90 Jahre Volksempfänger: Nazi-Propaganda durch das Radio
Goebbels vor dem "Volksradio" bei einer Funkausstellung am 5. August 1938.© Bundesarchiv, Bild 183-H10252
Für die Nationalsozialisten war das Radio die wichtigste Waffe im ideologischen Propaganda-Krieg. Das Fernsehen war neu, technisch unvollkommen, sehr teuer und sehr wenige Menschen hatten Zugang dazu. Reichspropagandaminister Josef Goebbels nutzte den „Volksempfänger“ aber auch, um in den arabischen Ländern erfolgreich zum Dschihad gegen die Juden aufzurufen. Antisemitische Propaganda wurde von 1939 bis 1945 auf Arabisch und Persisch verbreitet und die Muslime explizit zum Töten der Juden aufgerufen. (JR)
Der Minister für Volksaufklärung und Propaganda des Dritten Reiches, Dr. Paul Joseph Goebbels, war überzeugt, dass das lebendig gesprochene Wort eine stärkere Wirkung auf die Massen hat als das gedruckte Wort. Deshalb wählte er den Rundfunk als Hauptinstrument der Propaganda: "Was die Presse im 19. Jahrhundert war, wird der Rundfunk im 20. Jahrhundert werden.“
Reichskanzler Adolf Hitler übertrug Goebbels die volle Kontrolle über alle deutschen Rundfunkanstalten. Von März 1933 bis zum letzten Tag des Dritten Reiches wurde der gesamte Rundfunk bis ins kleinste Detail von Goebbels kontrolliert. Tag und Nacht priesen die Radiosender in Deutschland den Führer, lobten sein Genie, seinen Patriotismus und seine Sorge um die deutsche Volksgemeinschaft. Die Propaganda rief dazu auf, sich um den Führer zu scharen, um die großen Aufgaben zu lösen, vor denen die Nation steht.
"Das Volk erreichen"
"Wir wollen einen Rundfunk, der das Volk erreicht, einen Rundfunk, der für das Volk arbeitet, einen Rundfunk, der zwischen Regierung und Volk vermittelt, einen Rundfunk, der unsere Grenzen überschreitet, um der Welt eine Vorstellung von unserem Charakter, unserem Leben und unserer Arbeit zu geben" - so lautet die Aufgabenstellung von Goebbels.
Der Reichsminister setzte Eugen Hadamovsky , den Organisator der Live-Radioübertragungen von Hitlers Reden und anderen öffentlichen Veranstaltungen, an die Spitze der Reichsrundfunkkammer, die als eigene Abteilung in Goebbels' Ministerium eingegliedert wurde. Am 16. August 1933 gab Hadamovsky eine Weisung heraus: "Wir Nationalsozialisten müssen genügend Dynamik und Enthusiasmus zeigen, um Deutschland und die übrige Welt in Windeseile zu erobern. Ich bin vom Parteigenossen Dr. Goebbels beauftragt worden, den deutschen Rundfunk vom Einfluss der Gegner unserer Sache zu reinigen. Ich kann nun berichten, dass diese Arbeit vollständig ausgeführt worden ist".
Im Mai 1935 wurde Hadamovsky zum Leiter der Abteilung Fernsehen in der Reichsrundfunkkammer ernannt. Im selben Jahr begann Berlin mit regelmäßigen Fernsehsendungen auf der Grundlage der Elektronenröhre, einer Erfindung des Physikers Manfred von Ardenne, einem der Leiter des deutschen "Uranprojekts" (nach dem Krieg erhielt der ehemalige SS-Standartenführer Baron von Ardenne 1947 und 1953 zwei Stalinpreise für seine Beteiligung am sowjetischen Atomprojekt).
Hadamovsky und Ardenne organisierten die Fernsehübertragung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin. 33 Fernsehsäle mit 25×25 cm großen Bildschirmen wurden in Berlin, Potsdam und Leipzig eingerichtet. Insgesamt verfolgten 150.000 Zuschauer die Spiele.
Aber das Fernsehen war neu, technisch unvollkommen, sehr teuer und nur wenige Menschen hatten Zugang dazu. Daher stützten sich die NS-Propagandisten in erster Linie auf den Rundfunk, der ein Millionenpublikum hatte.
