Die große Transformation: Der marxistische Marsch durch die Institutionen

Wirtschaftsminister Robert Habeck ist Anhänger der „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“.© FOCKE STRANGMANN / AFP

Der neomarxistische Gesellschaftsumbau und sein gezielter „Marsch durch die Institutionen“ begann vor Jahrzehnten – eine Transformation, an deren Ende eine kapitalfreie Kollektivgesellschaft „gleicher“ statt gleichberechtigter Menschen stehen soll. Bewährte Instrumente dafür sind u.a. die kontinuierliche Absenkung des Bildungs- und Ausbildungsniveaus oder die Durchsetzung der sogenannten „Klimaschutzverträge“, die den Unternehmen in vorgeblicher Freiwilligkeit aufgezwungen werden und die Großindustrie in ein faktisch planwirtschaftlich gelenktes System zwingen. (JR)

Von Thomas Spahn/Tichys Einblick

Rudi Dutschke war Vordenker des Marschs durch die Institutionen. 50 Jahre nach der Auflösung des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds ist sein Konzept verwirklicht. Der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus ließ das Bürgertum in Dornröschenschlaf fallen. Keiner wehrt sich.

Sie haben dazugelernt. Träumten die Marxisten 1968 noch davon, in Lenin-Nostalgie einen Staat in Form einer, wie sie es nannten, „Revolution“ zu übernehmen, so wurde deren Vordenkern seit Alfred Willi Rudi Dutschke zunehmend bewusst: Eine Wohlstandsgesellschaft ist nur zu knacken, indem man sie von innen heraus zerstört. Das Wort vom „Marsch durch die Institutionen“ war geboren. Dabei galt es, jede Chance zu ergreifen, um die Schritte zum angestrebten Ziel unumkehrbar zu machen. Der marxistische Gesellschaftsumbau begann über sogenannte Graswurzelbewegungen, die zumeist mit Einzelzielen in die Gesellschaft hineinwirkten. Die Marxisten erkannten, dass die Okkupation der an die Wandervogelbewegung im Deutschen Reich erinnernden Ökobewegung in der breiten Bevölkerung deutlich mehr Wirkkraft entfalten würde als jenes pseudointellektuelle Theoretisieren der 68er, das am Volk schlicht vorbeilief. Die frühen 1980er waren geprägt von der Übernahme der konservativromantisierenden Ökologiebewegung durch vor allem maoistisch geschulte Neomarxisten. Sie verknüpften Umweltschutz mit Atomangst, mobilisierten über einen an die Ökobewegung angelehnten, technikfeindlichen Kurs jene Aversion gegen den Fortschritt, die an der Startbahn West, bei Kernkraftwerken und Kohleförderung sowie während der Transporte zu den Brennstablagerstätten im Wendland jene öffentlichen Bilder erzeugte, in deren Rahmen verunsicherte Bürgerkinder ein erstes kollektives Wir-Gefühl mit einer vermeintlich „progressiven“ Bewegung finden konnten.

An Schulen und Hochschulen übernahmen Zöglinge der 68er-Bewegung die Regie. Statt jedoch bisher Benachteiligte auf den hohen Anspruch des bürgerlichen Bildungsideals zu heben, senkte das Ziel eines „Abiturs für alle“ kontinuierlich das Bildungs- und Ausbildungsniveau. Es ist ein Vorgang, der bis heute nicht abgeschlossen ist und der einen neuen Höhepunkt in der Forderung findet, dass naturwissenschaftliche Fächer wie Mathematik „entkolonialisiert“ werden müssten. Kurz: Nullniveau statt Anspruch, weil europäische Wissenschaft angeblich die Ursache der gefühlten Unterdrückung der globalen Massen durch weiße Eliten sei.

