„New York in the Forties“: Fotografien von Andreas Feininger im Bröhan Museum

Andreas Feininger, Downtown Manhattan in the evening, New York, 1940 © Archiv c/o Zeppelin Museum Friedrichshafen

Das Bröhan Museum in Berlin widmet sich dem bekannten deutschen Fotografen mit der Ausstellung „Andreas Feininger. New York in the Forties“. Etwa 90 Bilder, teils Originalabzüge, sind aus dem Zeppelin Museum Friedrichshafen zu Gast. Der jüdisch-stämmige Fotograf wurde insbesondere durch die atmosphärischen Bilder der Architektur New Yorks berühmt. Die Ausstellung zeigt Ansichten der US-Metropole, die es heute nicht mehr gibt. (JR)

Von Sabine Marie Wilke

Lucia Moholy hat mit ihren Fotografien das Bild des Bauhauses in die Welt getragen. Das zeigte das Bröhan Museum in Berlin mit der Ausstellung „Lucia Moholy – das Bild der Moderne“. Die Fotografie prägte auch das Leben eines anderen am Bauhaus: Andreas Feininger, Sohn des amerikanischen Malers und Bauhauslehrers Lyonel Feininger. Das Bröhan Museum widmet sich nun dem Fotografen mit der Schau „Andreas Feininger. New York in the Forties“. Etwa 90 Bilder, teils Originalabzüge, sind aus dem Zeppelin Museum Friedrichshafen zu Gast. Dort befindet sich das Andreas Feininger Archiv.

Feininger prägte das Bild New Yorks wie kaum ein anderer, denn seine Aufnahmen der Metropole, vor allem ihrer Architektur, waren einzigartig und wurden millionenfach im LIFE-Magazin gedruckt. Darunter die Skyline von Manhattan in der Dämmerung, deren Lichter der Millionenstadt etwas Erhabenes verleihen. Feiningers lebenslange Faszination von Architektur ließ ihn eine Kameraausrüstung bauen, die Abstände zwischen den Gebäuden optisch verdichtete und ein Gefühl von Raum schuf, das kein anderer Fotograf reproduzieren konnte. Hinzu kommt seine Liebe zu New York, die in jedem Bild erkennbar ist. Er hat die Großstadt immer wieder aus unzähligen Perspektiven fotografiert und so ein umfassendes Portrait geschaffen: die geschwungenen Stahlkonstrukte der Brücken, die nach Manhattan führen, die Fähren, die die Arbeiterschaft aus den umlegenden Bezirken über den Hudson River bringen, die urbane Landschaft mit ihren gigantischen Hochhäusern, die Straßenschluchten dazwischen sowie die verschiedenen Viertel, in denen Einwanderer mit ihren speziellen Lebensmittelgeschäften sich ein Stück Heimat bewahrten.

Feininger gehörte de facto selbst zu diesen Einwanderern. New York war ein Exil, in das er im Dezember 1939 kam, als in Europa der Krieg tobte. Anders als die meisten Immigranten besaß er jedoch dank seines Vaters die amerikanische Staatsbürgerschaft. Amerika kannte er allerdings nur aus Erzählungen. Er war 1906 in Paris geboren, als seine Eltern dort vorübergehend wohnten. Die jüdische Herkunft seiner Mutter spielte in ihrem Haushalt keine Rolle. 1908 siedelte die Familie nach Berlin über bis Lyonel Feininger 1919 als Meister ans Bauhaus nach Weimar berufen wurde. Feininger Junior durchlief dort eine Lehre zum Tischler.

 

Bauhaus und künstlerische Einflüsse

1926 richtete sich das Bauhaus in Dessau ein, wo die Feiningers neue Nachbarn bekamen: Sein Bauhauskollege Lazlo Moholy-Nagy und seine Frau Lucia.

Andreas Feininger hatte sich im Jahr zuvor als 19-jähriger erstmals mit der Fotografie beschäftigt: Pflanzen, Architektur und Stadtszenen faszinierten ihn. Es ist also gut vorstellbar, dass Moholy und Feininger sich im Garten viel über Tricks in der Fotografie austauschten. Inzwischen hatte Feininger ein Architekturstudium aufgenommen, doch die Fotografie verfolgte er leidenschaftlich weiter. Er experimentierte viel und baute Teile seiner Kamera selbst, um seine Aufnahmen zu optimieren.

1929 nahm er, wie auch Moholy, an der bedeutenden Ausstellung „Film + Foto“ in Stuttgart teil. Sie wurde vom Deutschen Werkbund organisiert und war eine wichtige Bestandsaufnahme zur Positionierung der Fotografie als Kunstform und als Kommunikationsmedium und reflektierte den Trend des Neuen Sehens und der Neuen Sachlichkeit. Inzwischen hatten Moholy und Feininger das Bauhaus verlassen und bald holten die politischen Entwicklungen beide ein, denn beide waren jüdisch. Während sich Moholy 1933 über Nacht nach Paris rettete, hatte Feininger sich schon 1932 an der Seine niedergelassen, nachdem ihm in Deutschland seine Arbeitserlaubnis als Architekt entzogen wurde. Auch dort gab es langfristig keine Zukunft. Moholy zog nach London und Feininger mit seiner schwedischen Frau nach Stockholm. Dort konnte er sich zwar nicht als Architekt etablieren, wurde aber zum gefragten Architekturfotografen. Als 1939 russische Panzer über Finnlands Grenzen hinweg rollten, schlug Schweden Alarm. Feininger musste abermals seine Koffer packen. Mit seiner Frau folgte er schließlich seinen Eltern nach New York, die 1937 dort ein Apartment bezogen hatten.

