Abgründige Personalpolitik – Das Bundeskanzleramt und seine NS-Vergangenheit

Die überlebenden Buchenwald-Häftlinge, die mit Hilfe der Bricha Haifa erreichten, wurden am 15. Juli 1945 von den Briten verhaftet.© WIKIPEDIA/

Was in der jungen Bundesrepublik als demokratischer Neubeginn verkauft wurde, war in Wahrheit oft nur die Fortsetzung alter Netzwerke unter neuem Namen: Im Kanzleramt bestimmten mitunter NS-Verbrecher, Mitläufer und Schreibtischtäter die Personalpolitik – allen voran Hans Globke, Nazi-Kommentator der Nürnberger Rassengesetze und befremdlicherweise auch graue Eminenz Konrad Adenauers. Die systematische Nichtaufarbeitung war politisches Kalkül: Fachkompetenz vor Moral, Verdrängung vor Verantwortung, Amnestie statt Anstand. Die sogenannte Entnazifizierung entpuppte sich zumeist als großflächige Reinwaschung von Hitler-Anhängern und NSDAP Angehörigen. Nicht ohne Grund wurde die individuelle Reinwaschung belasteter Nazimitglieder landläufig etwas sarkastisch als „Persilschein“ bezeichnet. (JR)

Von Theodor Joseph

Die Geschichte der Bundesrepublik hat einen Geburtsfehler: Die Nichtbewältigung ihrer nationalen Vorgeschichte. Den Gründern der zweiten deutschen Republik war es nicht gelungen, sich von Männern und Frauen zu lösen, die das vorausgegangene verbrecherische Regime aktiv unterstützt, es mitgetragen hatten und nun in ein neues demokratisch gestütztes System übergeleitet wurden, als wäre nichts geschehen. Unter ihnen waren Männer, die wegen Kriegsverbrechen in Abwesenheit - und steckbrieflich gesucht - (von einem DDR-Tribunal) zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren (Theodor Oberländer). Retrospektiv betrachtet tun sich nachgerade historiographische Abgründe auf.

Aus naheliegenden Gründen war jahrzehntelang gar nicht versucht worden, die personale Geschichte des Kanzleramts, erinnerungspolitisch aufzuarbeiten. Dabei war es überfällig, die Entstehungsgeschichte des Bundeskanzleramtes unter die zeitgeschichtliche Lupe nehmen zu lassen, die Machtzentrale der jungen Bundesrepublik auf ihre NS-Verflechtungen hin zu überprüfen, so wie viele andere Ressorts in der jüngeren Vergangenheit auch.

Das Außenministerium hatte unter dem grünen Minister Joschka Fischer (1998 - 2005) den Anfang für eine systematische Behördenforschung gemacht. Inzwischen sind fast alle großen Bundesbehörden hinsichtlich ihrer frühen Geschichte Gegenstand der Forschung gewesen. Die Historie des Kanzleramtes ab 1949 stand hingegen noch aus. Diese historiographische Lücke ist mit der vorliegenden Untersuchung nunmehr eindrucksvoll geschlossen. In Anbetracht der fundamentalen Bedeutung des Kanzleramts für die Gestaltung bundesdeutscher Politik, aber auch für den Auf- und Ausbau zentraler Verwaltungen und das Zusammenspiel von Ministerien, Parteien und Parlament im föderalen Mehrebenensystem kann die vorliegende Untersuchung und die bisherigen Debatten und Ergebnissen der Behördenforschung aufbauen.

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