Die Revolution der Freiheit: Javier Mileis radikale Vision für Argentinien

Die kürzlich erschienene Biografie von Philipp Bagus, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid, mit dem Titel „Die Ära Milei. Argentiniens neuer Weg“ beschreibt die Anfänge und Prägungen des hierzulande und in Westeuropa von der woken Politik unentwegt dämonisierten argentinischen Präsidenten, der in seiner Heimat als Symbol des Widerstands und der Freiheitsbewegung gilt. Das Buch gewährt Einblicke in Javier Mileis intellektuelle Entwicklung, seine politischen Überzeugungen, die Herausforderungen, die ihn auf dem Weg zur Erfüllung seines Traums begleiten und auch seine engen und überaus sympathisierenden Verbindungen zum Judentum. (JR)
Javier Milei ist eine Ausnahmefigur – nicht nur in der argentinischen Politik – ein Mann, der den Weg zur Ökonomie und zur Politik über sein eindringliches Interesse an den Theorien der Österreichischen Schule gefunden hat. Angetrieben von Werken wie „Human Action“ von Ludwig von Mises und inspiriert von Denkern wie Murray Rothbard und Friedrich August von Hayek, entwickelte Milei eine klare Vision, die er nun als Präsident in Argentinien umsetzen möchte. Jemand der im Wahlkampf versprach, die meisten seiner Meinung nach überflüssigen Ministerien zu schließen, die Linke im Fernsehen mit Fäkalausdrücken zu verfluchen. Der selbst ernannte Anarchokapitalist hat, wie angekündigt, radikale Kürzungen vorgenommen: Den Staat, den er selbst als „kriminelle Organisation“ betrachtet, hat er drastisch reduziert und stark zurückgefahren. Wer ist dieser selbsternannte Anarchokapitalist und wie tickt er?
Die kürzlich erschienene Biografie von Philipp Bagus, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid, mit dem Titel „Die Ära Milei. Argentiniens neuer Weg“ beschreibt die Anfänge und Prägungen eines Mannes, der in seiner Heimat als Symbol des Widerstands und der Freiheitsbewegung gilt. Das Buch gewährt Einblicke in Mileis intellektuelle Entwicklung, seine politischen Überzeugungen, die Herausforderungen, die ihn auf dem Weg zur Erfüllung seines Traums begleiten und auch seine Verbindungen zum Judentum.
Der argentinische Präsident Javier Milei, der nun seit einem Jahr im Amt ist, besitzt etwas, das in Deutschland derzeit völlig fehlt: einen klaren ordnungs- und wirtschaftspolitischen Kompass. Argentinien hat dabei bereits Erfahrungen gemacht, die Deutschland möglicherweise noch bevorstehen.
Mises, Hayek und Friedman
Nach der Lektüre eines Buches des Ökonomen Murray Rothbard beschloss Javier Milei, sein Geld in Bücher zu investieren. Er ging in eine Buchhandlung und erwarb 20 Werke von Theoretikern der Österreichischen Schule. Nachdem er sein Budget für Essen, Transport und die Wege zur Arbeit berechnet hatte, kehrte er am nächsten Tag zurück und kaufte weitere Bücher. Im Vorwort berichtet Milei selbst davon, wie er in zwei Tagen etwa 50 Bücher gekauft habe.
Unter diesen Büchern war auch „Human Action“ von Ludwig von Mises, das ihn dermaßen fesselte, dass er sich mehrere Tage zurückzog, bis er es beendet hatte, nur unterbrochen durch Essen, Spaziergänge mit seinem Hund Conan und die nötigsten Bedürfnisse. Dieses Werk habe ihn „wie geblendet“ und nachhaltig beeinflusst. Daraufhin widmete er sich den Schriften von Friedrich August von Hayek und Milton Friedman. Diese Episode macht deutlich, wie wenig sinnvoll der Vergleich mit Trump ist – einem Politiker, der wohl lieber zwei Tage Wrestling-Kämpfe ansehen würde, als sich durch die komplexen Theorien von Mises und Hayek zu arbeiten.
Wie Bagus schildert, lernte Milei viel nicht nur von seinen Vordenkern, sondern auch von seinen Gegnern, den Marxisten und Linken. Er kämpft gegen das, was er als Ausbeutung und Unterdrückung durch den Staat und dessen „parasitäre“ Profiteure empfindet, nicht gegen Unternehmer, die seiner Ansicht nach zur Wertschöpfung beitragen. Milei bringt die Theorien, die er gelesen hat, zu den Menschen – auf Marktplätzen und öffentlichen Plätzen, wo er über Ökonomie spricht. Er richtet sich jedoch, anders als viele Libertäre, weniger an Intellektuelle und mehr an junge, arme Männer, die seine Hauptzielgruppe bilden und ihm in Wahlanalysen die stärkste Unterstützung zeigen.
