„Die Herrlichkeit des Lebens”: Ein cineastisches Wunderwerk über Franz Kafkas letzte Liebe

„Am größten ist das Glück, wenn es ganz klein ist. Deshalb würde ich, wenn ich mein Leben aufschreiben müsste, nur Kleinigkeiten notieren" heißt es in der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Michael Kupfmüller „Die Herrlichkeit des Lebens“. Das feinfühlige und wortgewaltige Drama erzählt die Liebesgeschichte zwischen der Jüdin Dora Diamant und Franz Kafka am Ende seines Lebens. (JR)

Von Julian M. Plutz

Die Ostsee hat ihren ganz speziellen Zauber. Die Strände in Travemünde zum Beispiel, die bei schönem Wetter, was im "echten Norden" selten genug vorkommt, fast paradiesische Ausmaße annehmen – vorausgesetzt, man hat die richtige Begleitung. So ähnlich muss es Dora Diamant und Franz Kafka gegangen sein, die sich im Ostseebad Graal-Müritz kennengelernt und verliebt haben. Dora war die letzte Liebesbeziehung des linguistischen Großtalents. In Doras Armen starb Franz an den Folgen der Tuberkulose.

Darum geht es in "Die Herrlichkeit des Lebens". Der Film beginnt 1923, als Kafka bereits schwer erkrankt ist und sich im Ostseebad Müritz zu erholen versucht. Dort trifft er auf Dora, eine junge Frau aus einer orthodoxen jüdischen Familie. Trotz des Altersunterschieds und der Unterschiede in ihrer Herkunft entwickeln die beiden eine tiefe Verbindung. Dora ist beeindruckt von Kafkas Intellekt und literarischer Arbeit, während Kafka Trost und Inspiration in ihrer Anwesenheit findet. Was der Film auch zeigt, ist ein unaufgeregter, aber umso aufrichtigerer und liebevollerer Bezug zum Judentum, der dem Zuschauer die Normalität und den Zauber des lebendigen Judentums nahebringt.

 

Der unermüdliche Drang zu schreiben

Ihre Beziehung vertieft sich schnell. Dora wird Kafkas Gefährtin und Geliebte, und sie ziehen gemeinsam nach Berlin. Ihre Beziehung ist geprägt von Zärtlichkeit und gegenseitiger Unterstützung. Dora übernimmt die Rolle der Pflegerin für den immer kränklicher werdenden Kafka und bietet ihm emotionale und intellektuelle Unterstützung. In Berlin versuchen Kafka und Dora, ein gemeinsames Leben aufzubauen, obwohl die Stadt von politischen Unruhen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten geprägt ist. Sie kämpfen nicht nur gegen Kafkas Krankheit, sondern auch gegen die Unsicherheiten der Zeit.

Trotz seiner Krankheit bleibt Kafka literarisch aktiv. Er arbeitet an seinen letzten Werken und findet in Dora eine Muse und Unterstützerin. Kafka hat einen unermüdlichen Drang zu schreiben, auch wenn sein Körper immer schwächer wird. Dora ermutigt ihn und übernimmt Aufgaben, um ihm die Arbeit zu erleichtern. Ihre Beziehung wird dadurch noch intensiver. Kafkas Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmend. Die Tuberkulose macht ihm das Atmen und Sprechen schwer. Der Film zeigt die schmerzhafte Realität seiner Krankheit und Doras verzweifelte Versuche, ihm zu helfen. Trotz seiner Leiden bleibt Kafka geistig wach und sucht Trost in der Liebe und in seiner Arbeit.

 

Bis zuletzt bleibt Dora an Kafkas Seite

Der Film nähert sich seinem Höhepunkt mit Kafkas Tod im Juni 1924. Die letzten Szenen sind von großer emotionaler Intensität geprägt. Dora ist bis zum letzten Moment an seiner Seite, und Kafka stirbt in ihren Armen. Ihr Schmerz und ihre Trauer sind tiefgreifend, aber sie fühlt sich auch dankbar für die gemeinsame Zeit. Nach Kafkas Tod bleibt Dora in Berlin. Franz beauftragt seinen besten Freund Max Brod in seinem letzten Willen, all seine Werke zu vernichten. Doch Max verweigert dem bereits verstorbenen Literaten seinen letzten Willen und veröffentlicht seinen Nachlass.

Der Film endet mit einer Reflexion über Kafkas Vermächtnis und die Bedeutung seiner letzten Jahre, die durch die Liebe und Unterstützung von Dora geprägt waren. "Die Herrlichkeit des Lebens" thematisiert die Macht der Liebe, die Bedeutung menschlicher Verbindung und die Kraft des Geistes angesichts des unausweichlichen Todes. Die Beziehung zwischen Kafka und Dora zeigt, wie Liebe und Kunst auch in den dunkelsten Zeiten Hoffnung und Sinn geben können. Aber auch die tiefe Freundschaft zu Max Brod beeindruckt den Zuschauer, der einen liebevollen Film wiederfindet, in dem Sabin Tambrea die Figur Franz Kafka mit einem unaufgeregten, daher umso intensiveren Spiel eine völlig neue Bedeutung gibt.

Die Ostsee kann ein Ort des Zaubers sein. Doch es bleibt, wie jeder Platz der Erde, nur ein so starker Landstrich, wie die Menschen ihn daraus machen. "Die Herrlichkeit des Lebens" ist ein kleines, cineastisches Wunder. "Am größten ist das Glück, wenn es ganz klein ist. Deshalb würde ich, wenn ich mein Leben aufschreiben müsste, nur Kleinigkeiten notieren", schreibt Kafka in seinem Tagebuch nur folgerichtig.

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