Doppelmoral im deutschen Bildungswesen

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger kämpft um die Glaubwürdigkeit ihres Ministeriums.© THOMAS KIENZLE/AFP
Die Entlassung von Staatssekretärin Döring und der absurde und trotz antisemitischer Likes durchgesetzte unerträgliche Verbleib von TU-Präsidentin Rauch in ihrem Amt, offenbaren den derzeitigen Machtkampf im deutschen Bildungswesen. Die Unstimmigkeiten zwischen dem Bildungsministerium und den Hochschulen fanden ihren vorläufigen Höhepunkt in einem offenen Brief, den sogenannte pro-„palästinensische“ Professoren unterzeichnet hatten, um den Israel-feindlichen Protest an den Universitäten zu unterstützen. Damit entbrannte ein offener Streit darüber, was von der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit gedeckt sei und was nicht. Das Vertrauen jüdischer Studenten, denen der Zugang zu den Vorlesungen teilweise verwehrt worden war und die beschimpft, bedroht und sogar angegriffen worden sind, ist jedenfalls nachhaltig verspielt. (JR)
Die jüngsten Ereignisse im Bundesbildungsministerium und an der Technischen Universität Berlin (TU) haben eine hitzige Debatte über die Doppelmoral im Umgang mit führenden Persönlichkeiten im Bildungswesen entfacht. Während Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ihre Staatssekretärin Sabine Döring wegen eines umstrittenen Prüfauftrags entlassen hat, bleibt die in der Kritik stehende Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Geraldine Rauch, trotz antisemitischer Vorwürfe weiterhin im Amt. Diese kontrastierenden Entscheidungen und Standpunkte werfen massive Fragen zur Kredibilität und Fairness auf und offenbaren eine besorgniserregende Doppelmoral, welche wieder einmal ein Pro-„palästinensisches“ Framing voraussetzen·
Der Fall Sabine Döring
Am 23. Juni 2024 wurde bekannt, dass Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) ihre Staatssekretärin Professorin Sabine Döring in den einstweiligen Ruhestand versetzen lässt. Hintergrund dieser Entscheidung ist ein Prüfauftrag zu möglichen förderrechtlichen Konsequenzen für Hochschullehrende, die einen offenen Brief zum Umgang mit pro-„palästinensischem“ Protest an Berliner Hochschulen unterzeichnet hatten. Der Prüfauftrag wurde innerhalb des Ministeriums hausintern erteilt, ohne direkte Weisung der Ministerin, was laut Stark-Watzinger das Vertrauen der Wissenschaftler in das Ministerium beschädigt habe.
Die Ministerin betonte, dass die Wissenschaftsfreiheit ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut sei und Prüfungen förderrechtlicher Konsequenzen wegen Meinungsäußerungen, die durch diese Freiheit gedeckt sind, nicht stattfinden dürften. Diese klare Positionierung wurde von der politischen Linken begrüßt, insbesondere von der SPD und den Grünen. Unionspolitiker hingegen kritisierten die Entscheidung scharf und der Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Professor Lambert Koch, erklärte, dass das Vertrauen in Stark-Watzinger erschüttert sei, da es unglaubwürdig erscheine, dass Döring ohne Wissen der Ministerin gehandelt habe - was sie sehr wahrscheinlich auch getan hat.
Dieser Skandal ist besonders brisant, weil sie die Grenzen der Wissenschaftsfreiheit und die vermeintliche Unabhängigkeit der akademischen Lehre berührt. Der offene Brief, der den pro-„palästinensischen“ Protest an Berliner Hochschulen unterstützt, ist Ausdruck einer Meinungsäußerung, welcher zwar widerwärtig sein mag, aber durch die Wissenschaftsfreiheit gedeckt ist. Die Ministerin stellte klar, dass die Prüfung möglicher förderrechtlicher Konsequenzen für die Unterzeichner des Briefes unzulässig war, da sie die Meinungsfreiheit und das Vertrauen in das Bundesbildungsministerium gefährdete.
Die Entscheidung, Döring zu entlassen, wurde von der SPD und den Grünen als notwendig erachtet, um das Vertrauen in das Ministerium wiederherzustellen und die Wissenschaftsfreiheit zu schützen. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek, betonte, dass es wichtig sei, „das Vertrauen zurückzugewinnen“ und „sicherzustellen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen“· Die Grünen unterstützten diesen Standpunkt und lobten die klare Haltung der Ministerin zur Wissenschaftsfreiheit.
Auf der anderen Seite forderten Unionspolitiker, wie der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Thomas Jarzombek, den Rücktritt der Ministerin selbst. Sie argumentierten, dass Stark-Watzinger die Verantwortung für die Richtlinien im Ministerium trage und daher selbst die Konsequenzen ziehen müsse. Diese Forderungen wurden auch von anderen CDU-Politikern wie Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und CDU-Vize Karin Prien unterstützt, die Dörings Entlassung als „Bauernopfer" bezeichnete.
Der Fall Geraldine Rauch
Im starken Kontrast dazu steht die Situation der TU-Präsidentin Geraldine Rauch. Trotz ihrer Verstrickung in einen antisemitischen Skandal bleibt sie im Amt. Rauch hatte auf der Plattform X (ehemals Twitter) mehrere antisemitische Beiträge mit einem „Gefällt mir“ markiert, was scharfe Kritik hervorrief. In dem Beitrag wurde der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu mit Hakenkreuzen dargestellt, ein offensichtlicher und unfassbarer Akt der Verunglimpfung und des blanken Antisemitismus.