Propaganda als Machtinstrument
Die Deutschen waren gezwungen, die Übertragungen von großen Nazi-Versammlungen auf mit Lautsprechern ausgestatteten Plätzen oder in großen Räumen zu hören. Zu diesem Zweck wurde ein Empfänger mit einem leistungsstarken Verstärker gebaut.
In seinem Buch "Propaganda und nationale Macht: Die Organisation der öffentlichen Meinung für die nationale Politik" (1933) schrieb Hadamovsky: "Propaganda und differenzierte Gewaltanwendung müssen sich in besonders bewusster Weise gegenseitig ergänzen. Sie sind niemals absolute Gegensätze. Die Anwendung von Gewalt kann Teil der Propaganda sein".
Das Radio hat es möglich gemacht, Millionen von Menschen zusammenzubringen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das psychologisch wirksamste Format, das der besonders wichtigen Botschaften war. Ein solches Format brachte selbst diejenigen zum Zuhören, die jegliche Propaganda ablehnten. Das theatralische Format der Sondermeldungen (sich wiederholende Rufzeichen, Unterbrechung der Sendungen durch Fanfaren oder Marschmusik) wurde zum Haupttypus der Propagandasendungen. Nach dem Angriff auf die UdSSR folgten auf die Fanfaren aus "Horst Wessel" die "Russischen Fanfaren" - ein Fragment aus den "Präludien" von Franz Liszt.
"Das Wort des Führers in jedes Haus"
Im Deutschland der frühen 1930er Jahre überstieg der Preis für einen Rundfunkempfänger den durchschnittlichen Monatslohn eines Arbeiters. Goebbels beauftragte den Ingenieur Otto Griesing, ein technisch einfaches und preiswertes Radio für das Volk zu entwickeln. So wurde das "Volksradio" oder "Volksempfänger" der Marke VE 301 geboren. Es kostete nur halb so viel wie andere Modelle und konnte in Raten gekauft werden.
Unter dem Slogan "Das Wort des Führers in jede Einrichtung, in jedes Haus" begannen die Nationalsozialisten mit der massenhaften Verteilung des Radios. Die Werbung stellte den "Volksrundfunk" als Mittel zur Einheit der deutschen Volksgemeinschaft dar, das dazu beitragen sollte, Deutschland wieder groß, stark und wohlhabend zu machen und die Ideen des Nationalsozialismus in jede deutsche Familie zu bringen. Das Emblem in Form eines Reichsadlers kennzeichnete den Empfänger als Instrument der Staatspropaganda. Das Design späterer Modelle enthielt auch das Hakenkreuz der Nationalsozialisten.
"Goebbels-Schnauze"
Eine noch billigere Version, der "kleine Hörer", erschien 1938 und wurde im Volksmund "Goebbels-Schnauze" genannt. Die Goebbels-Schnauze wurde an herausragende Arbeiter und Aktivisten in Jugend-, Wehrsport-, Frauen-, Studenten- und Berufsverbänden verliehen. 1941 gab es in Deutschland 16 Millionen registrierte Rundfunkgeräte. Der "Volksempfänger" befand sich im Besitz von 70 Prozent der deutschen Familien. Jeder Empfängerbesitzer zahlte eine monatliche Abonnementgebühr von 2 Pfund Sterling, die für den Bedarf des Propagandaministeriums bestimmt war.
Neun Nachrichtensendungen wurden täglich zwischen 5.30 Uhr und Mitternacht ausgestrahlt. Um die politisch Interessierten in das Propagandanetz zu locken, folgten auf die Nachrichten und kriegspolitischen Kommentare Unterhaltungsprogramme wie Opern, Operetten, Konzerte, Tanzmusik, Volkslieder, Kindersendungen sowie Koch- und Hauswirtschaftssendungen.
"Kulturelle" Programme wurden streng zensiert. Sogenannte „Entartete negerjüdische“ Musik wie Jazz, Swing und andere "entartete" Kunst wurden verboten. Impressionismus, Dadaismus, Kubismus, Fauvismus, Surrealismus, Expressionismus und Bauhaus galten als "entartet". Neben Malern und Architekten wurden auch eine Reihe von Komponisten und Schriftstellern als "entartet" eingestuft.
Der Rundfunk des Dritten Reiches
Der Rundfunk diente auch als Propagandainstrument für das Ausland. Verantwortlich dafür war der Kurzwellenauslandsrundfunk. In Berlin, Dresden, Leipzig, München und Bayreuth wurden Opern- und Sinfoniekonzerte übertragen. Diese Sendungen enthielten Propaganda, die sich vor allem an die Volksdeutschen richtete.