Symbol des Widerstands
In seinem Buch zeigt Bagus in den ersten Kapiteln eine Kurzbiografie Mileis, die Werte, die Milei vertritt, sowie die Bedeutung der Österreichischen Wirtschaftsschule für ihn auf. Diese Theorie, wie Milei selbst im Vorwort schreibt, sei für ihn grundlegend: „Sie ist wie ein Kompass, der jede meiner Entscheidungen leitet.“ Auf seinen Veranstaltungen gibt Milei sich wie ein Rockstar – ein Stil, der ihn nicht nur durch seine politische Überzeugung, sondern auch durch seine rebellische Art besonders für junge Menschen attraktiv macht. So steht es, so Bagus, in Argentinien heute für viele als Symbol des Widerstands, libertär zu sein, ähnlich wie früher, als der linke Aktivismus populär war. Auf der Bühne tanzt und singt Milei, wie er es früher als Sänger einer Band tat, die Rolling-Stones-Cover spielte. Zu seinen Idolen zählen neben Mises, Rothbard und Hayek auch Mick Jagger. Milei tritt als Bücherwurm und Meister der Selbstvermarktung zugleich auf, überzeugt davon, den Kapitalismus zum Sieg führen zu müssen.
Doch Milei ist auch jemand, der seine Wahlversprechen hält. Er verlost seine Abgeordnetendiät, wofür sich über zwei Millionen Argentinier anmelden. Allein diese Aktion bringt ihn auf über dreißig Titelseiten.
Im zweiten Kapitel folgt ein Überblick über die verheerende wirtschaftliche Situation Argentiniens vor der Präsidentschaft Mileis. Nach Angaben der Weltbank lebten im September 2023 etwa 40,1 Prozent der argentinischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, während weitere 9,1 Prozent in extremer Armut lebten. Dazu auch die grassierende Inflation, die im Oktober 2023 143 Prozent betrug. Unter Milei ist die Inflationsrate deutlich gesunken.
Das man zurecht von einem „Phänomen-Milei“ sprechen kann, zeigen gleich die ersten Seiten, wenn Bagus von einer Beobachtung in einem Madrider Paketshop berichtet, wo er die über 60-jährige indigene südamerikanische Besitzerin sieht, wie sie Reden Mileis zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung auf YouTube anschaut. Auf Milei angesprochen, erstrahlt ihr Gesicht und sie gerät ins Schwärmen. Ich kann mir meinen kurdischen Paketshopbesitzer nicht vorstellen sich Videos deutscher Politiker mit solchem Interesse anzuschauen, geschweige denn, wie ihm einer ein Lächeln auf die Lippen zaubert.
Besonnener Pragmatismus
Das Buch beleuchtet Mileis außenpolitische Positionen nur am Rande. Seine erste Auslandsreise führte ihn nach Israel. Axel Wahnish, mit dem er die Thora zusammen studierte, ernannte er zum Botschafter Argentiniens und im Gaza-Krieg bezog er eine deutlich pro-israelische Position, was ihm nicht nur Freunde auf libertärer Seite gemacht hat.
Im weiteren Verlauf des Buches stellt Bagus die Frage, welche Hindernisse Milei bei seinem Aufstieg zum Erfolg im Wege stehen könnten. Er sieht eine Gefahr darin, dass Milei womöglich Kompromisse eingehen könnte, die ihn vom libertären Weg abbringen. Doch Milei zeichnet sich durch Pragmatismus aus – ein Potenzial, das seine politische Strategie flexibler macht. Erfahrungen kapitalistischer Reformen in anderen Ländern zeigen, dass sich die Lage zunächst verschlechtern kann, bevor sich langfristig Verbesserungen einstellen. Genau darüber hat Milei im Wahlkampf auch immer wieder gesprochen. Es wird sich zeigen müssen, ob ihm die Argentinier die nötige Zeit dafür geben werden. Die Zukunft wird zeigen, ob den Leuten die Geduld ausgeht. Allen an Argentinien und Milei Interessierten ist das Buch von Bagus, das einen guten Einstieg gibt, um Milei besser zu verstehen, ans Herz gelegt.
¡Viva la libertad, carajo! (Es lebe die Freiheit, verdammt noch mal!)
Philipp Bagus: Die Ära Milei. Argentiniens neuer Weg. Langen-Müller-Verlag, München 2024.
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