Aufgrund dieses Vorfalls wurde Rauch aus dem Zukunftsrat von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gestrichen. CDU-Politiker, wie Jan-Marco Luczak, forderten ihren Rücktritt und argumentierten, dass jemand, der für ein Beratergremium des Kanzlers ungeeignet sei, auch nicht als Repräsentantin einer Hochschule mit 35.000 Studierenden fungieren könne. Die CDU brachte das Thema sogar im Berliner Abgeordnetenhaus zur Sprache, da Rauch trotz der Vorwürfe und einer knappen Mehrheit im Akademischen Senat der TU im Amt bleibt.
Die Reaktionen auf Rauchs Verhalten und die mangelnden Konsequenzen für ihre Position sind ein klares Zeichen für eine Doppelmoral im Umgang mit antisemitischen Vorfällen im Bildungswesen· Während Döring für ihre klare Handlung entlassen wurde, bleibt Rauch trotz eines klaren Verstoßes gegen die gesellschaftlichen Werte und die Sensibilität gegenüber Antisemitismus im Amt. Wieviel Doppelmoral bedarf es noch? Dies ist besonders problematisch angesichts der deutschen Geschichte und der Verpflichtung Deutschlands, jegliche Form von Antisemitismus rigoros zu bekämpfen.
Die Doppelmoral und die pro-israelische Perspektive
Diese beiden Fälle verdeutlichen eine eklatante und gefährliche Doppelmoral im Umgang mit Fehlverhalten im Bildungssektor. Während Döring für einen Prüfauftrag entlassen wurde, der möglicherweise die Wissenschaftsfreiheit beeinträchtigt hätte, bleibt Rauch trotz eines eindeutigen antisemitischen Vorfalls unbehelligt. Diese Diskrepanz ist besonders besorgniserregend, wenn man die historische und aktuelle Bedeutung des Kampfes gegen Antisemitismus betrachtet - mit all seinen Gefahren.
Die Verharmlosung antisemitischer Tendenzen an renommierten deutschen Universitäten ist inakzeptabel. Angesichts der deutschen Geschichte und der Verantwortung gegenüber jüdischen Bürgern und dem Staat Israel ist es von maximaler Bedeutung, dass antisemitische Vorfälle strikt geahndet werden. Rauchs Verhalten und das darauffolgende Festhalten an ihrer Position senden ein gefährliches Signal aus: Antisemitische Tendenzen könnten in bestimmten Kontexten toleriert werden, während andere, weniger schwerwiegende Verfehlungen rigoros bestraft werden.
Die Entlassung von Döring zeigt, dass das Bildungsministerium bereit ist, in Fällen von Vertrauensverlust und potenzieller Beeinträchtigung der Wissenschaftsfreiheit konsequent zu handeln. Diese Konsequenz fehlt jedoch im Fall von Rauch, was die Glaubwürdigkeit und die Prinzipien der Gleichbehandlung untergräbt.
Historische und gesellschaftliche Verantwortung Deutschlands
Deutschland hat aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus. Nach den Schrecken des Holocaust und der systematischen Verfolgung der jüdischen Bevölkerung während des Dritten Reiches hat sich Deutschland verpflichtet, jegliche Form von Antisemitismus zu bekämpfen und die Erinnerung an die Opfer wachzuhalten. Diese Verantwortung spiegelt sich in den Grundwerten der deutschen Gesellschaft wider, die auf Toleranz, Respekt und der Achtung der Menschenrechte basiert.
Der Fall Geraldine Rauch stellt eine direkte Herausforderung dieser Werte dar. Ihr Verhalten und das Fehlen angemessener Konsequenzen untergraben die Bemühungen Deutschlands, ein sicheres Umfeld für alle Bürger zu gewährleisten, insbesondere für die jüdische Gemeinschaft. Antisemitische Äußerungen und Handlungen dürfen in keiner Weise toleriert werden, und diejenigen, die sich solcher Handlungen schuldig machen, müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Rolle der Universitäten und ihrer Führungskräfte
Universitäten sind Institutionen, die nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Werte und ethische Standards vorleben. Führungskräfte an Universitäten tragen eine besondere Verantwortung, ein Vorbild für Studierende und das Lehrpersonal zu sein. Sie müssen sicherstellen, dass die akademische Freiheit geschützt wird, während sie gleichzeitig eine Umgebung fördern, die frei von Diskriminierung und Vorurteilen ist.
Geraldine Rauch hat durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie diese Verantwortung nicht wahrnimmt. Ihre antisemitischen Äußerungen widersprechen den Werten, die eine Universität vertreten sollte. Die Tatsache, dass sie trotz dieser Vorfälle im Amt bleibt, sendet ein falsches Signal an die akademische Gemeinschaft und die Gesellschaft insgesamt. Es zeigt, dass antisemitische Tendenzen nicht ernst genommen werden und dass es möglich ist, solche Verhaltensweisen ohne ernsthafte Konsequenzen fortzusetzen.
Die politische Reaktion und die Bedeutung von Konsequenz
Die Reaktionen auf die beiden Fälle zeigen, wie wichtig es ist, dass politische und institutionelle Führungen konsequent und gerecht handeln. Die Entscheidung von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, Sabine Döring zu entlassen, war ein Schritt in die richtige Richtung, um das Vertrauen in das Bildungsministerium wiederherzustellen und die Wissenschaftsfreiheit zu schützen. Diese Konsequenz fehlt jedoch komplett im Fall von Geraldine Rauch, was die Glaubwürdigkeit und die Prinzipien der Gleichbehandlung untergräbt und das ist nicht weniger als ein Skandal.
CDU-Politiker wie Jan-Marco Luczak und andere haben deutlich gemacht, dass Rauch aufgrund ihrer Haltung zu Antisemitismus nicht mehr tragbar ist. Ihre Forderungen nach einem Rücktritt sind nicht nur gerechtfertigt, sondern auch notwendig, um die Integrität und das Vertrauen in die Führung der Universität wiederherzustellen.
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