Die ausländischen Sendungen wurden rund um die Uhr in 12 Sprachen von einer neuen Richtfunkzentrale in Zeesen bei Berlin aus gesendet. In den Vorkriegsjahren war dies die leistungsstärkste Kurzwellensendezentrale der Welt. Sie verfügte über 10 Sender und 24 Richtantennen. Der Auslandsrundfunk wurde ebenfalls von speziellen Radiostationen durchgeführt. Die Region Elsass-Lothringen wurde von Frankfurt am Main, Belgien von Köln, Dänemark von Hamburg und Bremen, die Tschechoslowakei von Breslau, Polen von Königsberg und Österreich von München aus versorgt.
1933 wurden dem deutschen Rundfunk 45 Minuten pro Tag für Auslandssendungen zugestanden, 1934 waren es 21 Stunden und 15 Minuten. Im Jahr 1940 sendete der NS-Rundfunk 240 Programme in 31 Fremdsprachen, insgesamt 87 Stunden pro Tag. „Unsere Radiosender", prahlte Goebbels, „senden täglich in so vielen Sprachen, dass es drei Tage dauern würde, nur einen einzigen Tag lang Texte zu lesen.
Es wurde ein Netz aus dem Untergrund agierender ("schwarzer") Radiosender eingerichtet, die als "innere Stimme" des Landes, in das sie sendeten, getarnt waren. Eine Gruppe von schwarzen Sendern wurde zu einem System mit dem Codenamen Concordia zusammengefasst. Unter diesem Dach arbeiteten auch die russischsprachigen Sender "Für Russland" und "Lenins alte Garde", die so taten, als ob sie im Namen von russischen Emigrantengruppen sendeten.
Nach dem deutschen Angriff auf die UdSSR wurden von Concordia aus für drei erbeutete sowjetische Radiosender Sendungen in russischer Sprache ausgestrahlt. In den letzten Kriegswochen wurde im Reich ein "schwarzer" deutscher Radiosender, Werwolf, eingerichtet, der im Namen der nicht existierenden "NS-Widerstandsbewegung" nach Deutschland sendete. Die Texte für "Werwolf" wurden von Goebbels selbst verfasst.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sah sich das Büro von Goebbels ernsthaften Problemen gegenüber. Viele Deutsche hatten genug von der Nazi-Propaganda und zogen es vor, das englische oder sowjetische Radio zu hören, um ein wahres Bild der Ereignisse zu erhalten. Das Hören von BBC und Radio Komintern wurde streng bestraft. Allein im ersten Jahr des Zweiten Weltkriegs wurden über 1 500 Deutsche in Konzentrationslager geschickt, weil sie Sendungen aus London und Moskau gehört hatten. Die Verbreitung von Material aus feindlichen Radiosendern in Form von Flugblättern oder "Mundpropaganda" galt als Hochverrat und wurde mit dem Tod bestraft.
Propagandaunternehmen
Die Nazis ergriffen Maßnahmen, um zu verhindern, dass die Armee den "Feindfunk" hörte. Goebbels schreibt: "Ich habe mit Oberst Schmundt (einem von Hitlers Adjutanten - B.H.) die Frage des Abhörens ausländischer Radiosendungen in Wehrmachtseinheiten besprochen. Wir werden dies unterbinden, ein entsprechender Erlass des Führers wird vorbereitet werden.
Verteilung von 500 Kleinempfängern (DKE 38) im Oktober 1938 anlässlich von Goebbels’ 41. Geburtstag im Berliner Funkhaus durch Gaupropagandaleiter Werner Wächter (rechts, mit Hakenkreuz-Armbinde; solche Verteilungen erfolgten jährlich als Dr.-Goebbels-Rundfunkspende)© Bundesarchiv_Bild_183-H14243
Für die Durchführung der ideologischen und psychologischen Kriegsführung in der Wehrmacht wurden Kompanien der nationalsozialistischen Propaganda gebildet. Am 1. April 1939 nahm die militärische Propagandaabteilung der Wehrmacht ihre Arbeit auf. Diese Struktur wurde von Oberst Hasso von Wedel geleitet. Bis zum 1. September 1939 gab es 14 Propagandakompanien in der Wehrmacht. Während der Vorbereitungen für einen Angriff auf die UdSSR stieg ihre Zahl auf 19, von denen 11 an der sowjetisch-deutschen Front eingesetzt wurden. Später wurde die Zahl der Propagandakompanien auf 33 erhöht.
