Brandenburg: Die SPD hat ihren Status als Arbeiterpartei verloren

Ministerpräsident von Brandenburg, Dietmar Woidke, hätte sich im Wahlkampf wohl am liebsten vom Bundeskanzler Olaf Scholz distanziert.
© RALF HIRSCHBERGER , Jens Schlüter,/AFP

Bei den Landtagswahlen in Brandenburg konnte sich zwar der regierende SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke im Amt halten, doch das Wahlergebnis offenbarte den desolaten Zustand der ehemaligen Arbeiterpartei. Nur knapp konnten die roten Genossen vor der AfD die Stimmenmehrheit des Wählers auf sich versammeln. Bezeichnend für den Bankrott der SPD ist, dass Woidke gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Bundeskanzler Olaf Scholz abgelehnt hat. Die SPD hat in Brandenburg nicht gewonnen, weil sie die besseren Antworten auf die Sorgen und Nöte der Menschen hatte, sondern weil man mit allen Mitteln einen Wahlsieg der AfD verhindern wollte. Doch die Wähler wollen keine „Brandmauern“ gegen Rechts, sondern Grenzmauern gegen unkontrollierte Zuwanderung, vor allem aus islamischen Ländern. Das zeigen die Umfragen. (JR)

Von Mag. Stefan Beig

Die SPD war mal eine Arbeiterpartei. Heute wählen sie wohlhabende, gut ausgebildete Rentner. Das zeigen Umfragen nach der Landtagswahl in Brandenburg. Die Wähler der AfD hingegen sind vor allem junge Arbeiter mit geringem Einkommen, die einen Einwanderungsstopp wollen. Zudem fühlen sie sich von den anderen Parteien nicht vertreten, die AfD ist für sie auch nicht rechtsextrem, wie sie mit Nachdruck betonen. Diese Ergebnisse der Nachwahlbefragung sollten vor allem jenen Politikern zu denken geben, die immer wieder eine Debatte über ein Verbot der AfD anstoßen und darin die wichtigste Antwort auf deren Erfolgskurs sehen.

Dank eines furiosen Endspurts gelang der SPD bei der Landtagswahl in Brandenburg eine kleine Sensation: Entgegen allen Umfragen errang sie mit 30,9 Prozent erneut den ersten Platz, knapp vor der AfD mit 29,2 Prozent. Damit ist eine der letzten sozialdemokratischen Hochburgen doch noch nicht gefallen. Diesen Erfolg verdankt Olaf Scholz ausgerechnet seinem innerparteilichen Widersacher, dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke. Dem Bundeskanzler und SPD-Bundesvorsitzenden bleibt nun vorerst eine Führungsdebatte erspart.

 

Auch die SPD-Wähler finden weder das Programm der SPD noch den SPD-Kanzler attraktiv

Allerdings können weder Scholz noch die Bundes-SPD diesen Sieg für sich verbuchen. Woidke lehnte gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Scholz ab. Nachwahlbefragungen von Infratest Dimap geben ihm Recht: Das Ansehen des Bundeskanzlers ist in Brandenburg selbst unter SPD-Wählern miserabel. 61 Prozent finden, Scholz werde „seiner Führungsverantwortung als Kanzler nicht gerecht“. Gleichzeitig gibt mehr als die Hälfte der SPD-Wähler an, die Partei nur wegen ihres Spitzenkandidaten Woidke gewählt zu haben. Noch bemerkenswerter: 75 Prozent der SPD-Wähler sind von der Partei „inhaltlich nicht überzeugt“ und haben sie nur gewählt, „um eine starke AfD zu verhindern“. Die Kanzlerpartei kann also auch in den Augen ihrer Wähler kein attraktives Programm, geschweige denn einen attraktiven Parteivorsitzenden vorweisen. Ganz anders die AfD: 52 Prozent wählten sie „aus Überzeugung für meine Partei“, um 14 Prozentpunkte mehr als bei der Landtagswahl 2019.

Wenn die SPD-Spitze dieses Wahlergebnis nun als Bestätigung ihrer Politik auf Bundesebene interpretiert, wird sie von den Wählern bei der nächsten Bundestagswahl für diese Selbstgefälligkeit abgestraft werden. Und noch etwas sollte Scholz zu denken geben: Die SPD hat ihre einstige Kernklientel, die Arbeiter, verloren. Ihre Wähler sind gebildet, eher wohlhabend und Rentner. Es drängt sich das Bild eines überalterten Establishments auf, das seine besten Jahre hinter sich hat und den politischen Wandel noch einmal aufhalten will.

Die Wähler der AfD hingegen sind jung, weniger gebildet, deutlich ärmer und zu einem großen Teil Arbeiter, die sich vom Establishment nicht verstanden fühlen. Sie halten die AfD übrigens nicht für rechtsextrem, wie die Umfrageergebnisse von Infratest Dimap zeigen.

 

Die AfD löste die Grünen als Partei der jungen Wähler ab

Im Vergleich zu 2019 konnte die AfD in allen Wählergruppen Stimmenzuwächse verzeichnen, nirgendwo aber so stark wie bei den 16- bis 24-Jährigen, wo sich der Zuspruch von 15,5 auf 31 Prozent verdoppelte. Die SPD kam hier nur noch auf 19 Prozent. Besonders bitter ist das Ergebnis für die Grünen: 2019 waren sie mit 31 Prozent noch stärkste Partei bei den jungen Wählern. Nun folgte der Absturz: Minus 21 Prozentpunkte – nur noch sechs Prozent schenkten den Grünen ihr Vertrauen.

Auch bei den 25- bis 59-Jährigen liegt die AfD mit ca. 33 Prozent auf Platz eins. Erst bei den über 60-Jährigen hat die SPD die Nase vorn. Die Generation 60 plus sicherte der SPD den Wahlsieg. Am deutlichsten war der Unterschied bei den über 70-Jährigen: Hier wählten 49 Prozent die Sozialdemokraten, aber nur 17 Prozent die AfD.

