Seit mehr als 175 Jahren wirken deutsche Juden in öffentlichen Ämtern

Das Frankfurter Paulskirchen-Parlament 1848 legte den Grundstein für die vollen Staatsbürgerschaftsrechte aller Deutschen.© COMMONS/WIKIMEDIA

Das Engagement deutscher Juden auf der politischen Bühne beginnt mit der Emanzipationsbewegung im 19. Jahrhundert. Doch waren die ersten 100 Jahre nach dem preußischen Emanzipationsedikt von 1812 von Assimilation geprägt - nur wer sich taufen ließ, konnte in ein staatliches Amt gelangen. Der Weg in die Politik wurde den Juden durch die geistige Emanzipation, die der rechtlichen vorausging, gebahnt. Sie mussten Umwege über die Literatur und Publizistik nehmen. Doch trotz Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung tragen unser Grundgesetz und Demokratie die Handschrift jüdischer Politiker wie beispielsweise Eduard Lasker oder Ferdinand Lassalle, des Begründers der SPD. (JR)

Von L. Joseph Heid

Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts waren Juden in Deutschland nie in einer politischen Interessenvertretung an die Öffentlichkeit getreten. In der reaktionären Zeit des Vormärz waren sie von allen Staatsämtern ausgeschlossen, hatten sie ihre Aktivitäten auf das literarisch politische Feld gelegt.

Die verhasste alte Ordnung, die Ghettos, die Leibeigenschaft und-zölle, die Schikanen bei Reisen, Niederlassung und Familiengründungen, die Behinderung beim Beten, bei der Berufswahl und Bildung, die alltägliche Diskriminierung durch Beamte und Behörden, all diese Beschränkungen und Zurücksetzungen kennzeichneten die Lage der Juden vor der Französischen Revolution in den deutschen Landen. Und all das wurde durch dieselbe mit einem Schlag beseitigt. Fast alles. Mehr nur auf dem Papier festgehalten als realiter umgesetzt.

 

Weg in die Emanzipation

Dennoch: Das preußische Emanzipationsedikt des Jahres 1812 war für die in Preußen-Deutschland lebenden Juden ein großer Fortschritt, sie waren mit einem Mal zu „Einländern“ und zu preußischen Staatsbürgern erklärt, denen damit der Zugang zu politischen Ämtern offenstand. Und davon machten Juden Gebrauch. Als Gegenleistung wurde von ihnen eine Anpassung an die herrschenden Sitten und Gebräuche erwartet sowie eine mögliche Aufgabe der angestammten Religion und ihrer jüdischen Identität, kurz: die vollständige Assimilation. Juden blieben in der Folgezeit auch weiterhin von allen Staatsämtern, von der Justiz und der Offizierslaufbahn ausgeschlossen.

Nur wer durch das Tor der Konversion ging, konnte auf ein öffentliches Amt hoffen. Es dauerte weitere 100 Jahre bis mit Walther Rathenau der erste – ungetaufte! – Jude in Deutschland in ein Ministeramt gelangte. Damit war nach der Novemberrevolution des Jahres 1918 und der anschließenden Gründung der ersten deutschen Demokratie in Weimar die Judenemanzipation auch in sozialer Hinsicht erreicht. Der Antisemitismus war auch in der Weimarer Republik nicht obsolet geworden – im Gegenteil: Rathenau wurde Opfer rechtsextremer, völkischer Gewalt, als Politiker und mehr noch als Jude.

Im März 1848 änderte sich für Juden einiges. Die Volksbewegung dieses Jahres hat dem deutschen Volk kein Stück Freiheit mehr, den Juden kein Stück Emanzipation mehr gebracht. Abgesehen von einigen größeren oder kleineren Zugeständnissen, blieb es in der Hauptsache beim Alten, insbesondere hinsichtlich der Judengesetzgebung. Der vielversprechende Beschluss, wonach das religiöse Bekenntnis den Genuss der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedinge noch beschränke, ein Beschluss, den die Abgeordneten im Frankfurter Paulskirchen-Parlament 1848 getroffen hatten, blieb inhaltsleer, eben nichts als schöne Worte.

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