 

Marxistische Übernahme der Medien

Parallel dazu erfolgte die Übernahme der als Kampfinstrument des Bürgertums gegen staatliche Pression entstandenen Medienwelt durch Vertreter des marxistischen Systemumbaus. Das frühere Leitmedium „Der Spiegel“ und seine kleine Konkurrenz „Stern“, ohnehin bereits entzaubert durch die Hitler-Tagebücher, übernahmen die Avantgarde des „Haltungs“-Propagandismus. Selbst die publizistischen Bollwerke des Bürgertums, einst angesiedelt im Axel-Springer-Verlag und bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, äfften die Gesinnungspolizisten nach. Das Bürgertum selbst schaute dieser Entwicklung hilflos zu. Ob in den Öffentlich-Rechtlichen oder in privaten Medienhäusern  – Liberale und Konservative hatten keine wahre Heimat mehr. Schon die Regierung Kohl, die angetreten war, die nach links gerückte Republik „politisch und moralisch“ zu erneuern  – also auf einen liberal-bürgerlichen Kurs zurückzuführen  – prallte auf eine Front marxistischer Gegenwehr und scheiterte zuletzt, gleichsam als Paradoxon der Geschichte, an der Vereinigung der immer noch gefühlt bürgerlichen BRD mit der sozialistisch durchwirkten DDR.

Während sich die Liberalen und Konservativen an ihrem Pyrrhussieg berauschten, wirkten linksextreme Bestrebungen erfolgreich nicht nur in der SED-Nachfolgepartei der orthodoxen Marxisten, sondern in der bereits in den 1970ern begonnenen Unterwanderung der Sozialdemokratie und der finalen Übernahme der Ökobewegung durch Neomarxisten. Als der dem linken antirevisionistischen Flügel zugerechnete Sozialdemokrat Gerhard Schröder 1998 mit den Alt-Maoisten von Bündnis 90/ Die Grünen die Bundesregierung übernahm, konnte der in der DutschkeTradition stehende Vordenker Jürgen Trittin nach der bereits erfolgten Unterwanderung des Bildungs- und des Medienbereichs die entscheidende Weiche stellen, um den angestrebten Umbau der bürgerlichen Gesellschaft zu einem Kollektivsystem abzusichern.

 

Grundgesetz neu interpretiert

Das entscheidende Instrument war das sogenannte Verbandsklagerecht, das 2002 durchgesetzt wurde. Ursprünglich als Anspruch anerkannter Umweltverbände definiert, einen Klageweg für virtuelle und kollektive Betroffenheit anstelle der persönlichen zu beschreiten, erweiterte sich der Anspruch kontinuierlich und schuf nicht nur die Grundlage für räterepublikanische Strukturen durch die Gründung und Finanzierung von Vereinen und Verbänden, sondern führte im März 2021 mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz final zur neomarxistischen Neuinterpretation des Grundgesetzes. Zum einen definierte es in der Verfassungstradition seit 1871 den Aufbau des Staates als föderalistischen Bund deutscher Länder und schrieb dabei die jeweiligen Aufgaben der staatlichen Institutionen nebst verfassungssichernder Kontrollfunktionen zwischen Legislative, Exekutive und Judikative fest. Zum anderen beschrieb es nach den Erfahrungen mit der Diktatur sehr dezidiert die Rechte des Bürgers gegen den Staat als individuelle Freiheits- und Schutzrechte vor der möglichen Übergriffigkeit staatlicher Organe. Das Grundgesetz von 1949 ist vor allem anderen ein Schutzrecht des Bürgers vor dem Staat, wobei es der juristischen Logik folgend den Bürger als real existierendes Individuum begreift, dessen individueller Schutzanspruch im Rahmen des Grundgesetzkatalogs mit absolutem Vorrang vor staatlichen Forderungen und Missbräuchen zu gewährleisten ist. Hierzu richtete das Grundgesetz eine unabhängige Judikative ein, an deren Spitze das Bundesverfassungsgericht steht, dessen vornehmste Aufgabe dieser Individualschutz des Bürgers vor dem Staat ist. Auch die Gründung eines Bundesamts für Verfassungsschutz im Jahr 1950 war darauf ausgerichtet, dass dieses zwar die Aufgabe hat, das Gemeinwesen vor Bestrebungen zu schützen, die auf eine gewaltsame Überwindung der Verfassungsgrundsätze von 1949 zielen, dabei jedoch in der Pflicht steht, ebendiese Aufgabe auch dann wahrzunehmen, wenn die im Grundgesetz definierten Bürgerrechte durch staatliche Organe bedroht werden.

