Max Liebermann – Die Zypressen auf dem grünen Hügel

Max Liebermann: Monte Oliveto, 1902, Pastell. Privatbesitz. 
© Christoph Irrgang

Die Liebermann-Villa nimmt in der Ausstellung „Auf nach Italien!“ den Besucher auf eine farbenfrohe Reise. Der von den Nazis ebenfalls verfolgte und bekannte jüdische Maler Max Liebermann widmete vor allem Italien zahlreiche Reisen und verewigte seine dortigen Eindrücke in seinen unverkennbaren Werken. (JR)

Von Sabine Marie Wilke

Mit dem Maler Max Liebermann (1847–1935) verbindet man meist die grünen Ausflugsziele eines unbeschwerten Sommertages. Limonade und der Blick auf den Wannsee mit seinen Segelbooten. Dass Liebermann auch das Blau des Meeres und das Gelb eines Sandstrandes in seiner Farbpalette hatte, bewies die Liebermann-Villa 2022 mit der Ausstellung „Küste in Sicht! Max Liebermann in Noordwijk“. Darin versammelte sie Bilder, die an der holländischen Küste entstanden, wo Liebermann viele selige Sommerurlaube verbrachte. Nun nimmt die Liebermann-Villa den Besucher mit auf seine Reisen nach Italien: „Auf nach Italien!“ heißt es. Dies eröffnet eine ganz unbekannte Seite Liebermanns. Zum einen, weil niemand bisher seine Spuren dorthin genauer verfolgt hat – seine Aufenthalte dort waren bisher nur eine Fußnote in seiner Biografie –, zum anderen, weil wirklich Erstaunliches zu Tage geführt wird. Die Kuratorin Alice Cazzola hat Pionierarbeit geleistet.

 

Suche nach neuen Impulsen

Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut. Liebermann blickt erstmalig 1878 nach Italien. Als Impressionist waren für ihn und seine Generation die künstlerischen Entwicklungen in Frankreich maßgebend. Doch als er weder dort noch in seiner Heimat Beachtung fand, suchte er nach neuen Impulsen. Er war 31 Jahre, als er sich im Herbst 1878 in den Zug nach Venedig setzte. Zeugnisse seines Aufenthaltes sind die Ansichten einer Gasse, mal in einem sommerlich-leicht anmutenden Aquarell, mal in Öl. Die Nebeneinanderstellung beider Versionen lässt einen genauer hinblicken.

Ein besonderer Schatz ist sein Skizzenbuch. Von den vielen, die sein berufliches Leben begleitet haben, sind nur zwölf erhalten und eines davon birgt, welche Motive in Italien ihn zum Stift greifen ließen: darunter Ansichten der sephardischen Synagoge Scuola Levantina im Ghettoviertel. Auch Tiroler Bergbauern sind abgebildet. Dies verweist bereits darauf, dass Liebermann sich nicht den typischen Postkartenmotiven widmete, sondern Alltagsszenen der (ländlichen) Bevölkerung, wie er dies regelmäßig in Holland getan hat. Eine konkrete Anregung bekam Liebermann während seiner Zeit in Venedig dennoch: Er traf dort den Malerkollegen Franz von Lenbach, der ihm empfahl, nach München zu ziehen, was er auch tat. München war damals ein Zentrum der künstlerischen Avantgarde.

15 Jahre vergingen, bis Liebermann wieder nach Italien fahren würde. Inzwischen war er Familienvater und reiste mit Frau und Tochter. Hatte er bis dahin seine Vorbehalte gegenüber Italien, ließen ihn seine Eindrücke von Florenz im Frühjahr 1893 das mediterrane Land etwas wohlgesonner betrachten. Auch hier suchte er die Orte abseits der Touristen und bei seiner Rückkehr neun Jahre später entstand 1902 das viel bewunderte Pastell „Monte Oliveto Florenz (Dächer in Florenz)“. Mit seinem satten grünen Hügel und einer von Zypressen umgebenen Kirche gehört das Bild zu den wenigen Motiven, die Italien tatsächlich erkennen lassen. Bis 1913 folgen noch drei weitere Reisen nach Italien, mitunter nach Rom. Sein Kommentar war: „Um es zumindest gesehen zu haben.”

