Nach EU-Wahl-Debakel: Keine Neuwahlen mit Olaf Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz regiert weiter am Wählerwillen vorbei.© RALF HIRSCHBERGER/AFP

 

Viele Wähler haben der Ampel-Regierung bei den europäischen Parlamentswahlen in der Wahlkabine eine Quittung ausgestellt. Mit ihrer Stimme haben sie dem suizidalen Kurs in Richtung Islamisierung und Zerstörung unserer freiheitlich-demokratischen Lebenswerte eine Absage erteilt. Obwohl die SPD bei den EU-Wahlen mit nur noch knapp 14 Prozent Wähler-Akzeptanz, ebenso wie die Stimmen-pulverisierten Grünen, als abgewählt betrachtet werden kann, besitzt die Kanzlerpartei nicht den Anstand, an eine, faktisch von den Wählern gewünschte, Politikwende zu denken, geschweige denn an Neuwahlen, wie es Frankreich gerade vor macht. (JR)

Von Regina Bärthel

„Non!“ Ein ungläubiger, ja verzweifelter Aufschrei entrang sich den Kehlen von Parteimitgliedern der Besoin d'Europe (vormals Renaissance): Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hatte noch am Abend der EU-Wahlen die Auflösung der Nationalversammlung angekündigt und damit auch die Sitze der eigenen Parteimitglieder in Frage gestellt. Besoin d'Europe ist im Vergleich zu 2019 um mehr als 7 Punkte auf 15,2 Prozent abgestürzt; während das Rassemblement National von Marine Le Pen sie um mehr als das Doppelte überflügelt. Sollten sich die Ergebnisse der EU-Wahlen auch bei der Neuwahl der Nationalversammlung bestätigen, wird Macron, dessen Amtszeit noch bis 2025 läuft, ohne Le Pen keine Regierung mehr zusammenbringen. Ratlosigkeit allerorten: Was dachte sich Macron bei dieser Entscheidung? Handelte er aus politischem Kalkül – oder angesichts der für seine Partei desaströsen Ergebnisse doch als wahrer Demokrat? Eine Frage, die ein grelles Licht auf die Verfasstheit heutiger Demokratien wirft.

 

Sieg für Mitte-Rechts-Parteien

Die Wahl zum EU-Parlament für sich entscheiden konnten die europäischen Mitte-Rechts Parteien; den größten Zuwachs verzeichneten die Parteien der christdemokratischen Fraktion „Europäische Volkspartei“ (EVP), der rechten Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) sowie die liberal-konservative Fraktion „Europäische Konservative und Reformer“ (EKR). Gemeinsam kommen sie auf 316 der insgesamt 720 Sitze. Tatsächlich kann diese Trendwende, die in vielen europäischen Staaten zu verzeichnen war, nicht überraschen. Schon im Vorfeld der EU-Wahlen hatte Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin und Angehörige der EVP-Fraktion, vorsorglich dazu aufgerufen, dass alle „demokratischen europäischen Parteien“ jegliche Zusammenarbeit mit „rechtsextremen und radikalen Parteien“ entschieden ablehnen sollten – da diese „unsere Demokratien vergiften“. Sätze, die zum Standardrepertoire der aktuell Machthabenden gehören und in denen wohlfeil immer wieder ein „Wir“ angerufen wird – dabei vergessend, dass es ja eben der Wähler ist, der in einer funktionierenden Demokratie über die Regierung entscheidet. 

Der Souverän hat sich nun entschieden und fordert eine politische Korrektur – angesichts der vielfältigen aktuellen Probleme von Massenmigration über Kriegsgeschehen und schwindender Wirtschaftsleistung durch Überregulierung bis hin zu einer vielfach wahrgenommenen Gefährdung durch radikalen Islamismus ist dies nicht verwunderlich. 

Auch in Deutschland war die EU-Wahl als eine „Richtungswahl gegen Rechts“ proklamiert worden – auf dass Europa „demokratisch“ bleibe. Die SPD forderte eine Entscheidung „Gegen Hass und Hetzte“; die Grünen besannen sich gänzlich unerwartet der deutschen Nationalhymne, deren Anfangszeile sie allerdings zu „Einigkeit gegen Rechts für Freiheit“ umdichteten. Allein: die Wähler zeigten sich zum großen Teil resistent gegen derlei Einflüsterungen. Die größten Verluste verbuchen die Grünen, die von 20,5 auf 12 Prozent abrutschten, während die AfD – trotz zahlreicher, von den Hauptstrommedien herbeiphantasierter Skandale – mit einem Zuwachs von fünf Punkten nun mit fast 16 Prozent zur zweitstärksten Kraft wurde. Die SPD hingegen fuhr mit knapp 14 Prozent das schlechteste Ergebnis aller bisherigen EU-Wahlen ein. 

 

Versprechen oder Drohung?

Und nun? Man sollte meinen, dass gerade eine Ampelkoalition – nomen est omen - richtungsweisende Signale lesen können sollte. Doch es habe sich in der Koalition „zu keinem Zeitpunkt, keine Sekunde die Idee Bahn gebrochen, dass man in Deutschland Neuwahlen jetzt anfangen könne", versicherte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Nur CSU-Chef Markus Söder hatte - folgerichtig für eine Oppositionspartei - vorgezogene Neuwahlen gefordert: „Diese Regierung ist im Grunde genommen fertig.“ Diesem Eindruck wollte sich aber schon sein Unionspartner Friedrich Merz (CDU) nicht anschließen - möglicherweise aus der Furcht heraus, sich alsbald für einen unbeliebten Koalitionspartner entscheiden zu müssen.