Der Verfassungsschutz ist ausdrücklich kein Staatsschutzorgan, sondern steht im Auftrag des Bürgers, dessen verfassungsmäßige Rechte er notfalls auch gegen staatliche Übergriffigkeit zu verteidigen hat. Dieses seit 1848 erkämpfte Bürgerrecht auf vom Staat nicht zu gängelnde Selbstverwirklichung des Einzelnen steht jedoch in unüberwindbarem Gegensatz zu den marxistischen Vorstellungen eines vom Kollektiv der ursprünglich niederen Stände totalitär geführten Gemeinwesens. Individuelles Freiheitsrecht gebiert gesellschaftliche Ungleichheit, da es auf Leistungsorientierung aufbaut und individuelle Vorteile durch rechtmäßig erworbenen Besitz nicht nur toleriert, sondern als selbstverständlich erachtet  – der Unions-Slogan „Freiheit statt Sozialismus“ war deutlich mehr als eine Parole.

 

Bürgerliches Selbstbewusstsein

Gleichwohl stand mit der Sozialgesetzgebung seit Bismarck bereits der Sozialstaatsgedanke im Mittelpunkt des Gemeinwesens, der dem weniger Leistungsfähigen zulasten der Leistungsfähigen sowohl individuelle Entfaltung als auch politische Partizipation garantieren sollte. Da dieser Sozialanspruch, von Ludwig Erhard als Soziale Marktwirtschaft zur Grundlage eines modernen Bürgerstaats in Abgrenzung zum sozialistischen Kollektivstaat entwickelt, den Wohlstandsunterschied zwischen „oben“ und „unten“ zulässt, verletzt er eine Grundanforderung des marxistischen Weltbilds. Jedes marktwirtschaftliche Modell fordert den Bürger in seiner Entfaltung durch Eigenleistung und schafft dadurch jenes bürgerliche Selbstbewusstsein, das staatlichen Institutionen aus guten Gründen kritisch gegenübersteht.

Die neomarxistische Transformation, an deren Ende eine kapitalfreie Kollektivgesellschaft „gleicher“ statt gleichberechtigter Mitglieder mit zudem identischem Glücksanspruch steht, lässt jenen Individualismus hinter sich, welcher notwendig den gesellschaftlichen Erfolg auf der naturgegebenen Ungleichheit der Menschen aufbaut. Sie ersetzt die individuelle Lebensentscheidung nebst persönlicher Verantwortung durch das kollektivistische Gesellschaftsziel. Aktuelles Beispiel der Transformation ist die vorgeblich alternativlose Verstaatlichung von Schlüsselunternehmen der Grundversorgung (Uniper). Anders als noch im real existierenden Sozialismus erfolgt die Transformation des Marktes außerhalb der Schlüsselindustrien ohne formelle Verstaatlichung, sondern orientiert am Weg der aus dem Nationalsozialismus bekannten Gleichschaltung einer Wirtschaftsnation – indem die politische Führung das Ziel wirtschaftlichen Handeln definiert und einfordert sowie zwecks Beschleunigung auch finanziell fördert. Ein aktuelles Instrument ist die Durchsetzung der sogenannten „Klimaschutzverträge“, die den Unternehmen in vorgeblicher Freiwilligkeit aufgezwungen werden und die Großindustrie in ein faktisch planwirtschaftlich gelenktes System zwingen.

Auf der Strecke bleibt dabei der Mittelstand, der durch die Gängelung über staatliche Zielvorgaben an den Rand seiner Leistungsfähigkeit gebracht wird. Dieses ist durchaus erwünscht, denn die Vertreter des Mittelstands bilden das letztverbliebene Bollwerk bürgerlichen Selbstverständnisses wider die sozialistische Kollektivgesellschaft. Die Ruhigstellung der unabhängig vom Unternehmensgewinn Lohnabhängigen erfolgt im unteren Lohnsegment über die Gewerkschaften, die unter Vernichtung der Arbeitsplätze durch Planwirtschaft den Übergang in die Gruppe der Sozialstaatsabhängigen organisieren.

Im Hochlohnsegment lassen sich die sogenannten Industrieführer ohne eigene Unternehmensverantwortlichkeit bereitwillig zu leitenden Angestellten degradieren, denen jegliches Lebensrisiko abgenommen ist, solange sie dem Staatszielauftrag gerecht werden.