 

Erweiterung des geistigen Horizonts

Italien diente Liebermann – anders als vielen seiner Künstlerkollegen – nicht zur Perfektionierung seines Handwerks, sondern zur Erweiterung seines geistigen Horizonts. Es waren Bildungsreisen, wie es für jemanden wie ihn aus dem Bürgertum üblich war. Obwohl der Fokus hier auf Italiens kulturellem Dreigestirn – Venedig, Florenz und Rom – liegt, sah er weitaus mehr vom Land, was eine Karte wunderbar illustriert: Siena, Pisa, Genua, Mailand, Bellagio, Bergamo, Verona und Perugia. Historische Ansichten der Städte lassen die Begegnungen mit den Orten gut nachempfinden.

Max Liebermann vor seiner Loggia, 1914. 
© Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V.

Eine besondere Stärke der Ausstellung sind die aufgedeckten Beziehungen Liebermanns zur italienischen Kunstszene, die ebenfalls in dem Raum graphisch anhand einer Zeitleiste skizziert sind. Sie markieren die Ausstellungen, in denen Liebermanns Werke von 1895 bis 1924 in Italien zu sehen waren.

Allen voran Venedigs erste Kunstbiennale 1895. Darin war er nicht nur vertreten, sondern – als renommierte deutscher Maler – gehörte er auch dem internationalen Patronatskomittee an. Zudem erhielt er den internationalen Preis der Provinz Venedig für sein Pastellportrait von Gerhart Hauptmann. In Folge der zweiten Biennale 1897 erwarb die Galleria Internazionale d’Arte Moderna Liebermanns Gemälde „Brabanter Spitzenklöpplerinnen” (1893/94) für ihre Sammlung. Der Maler hinterließ bei den Italienern solch einen Eindruck, dass der Direktor der Uffizien Galerien in Florenz 1908 ein Selbstportrait Liebermanns in Auftrag gab. Es ist noch heute Teil der Sammlung, kann aber nun hier als Leihgabe bewundert werden. Es ist kein Selbstportrait wie die vielen anderen, die er schuf: Hier hält er den Pinsel in der rechten Hand, anstelle in der linken wie anderswo. Er war aber Rechtshänder. Um ein wirklichkeitsgetreues Abbild von ihm zu schaffen, arbeitete er mit zwei Spiegeln, um das zunächst entstandene spiegelverkehrte Bild von ihm zu korrigieren.

Neben seiner Präsenz zu Beginn der Biennale in Venedig, waren 23 seiner Werke dort abermals 1922 ausgestellt. In Rom hingen seine Gemälde und Grafiken in den Jahren 1902, 1911 und 1923. Schon früh, 1896, zeigte auch Florenz seine Werke und zuletzt 1924 Mailand. Das faszinierende an der Zeitleiste sind die zusammengetragenen Poster der jeweiligen Ausstellungen, die ein gutes Gefühl der Epoche vermitteln. Bei der letzten Ausstellung in Mailand 1924 war Liebermann nicht mehr persönlich anwesend. Mit dem Ausbruch des 1.Weltkrieges stellte er seine Auslandsreisen ein. Danach waren Reisen zu beschwerlich für sein Alter. Stattdessen verbrachte er die Sommer in seiner Villa am Wannsee. Selbst wenn seine Italienreisen ihn künstlerisch nicht sichtbar prägten, findet sich in seiner Villa doch ein Souvenir des Mittelmeerlandes: Für seine Loggia im Garten ließ er sich von einer antiken italienischen Wandmalerei inspirieren. Sie zeigt einen idyllischen Garten mit Granatapfelbäumen und Blumen. Liebermanns Variante desselben ist nur noch auf einem Foto verbürgt. Doch die Loggia selbst kann beim Besuch der Liebermann-Villa noch erkundet werden.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 2. September.

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