Auch die SS-Truppen verfügten über Propaganda-Einheiten. Ab Oktober 1943 wurden alle SS-Propagandastrukturen in ein spezielles Regiment, die SS-Standarte Kurt Eggers, umgewandelt. Der Kommandeur des Regiments war SS-Standartenführer Gunter d’Alquen. Im April 1945 leitete er die militärische Propagandaabteilung der Wehrmacht. Die SS-Divisionen hatten ihre eigenen Kriegsberichterstatter und Kameraleute.
Sowjetische Gegenpropaganda
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs nahm die Wirksamkeit der deutschen Radiopropaganda immer mehr ab. Das lag nicht nur an der Diskrepanz zwischen den Funksprüchen und der tatsächlichen Lage an der Front, sondern auch am Erfolg der sowjetischen Gegenpropaganda.
Die Spezialpropagandisten der Abteilung von Oberst M.I. Burtsev (7. Abteilung der Politischen Hauptabteilung der Roten Armee) entwickelten eine Methode der synchronen Ausstrahlung auf den in Deutschland verwendeten Frequenzen, die es ermöglichte, die deutschen Radiosendungen zu stören. Die Radiohörer in Deutschland konnten plötzlich mitten in einer Sendung den aufgeregten Ausruf "Lies!“ hören. Oft wurde die Stimme von Hitler oder Goebbels imitiert. In solchen Momenten waren die Deutschen gezwungen, die Sendung zu unterbrechen, und es wurde patriotische Musik über den Äther gespielt.
"Als ich meinen Funkwagen auf die Welle des Wehrmachtssenders einstellte, der über den "Deutschen Sender-40" ausgestrahlt wurde (dieser Sender sendete nicht nur Frontberichte, sondern auch Unterhaltungsmusik), wurde der Wehrmachtsfunk durch den sowjetischen Sender gestört. Zuerst wurde das Metronom eingeschaltet und es tickte: tick-tock, tick-tock, tick-tock. Dann sagte der Ansager mit monotoner Stimme auf Deutsch: "Jede Sekunde stirbt ein deutscher Soldat in Stalingrad. Stalingrad ist ein Massengrab. Stalingrad ist ein Massengrab... Das hat die deutschen Soldaten furchtbar beeindruckt", erinnert sich der Funker Gert Altschweder.
Der Sender des Freien Deutschen Nationalkomitees sendet aus der Sowjetunion in deutscher Sprache. Die Sendungen begannen: "Achtung! Achtung, Achtung! Hier ist der Radiosender Freies Deutschland... Wir sprechen im Namen des deutschen Volkes. Wir rufen zur Rettung des Staates auf!" Der "Deutsche Volksrundfunk" wurde auch aus dem sowjetischen Gebiet ausgestrahlt. Sogar deutsche Soldaten an der Westfront hörten das Programm des Kriegsgefangenen-Dienstes dieses Senders. Später bezeichneten amerikanische Experten solche Radiosendungen als "einen großartigen und perfekten Nervenkrieg".
"Hier spricht Hans Fritzsche"
Ganz Deutschland drängte sich in die "Volksempfänger", wenn einmal in der Woche die Worte "Hier spricht Hans Fritzsche" ertönten. Die ruhige, gutturale Stimme des beliebtesten Kommentators des Dritten Reiches war etwas, das die Deutschen mochten. Sie hatten genug von der Hysterie, die die Parteidemagogen in Nachahmung von Hitler und Goebbels regelmäßig in das Mikrofon plärrten.
Am 1. Mai 1933 übertrug Goebbels, der loyale Berichterstatter brauchte, Fritzsche die Leitung des Nachrichtendienstes in der Presseabteilung seines Ministeriums. Im Jahr 1942 besuchte Fritzsche die Ostfront und berichtete in Printmedien und im Rundfunk über die Siege der Wehrmacht in Russland. Im November 1942 übernahm er die Leitung der Rundfunkabteilung - eine der 12 Abteilungen des Propagandaministeriums. Seine Berufsbezeichnung war pompös: Bevollmächtigter Vertreter der politischen Organisation von Radio Großdeutschland.