Währenddessen erkannte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) durchaus an, dass das Wahlergebnis für alle drei Regierungsparteien „schlecht“ ausgegangen sei: „Keiner ist gut beraten, der jetzt einfach zur Tagesordnung übergehen will.“ SPD, Grüne und FDP müssten nun Ergebnisse erzielen und so die Zustimmung der Wähler vor der nächsten Bundestagswahl wieder erhöhen. Ein Schelm, wer dies als Eingeständnis dafür interpretiert, dass die Ampel bislang wenig brauchbare Ergebnisse geliefert hat. Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang zeigte sich unzufrieden über die schlechten Wahlergebnisse ihrer Partei: „Wir werden das gemeinsam aufarbeiten.“ Versprechen oder Drohung? Das wird sich zeigen. 

Trotz des eklatanten Abfalls in der Wählergunst sieht die Ampelkoalition also keine Notwendigkeit, Konsequenzen zu ziehen; trotz aller schönen Worte bleibt es wohl beim Mehr vom Gleichen: Immerhin habe man noch viel vor. Eben dies ist es jedoch, was viele Wähler angesichts der gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Verwerfungen der vergangenen drei Jahre (zuzüglich der grün schillernden Merkel-Ära) befürchten.

Tatsächlich entziehen laut Statista-Umfrage aktuell 51 Prozent der deutschen Wähler der Ampel die Lizenz zum Regieren und sprechen sich für vorgezogene Neuwahlen aus. Doch Deutschland ist nicht Frankreich: Nach bundesdeutschem Wahlrecht läge die einzige Hoffnung bei der FDP, deren Anhänger zu 53 Prozent Neuwahlen befürworten. Doch Christian Lindner steht zur Ampel: „Wir haben ein gemeinsames Regierungsprogramm, einen Koalitionsvertrag, an dem wir gemeinsam arbeiten. Und solange sich alle zu der Arbeitsgrundlage bekennen, gibt es ja keinen Grund, Vertrauen infrage zu stellen.“ Dabei vergisst der FDP-Vorsitzende womöglich, dass er bereits das ein oder andere Mal genau diese Frage stellen wollte, es dann aber doch unterließ. Allerdings sehe die FDP mit „großer Sensibilität“, so Lindner weiter, dass in bestimmten Bereichen „politische Entscheidungen und Reformen“ erwartet würden. Wohl wahr.

 

Die Grünen haben sich verkalkuliert

Die Ampel ist sich also einig, ihr „politisches Projekt“ bis zu den regulären Neuwahlen 2025 durchzuziehen. Und das mit gutem Grund, denn laut einer aktuellen Umfrage von Insa kämen die Koalitionsparteien aktuell auf nurmehr 32 Prozent – gegenüber 31 Prozent für CDU/CSU und 17 Prozent für die AfD. Die Grünen erhielten nur noch 11 Prozent der Wählerstimmen – der schlechteste Wert seit sechs Jahren. Da helfen auch die jungen Wähler nicht: Erstmals durften Jugendliche ab 16 Jahren an der EU-Wahl teilnehmen. Damit gab es etwa 1,4 Millionen Stimmen mehr; ein sicherer Zuwachs für ihre Partei, hatten sich die Grünen ausgerechnet, die seit langem für ein Wahlrecht ab 16 eintreten. 

Die Rechnung ging allerdings – wie so oft bei den Grünen – nicht auf: Laut Trendstudie „Jugend in Deutschland“ verloren sie bei den jungen Wählern fast zwei Drittel der Stimmen. Die 16- bis 24-Jährigen favorisierten nahezu gleichauf CDU/CSU und AfD, fast ein Drittel aller Stimmen ging allerdings an Kleinstparteien. Deutlich wurde: Junge Menschen erteilen den linken Altparteien eine klare Absage. Ob dies lediglich einer jugendlichen Revolte entspringt oder der Hoffnung auf sinnvolle Bildung, weniger Gewalt auf Schulhöfen und Partymeilen sowie bessere Zukunftschancen, wird sich noch zeigen. 

Übrigens: Nach ihrem Debakel haben die drei Koalitionsparteien angekündigt, sich stärker auf ihre Kernanliegen zu konzentrieren und ihr je eigenes Profil zu schärfen. Statt des ewigen Ampel-Mantras „Weniger Streit“ klingt dies eher nach parteipolitischer Ausdifferenzierung: Aller Voraussicht nach könnte genau dies die gemeinsame „Arbeitsgrundlage“ des Koalitionsvertrages zum Bröseln bringen und zu weiteren – im Sinne des Wählers hoffentlich produktiven – Konflikten innerhalb der Koalition führen.

Trotz der verheerenden Ergebnisse vor allem für SPD und Grüne erkennt Kanzler Scholz interessanterweise den Wählerauftrag noch immer darin, die Wahlerfolge „rechtspopulistischer Parteien“ in Deutschland und in anderen Ländern wieder zurückzudrängen: Es gebe trotz erstarkender Kräfte am rechten Rand eine "klare Mehrheit in Europa für Parteien, die sich ganz klassisch für Demokratie und Rechtsstaat einsetzen". Parteien also, die sich zumindest in Deutschland für Brandmauern und Verbote von demokratisch gewählten Oppositionskräften stark machen. Ein Blick auf die Deutschlandkarte zeigt jedoch deutlich: der Osten ist blau, der Westen schwarz. Ergo: Der sogenannte Rechtsruck ist vielmehr eine ausgeprägte Linksflucht.

 

Regina Bärthel studierte Kunstwissenschaften und Germanistik. Sie leitete den Kommunikationsbereich verschiedener Kultureinrichtungen und veröffentlichte Texte zur bildenden Kunst. Heute ist sie als Journalistin und Essayistin tätig, unter anderem für die „Junge Freiheit“.

 

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