Trotz der amerikanischen Herkunft seiner Eltern, hatte Feininger nie Englisch gelernt. Daher war es ein Segen, dass er einen Beruf ausüben konnte, bei der er auf die Sprache nicht angewiesen war. Er war nicht der einzige Emigrant mit einer Kamera im Gepäck. Aus Deutschland geflüchtete Fotografen wie Fred Stein, Alfred Eisenstaedt, Erwin Blumenthal oder Lotte Jacobi mussten sich in New York ebenfalls eine neue Existenz schaffen.

Feininger konnte sich aber durch seine Spezialisierung auf Architektur und seiner ausgeklügelten Aufnahmetechnik von den anderen unterscheiden. Zudem war für den Architekturliebhaber Feininger New York ein unerschöpflicher Fundus an Motiven. Selbst in seiner Freizeit durchstreifte er die Stadt und scheute keine Mühen, die bestmögliche Aufnahme zu machen. Für die „Brooklyn Bridge im Nebel“ wartete er acht Stunden bis der Nebel die Brücke so umhüllte, wie er es sich im Geiste vorgestellt hatte.

 

Faszinierende Architektur-Fotografien

In der von Fabian Reifferscheidt kuratierten Ausstellung wird Feiningers fotografische Meisterschaft deutlich. Sie ist mit drei Räumen in drei Abschnitte gegliedert: eine Einführung, New Yorks architektonisches Stadtbild und das Leben in der Stadt. Ersteres stellt ihn als Techniker vor, samt der Bilder, die ihn und sein Handwerk kennzeichnen. Da sind New York, wie es das Ende des Zweiten Weltkriegs feiert, die ikonische Freiheitsstatue und Manhattan in der Dämmerung. Zwei Abbildungen stechen hervor. Die eine zeigt dicht gedrängte Mietshäuser, hinter denen das Rockefeller Center empor ragt und in seiner Monumentalität beinah den ganzen Hintergrund einnimmt. Als „Rückseite des Rockefeller Center“ ist das Bild verzeichnet. Für die andere Abbildung hatte Feininger den Asphaltdschungel hinter sich gelassen und sich nach New Jersey begeben. Idyllisch bedecken Einfamilienhäuser eine Anhebung – hinterm Horizont jedoch ragt unwirklich das Empire State Building hervor. „Empire State Building aus 22 km Entfernung fotografiert, New Jersey” notiert er.

Feiningers Bilder zeichnen sich durch weitere Aspekte aus. Zum einen, der vom Bauhaus geschulte Blick für Komposition, in der klare Linienführung, Rhythmus und geometrische Formen dominieren, beispielsweise wenn er die aus Stahl konstruierten Hochbahnbrücken von unten fotografierte. Zum anderen dem Leben, das er den an sich ‘toten’ Objekten aus Stein und Stahl einhauchte. Dies zog er bewusst aus den Stimmungen, die Licht- und Wetterverhältnisse mit sich brachten. Da ist das gleißende Sonnenlicht, das sich in den Schienen der Hochbahn spiegelt. Andernorts sind es Schneeflocken, die über die Dächer der Stadt wirbeln. Er hielt die weißen Wolken fest, die quer durch Manhattans Skyline ziehen. Die Brooklyn Bridge fotografierte er nicht nur im Nebel. 1945 hatte er sie bei Nacht als Silhouette vor den Lichtern New Yorks aufgenommen und 1950 dokumentierte er sie bei Tag.

Im dritten Raum finden sich Feiningers Beobachtungen aus dem Alltag: Karl Elms Wurstgeschäft, ein italienisches Lebensmittelgeschäft, chinesische Zeitungsverkäufer. Zum Stadtbild gehörten auch jüdische Geschäfte wie der „Devotionalienladen in der Orchard Street” und die „Jüdische Nähstube in der Lower East Side”.

Anders als Lucia Moholy, die im Exil ums Überleben kämpfte und deren Wiederentdeckung längst überfällig war – die Jüdische Rundschau berichtete darüber im Dezember 2022 – ist Andreas Feininger eine renommierte Größe in der Fotografie. Die Ausstellung selbst beruht auf seinem Bildband „Andreas Feininger. New York in the Forties“, das 1978 erschien. Desweiteren hat er mehr als 50 Lehrbücher über Fotografie verfasst. 1999 verstarb er im Alter von 93 Jahren in New York. Die Ausstellung lässt den Besucher nicht nur zurück in eine Zeit reisen, in der die Menschen adrett gekleidet waren, sondern zeigt auch Ansichten New Yorks, die es heute nicht mehr gibt. Gleichzeitig erinnert sie, welche Meisterwerke die klassische Fotografie hervorbrachte.

 

Andreas Feininger. New York in the Forties“ im Bröhan-Museum, Berlin, bis 28. Mai 2023

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