Obwohl Goebbels und Fritzsche die gleiche Aufgabe hatten, nämlich die Deutschen im Sinne des Nationalsozialismus zu behandeln, herrschte zwischen ihnen keine Kameradschaft. Goebbels mochte die Arbeit seines Untergebenen, aber nicht Fritzsche persönlich. Vielleicht sah Goebbels ihn als Konkurrenten an. Diese Version wird durch Fritzsches Aussage bestätigt: "Meine offizielle Position war nicht so groß und wichtig wie die von Goebbels, aber mein menschlicher Einfluss war größer“.
Die Nazi-Propaganda basierte auf Lügen. "Eine tausendmal wiederholte Lüge wird zur Wahrheit", erklärte Goebbels. "Es ist möglich, Propaganda mit allen Mitteln zu betreiben. Man kann sogar mit Hilfe der Wahrheit lügen, indem man einzelne Tatsachen aus einem Beziehungsgeflecht herausreißt, - das ist eine Lüge", - diese These entwickelte Fritzsche.
Fritzsche bediente sich dabei der Lehren der Hitler-Ideologie. Eines der Hauptthemen war eine "Verschwörung des Weltjudentums". Am 18. Dezember 1941, als Europa bereits in einen Massenmord an den Juden verwickelt war, der von den Nazis als "Endlösung der Judenfrage" bezeichnet wurde, sagte Fritzsche im Radio: "Das Schicksal der Juden in Europa war so ungünstig, wie es sein sollte, wie es der Führer für den Fall eines europäischen Krieges voraussagte. Mit der Ausbreitung des Krieges, die auf die Aufhetzung durch die Juden zurückzuführen sei, könne ihnen dieses traurige Schicksal auch in der Neuen Welt widerfahren, denn es wäre schwer anzunehmen, dass die Völker der Neuen Welt den Juden die Katastrophen verzeihen würden, die ihnen die Alte Welt nicht verziehen hätte.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs besang Fritzsche "die glorreichen Siege der deutschen Waffen". Doch dann kamen die Niederlagen der Wehrmacht und die Aufgabe der Propaganda wurde schwieriger. Fritzsche erschreckte die Zuhörer mit Geschichten über die Grausamkeit der Russen und die angelsächsische Perfidie der westlichen Verbündeten; er machte den Deutschen klar, dass eine tödliche Bedrohung auf sie zukam. Fritzsche zitierte den britischen News Chronicle: "Wir sind für die Ausrottung allen Lebens in Deutschland - Männer, Frauen, Kinder, Vögel und Insekten" und den sowjetischen Roten Stern mit einem Artikel von Ilja Ehrenburg: "Wenn du einen Deutschen tötest, töte einen anderen - nichts macht uns mehr Spaß als deutsche Leichen“.
Die Verhaftung des Propagandisten
Am 2. Mai 1945 kapitulierte Hans Fritzsche vor den sowjetischen Streitkräften in Berlin. Am selben Tag musste Fritzsche an der Identifizierung der Leichen von Goebbels' Kindern und der verkohlten Überreste seines Chefs und seiner Frau teilnehmen. Am nächsten Tag wurde Fritzsche nach Moskau geschickt. Am 20. November 1945 erschien er vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg, wo er wegen Verbreitung von Nazi-Propaganda angeklagt wurde. Fritzsche wurde als inoffizieller "Ersatz" für Goebbels auf der Anklagebank gesehen.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass Fritzsche während seiner Radioauftritte manchmal starke Äußerungen propagandistischer Natur machte. Das Gericht beabsichtigt jedoch nicht, davon auszugehen, dass diese Äußerungen darauf abzielten, das deutsche Volk zu Gräueltaten gegen die besiegten Völker anzustacheln, und daher konnte Fritzsche nicht als Beteiligter an den ihm vorgeworfenen Verbrechen angesehen werden. Sein Ziel war es vielmehr, in der Bevölkerung den Wunsch zu wecken, Hitler und die deutschen Kriegsanstrengungen zu unterstützen. 1947 wurde Fritsche zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, weil er zum Antisemitismus aufgestachelt und wissentlich falsche Angaben gemacht hatte, um die Deutschen zum Weiterkämpfen zu bewegen, obwohl der Krieg bereits verloren war. Am 29. September 1950 wurde er aus gesundheitlichen Gründen entlassen: Er litt an Krebs. Am 27. September 1953 starb Hans Fritzsche in Köln, der erste "Nürnberger", der dem Galgen entging.
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