Die Älteren wollen Kontinuität, die Jungen wünschen einen Politikwechsel, sie „vertrauen den etablierten Parteien nicht“, sagt der Soziologe Axel Salheiser, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena, der Süddeutschen Zeitung. Es bestehe das Gefühle, „dass sie und die vermeintlichen Eliten, die hinter ihnen stehen, sich nicht mehr um sie kümmern.“

 

SPD ist heute Partei der Akademiker

Fast jeder zweite Arbeiter – 49 Prozent – wählte die AfD, aber nur 24 Prozent die SPD. Bei den Rentnern hingegen sind die Sozialdemokraten heute mit 40 Prozent am stärksten vertreten. Zudem hat sich die SPD zu einer Akademikerpartei entwickelt: Bei den Wählern mit hoher Bildung kommt sie auf 34 Prozent, die AfD nur auf 21 Prozent. Von den Wählern mit einfacher Bildung machten dagegen 35 Prozent ihr Kreuz bei der AfD. Die größte Diskrepanz im Wahlverhalten gab es zwischen den sozialen Schichten: Fast die Hälfte der ökonomisch schlecht Gestellten – 46 Prozent – wählte die AfD, aber nur 15 Prozent die SPD.

Fazit: Die arbeitenden Menschen mit geringem Einkommen fühlen sich in der Sozialdemokratie weitgehend nicht mehr zu Hause. Sie haben klare Anliegen, die sie bei der AfD am besten aufgehoben sehen: Mit Abstand am wichtigsten ist ihnen das Thema Zuwanderung (41 Prozent), gefolgt von Sicherheit (23 Prozent). 90 Prozent der Brandenburger AfD-Wähler befürchten, dass die Kriminalität steigt, ebenso viele sind besorgt, dass „zu viele Fremde nach Deutschland kommen“. Vor allem eine Forderung wird von fast allen AfD-Wählern unterstützt (97 Prozent): „Alle Migranten ohne Bleiberecht sollten schnellstmöglich abgeschoben werden“. Am meisten Sorge bereitet ihnen die wachsende Präsenz des Islam: 97 Prozent befürchten, „dass der Einfluss des Islam in Deutschland zu stark wird“.

An der AfD schätzen ihre Wähler, dass sie diese Probleme direkt anspricht, ohne sich vom Vorwurf des Rassismus oder der Islamophobie einschüchtern zu lassen. 95 Prozent sind der Meinung, dass diese Partei „ausspricht, was die meisten Menschen denken“, 83 Prozent meinen, dass sich die AfD „mehr als andere Parteien um die Probleme hier vor Ort kümmert“. 97 Prozent begrüßen, dass die AfD „den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen stärker begrenzen“ will.

 

Henry Broder und Michael Wolffsohn warnen vor einer hysterischen AfD-Verbotsdebatte

Damit steht fest: Der ständig wiederholte Vorwurf des Rechtsextremismus an die Adresse der AfD beeindruckt deren Wähler nicht. Dennoch wird er immer wieder bemüht, vor allem um ein Verbotsverfahren gegen die Partei einzuleiten. Die damit verbundenen Hoffnungen erscheinen angesichts solcher Umfragen ziemlich realitätsfern. So meinte die Co-Vorsitzende der SPD, Saskia Esken, Anfang des Jahres: „Wenn über ein Verbot der AfD gesprochen wird, werden auch die Wählerinnen und Wähler wachgerüttelt“. Doch den AfD-Wähler, der ausgerechnet von jenem politischen Establishment, das er selbst so ablehnt, von der Gefährlichkeit der AfD überzeugt wird, gibt es allerdings nur in Eskens Vorstellungswelt.

Wer Parteien mit staatlichen Mitteln bekämpft, bekämpft letztlich ihre Wähler. „Was machen wir dann mit den Wählern?“, fragte der Publizist Henryk M. Broder gegenüber der „Welt“. „Sperren wir sie in Lager ein? Schicken wir sie nach Kuba zur Zuckerrohrernte?“ Broder erinnert zudem daran, dass solche Verbotsverfahren bis zu fünf Jahre dauern können, ihr Ausgang ist ungewiss. „Wenn das so junge Leute fordern, die wahrscheinlich im 24. Semester ihres Politikwissenschaftsstudiums sind, dann kann ich das noch verstehen.“

Auch der Historiker Michael Wolffsohn warnt in der Stuttgarter Zeitung vor zu viel Alarmismus im Umgang mit der AfD: „Die Verbotsdebatte ist selbstbescheinigtes Versagen“. Politiker, die sie dennoch vorantreiben, scheinen nicht zu begreifen, dass sie damit die AfD-Wähler in ihrer Ablehnung der gegenwärtigen Politik bestätigen. Dies als „Verteidigung unserer Demokratie“ zu verkaufen, ist absurd: In bundesweiten Umfragen lag die AfD bereits bei über 20 Prozent. Ein Land, das so viele Wähler ausschließt, kann sich international nur schwer als Demokratie präsentieren. Zudem muss ein solches Verbot hinreichend begründet werden. Ob dies dem ARD-Korrespondenten Lothar Lenz gelingt, wenn er behauptet, der AfD gehe es „ums Hassen, ums Radikalisieren und Zerstören“, sie suche „die Provokation“ und wolle „das Vertrauen in unseren Staat untergraben“, darf bezweifelt werden.

Die Wähler wollen keine „Brandmauern“ gegen Rechts, sondern Grenzmauern gegen unkontrollierte Zuwanderung, vor allem aus islamischen Ländern. Das zeigen die Umfragen.

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