ordnung sei und jeder, der etwas anderes behaupte ein Miesmacher sei.

Lindner und die FDP mögen mit ihrem Gipfel Scholz gezwungen haben, die Wirtschaftspolitik nach oben auf die Tagesordnung zu hieven. Aber ob das was verändert, ist – vorsichtig ausgedrückt – fraglich. Zu wachsweich sind die Äußerungen der Liberalen nach ihrem Gipfel: „Wir brauchen jetzt Richtungsentscheidungen“, sagt Fraktionschef Christian Dürr. Deutschland dürfe keinen „Sonderweg“ in der Klimapolitik gehen, fordert Lindner. Doch da ist er wieder: der schwache Politiker, der das Gegenteil von dem tut, was er als richtig und wichtig eingesehen hat. Deutschland ist auf seinem Sonderweg in der Klimapolitik unter der Ampel meilenweit fortgeschritten – mit freundlicher Unterstützung der FDP und Lindners.

 

Permanente Widersprüchlichkeit

Noch ein Beispiel? Gerne: „Es gibt auch eine Regierungsverpflichtung. Für Deutschland ist es besser, wenn eine Regierung einen gemeinsamen Weg findet und bestreitet.“, sagt Lindner. Direkt nachdem er parallel zum Kanzler einen eigenen Gipfel abgehalten hat. Tun und Sagen gehen beim FDP-Chef maximal auseinander. Mit dieser permanenten Widersprüchlichkeit ist Lindner ein Hauptgrund, warum die Ampel so unseriös wirkt.

Diese unseriöse Bundesregierung wird zu einem Grund für die wirtschaftliche Schwäche. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer hat 25.000 Unternehmen befragt. 57 Prozent der Befragten nennt die „wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen“ als Risiko für ihren geschäftlichen Erfolg. Das sind mehr Unternehmer als die, die hohe Energiepreise, Fachkräftemangel oder Arbeitskosten als wirtschaftliches Risiko aufführen.

Auch Rainer Dulger geht in diese Richtung. Der, Präsident der Arbeitgeberverbände sagt: „Ich erwarte von der Ampel, dass sie mit den Möglichkeiten, die sie hat, klarkommt.“ Die Regierung dürfe kein „Investitionshemmnis“ sein. Doch genau das ist sie. Dulger und wirklich alle Vertreter der Wirtschaft verlangen grundlegende Reformen: vor allem um die Kosten der Arbeit zu senken und um die ausufernde Bürokratie abzubauen. Nur genau das ist SPD, FDP und Grünen nicht mehr zuzutrauen – wenn sie sich nicht mal auf einen gemeinsamen Termin für einen Wirtschaftsgipfel verständigen können. Das ist kein launiger Ausstieg aus dem Text. Das ist traurige Realität in Deutschland.

 

Dieser Artikel erschien zuerst bei Tichys Einblick.

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