Bunte Deutsche schulmeistern Juden, wie zu gedenken ist
Jüdischer Friedhof in Bamberg© Janericloebe/ commons.wikimedia.org
Der Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde Bamberg, Martin Arieh Rudolph, erwähnte am Gedenktag für die Pogromnacht vom 9. November 1938 in seiner Rede auch die Missstände in der Politik und kritisierte, wie es die Jüdische Rundschau schon lange tut, neben der Anbiederung der Bundesregierung an das Mullah-Regime in Teheran, das Schweigen des Kanzlers zur Holocaustrelativierung durch Mahmud Abbas. Wie Juden ihre Gedenktage wahren, schmeckt dem Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus offensichtlich ebenso wenig wie die Kritik seitens der Jüdischen Gemeinde Bamberg. Nun erwartet unsere neue bunte Gesellschaft vom Gemeindevorsitzenden eine „kritische Reflexion“ und wohl auch eine Abbitte. (JR)
Ein buntes Bündnis aus Bamberg wirft dem Vorsitzenden der dortigen jüdischen Gemeinde vor, eine Gedenkrede zur „Reichspogromnacht“ politisch missbraucht zu haben. Aus dem Schreiben, das Achgut vorliegt, spricht die pure Anmaßung und Selbstgerechtigkeit.
Wie deutsche Juden dem Holocaust gedenken, da werden geläuterte Deutsche doch wohl noch ein Wörtchen mitzureden haben! So jedenfalls sehen es die Andrea, der Bastian und der Ralph, deren Nachnamen die NZZ freundlicherweise unerwähnt ließ, als sie Folgendes berichtete:
Am 9. November 2022 beließ es der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg, Martin Arieh Rudolph, nicht dabei, anlässlich des Jahrestags der „Reichspogromnacht“ der Deportation und Ermordung fast aller Bamberger Juden zu gedenken, sondern nahm sich die Freiheit heraus, „heutige Missstände der Politik zu kritisieren“. Dass er dabei auch die Corona-Politik ins Visier nahm, etwa die Lockdowns und die Ausgrenzung der Ungeimpften, nimmt das bunte Bamberger Bündnis ihm besonders übel. Er hätte damit Positionen vertreten, die sie sonst nur aus der „Corona-Leugner*innenszene“ kennen, und die sei schließlich antisemitisch.
So machen irrsinnigerweise nun Deutsche Juden Antisemitismus-Vorwürfe, weil sie die Corona-Politik kritisieren – und nicht nur das. Rudolph hätte gar das „Thema verfehlt“, so die schulmeisternden Anwürfe, die Rudolph besonders verärgern: „Soll Juden es nicht erlaubt sein, in ihrer eigenen Art und Weise des Schicksals ihres Volkes bis in die heutige Zeit zu gedenken?“
In dem Schreiben, das Achgut.com vorliegt, heißt es in einem Ton anmaßender Selbstgerechtigkeit, bei dem einem die Spucke wegbleibt:
Der Schaden Ihrer Rede für die Würde der Gedenkfeier und das Ansehen Ihrer Gemeinde ist immens. Wir erwarten eine kritische Reflexion, denn Bamber*innen und Schüler*innen, die an dieser Veranstaltung teilnehmen, kommen, um mit ihrer Beteiligung ein Zeichen des Respekts für das jüdische Leben in Bamberg und gegen das Verbrechen eines faschistischen Regimes zu setzen.
Die drei Bündnissprecher äußern sich „irritiert“ darüber, dass Rudolph ein vorangegangenes Gesprächsangebot abgelehnt hätte, und schließen an:
Deshalb schreiben wir Ihnen diesen Brief. Denn wir können und wollen Ihre Rede nicht so stehen lassen. Denn der 9. November ist für die Erinnerungskultur ein wichtiger Tag, an dem das Gedenken an die Opfer und das Verhalten der Täter im Mittelpunkt stehen, denn „wer seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist verdammt sie zu wiederholen.“
Was die bunten Vorzeige-Gedenker mit ihren routiniert-gedankenlos verwendeten Textbausteinen hier faktisch sagen, ist makaber: Sollte es einmal zu künftigen Rückfällen in die nationalsozialistische Barbarei kommen, gingen diese auch auf das Konto des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Bamberg, schließlich habe der ja die Gedenkarbeit versemmelt. Obendrein kommt das von Leuten, die sich Rudolph gegenüber mit einer jahrelangen „Bekämpfung des Antisemitismus durch eine würdige und gegenwartsbezogene (!) Gedenkarbeit“ brüsten. Wir lernen: Welche Gegenwartsbezüge in der Gedenkarbeit erlaubt sind, das bestimmen die Andrea, der Bastian und der Ralph. So viel ist sicher: Auf die nicht nur gesundheitspolitisch astreine Bundesregierung lassen sie dabei mal gar nichts kommen:
Gerade an diesen Tagen, wo Antisemitismus wieder sein hässliches Gesicht offen zeigt und die jüdischen Gemeinden davon betroffen sind, möchten wir diesen Tag mit gebührender Intensität und Würde begehen. Aus unserer Sicht haben Sie das Thema verfehlt und die Gedenkrede missbraucht und sie dafür genützt ihre persönliche Abrechnung mit der Bundesregierung zu machen.
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