 

Unsozial-ökologische Planwirtschaft

Der Ökomarxist Robert Habeck erfand für das Transformationsziel das Schlagwort von der „sozial-ökologischen Marktwirtschaft“. Ein Wording, das „sozial“ nur insoweit ist, als es die ideologischen Ziele der Neomarxisten erfüllt, und mit „Markt“ im klassischen Sinne von Konkurrenz und Risiko überhaupt nichts mehr zu tun hat. Vorbild des Gesellschaftsumbaus der Maoisten ist das Wirtschaftsmodell der kommunistisch gelenkten Volksrepublik China. Unverzichtbare staatsrelevante Versorgungsindustrien befinden sich zwecks Absicherung des Gemeinwohls als Grundlage des elitären Führungsanspruchs unmittelbar in staatlicher Hand. Industrien, die darüber hinaus Versorgungs-, Luxus- und Exportgüter produzieren, deren eventuelle Verluste nicht unmittelbar der politischen Führung anzulasten ist, werden als scheinunabhängige Gesellschaften vom staatlich gelenkt. Hierzulande geschieht dies über sogenannte „Verträge“, orientiert an Staatszielen, deren vorgebliche Notwendigkeit sich nach aktuellem politischem Belieben begründen lässt.

Um den revolutionären Gesellschaftsumbau ohne klassische Revolution zu erreichen, kann und muss auf allzu deutlich spürbare und radikale Veränderung des staatlichen Grundgerüsts verzichtet werden. So läuft der Umbau auf Hochtouren und vermeidet, dass die Verfassungstransformation offenkundig wird. Anders als nach 1933, als eine nach wie vor geltende Weimarer Verfassung schlicht nicht mehr stattfand, gehen die Transformatoren der Gegenwart einen geschickteren Weg. Das Grundgesetz, welches im Widerspruch zur Intention von 1949 spätestens mit dem Beitritt der DDR zur Diskussion und Abstimmung hätte vorgelegt werden müssen, wird nicht stillschweigend außer Kraft gesetzt  – und es fällt auch nicht der Nichtbeachtung anheim.

Stattdessen wird es gezielt uminterpretiert und scheinbar im Sinne von Individualrechtsansprüchen gegenüber dem Staat, sprich der Gemeinschaft, ergänzt. Galt beispielsweise der Gleichbehandlungsgrundsatz ursprünglich ausschließlich für das Verhältnis des Staates gegenüber dem Bürger, wird nun daraus ein Individualanspruch, der sich nur noch scheinbar gegen den Staat richtet und stattdessen einen Gesellschaftsumbau durch Umerziehung der Bürger einfordert. Vorgaben wie beispielsweise eine explizite Festschreibung von Kinderrechten  – in der Sache überflüssig, da Kinder als Menschen ohnehin den Schutzstatus des Grundgesetzes genießen – schaffen „dem Staat“ unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in zuvor vor dem Staat geschützte Bürgerrechte. So wird, flankiert durch Gesetzgebungen wie „Ehe für alle“ oder Kita-Anspruch, nicht nur die ursprünglich vom Grundgesetz festgeschriebene, bürgerliche Identität ausgehebelt, sondern die Intention des Grundgesetzes auf den Kopf gestellt. Diente das Grundgesetz ursprünglich dem Schutzanspruch des Individuums vor dem Staat, wird es nun zu einem Instrument des staatlichen Anspruchs gegen den Bürger.

 

Vom Bürgerschutz zum Staatsschutz

Mit dem Klimabeschluss vom Frühjahr 2021 haben die Verfassungsrichter den bürgerlichen Individualanspruch in Richtung eines Kollektivs verlagert. Darüber hinaus haben sie die Orientierung an real existierenden Personen, den Staatsbürgern, aufgegeben und in einen Rechtsanspruch für noch nicht geborene, künftige Personen umgewandelt. Damit hat die Verfassungsinterpretation ihren Bezug zum Realen verlassen und sich einer Fiktion des Erwarteten verschrieben  – den Herrschaften in den roten Roben darf eine im Sinne des Gesellschaftsumbaus perfekte Planübererfüllung gutgeschrieben werden. Mit diesem Fiktivanspruch eines zur Selbstbestimmung unfähigen Kollektivs gedachter künftiger Generationen kann die neomarxistische Herrschaftselite sicherstellen, dass ihre Überwindung des Grundgesetzgedankens von 1949 nicht nur unangefochten exekutiert und unwiderruflich wird, sondern sogar noch einer Fiktion der Verfassungsmäßigkeit unterliegt. Die große Transformation ist nicht mehr aufzuhalten – bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode werden die Aktivisten ihr Werk dahin vorangebracht haben, dass eine Umkehr unmöglich ist. Die Demokratie des Grundgesetzes wird abgeschafft und durch einen pseudodemokratischen Kollektivismus ersetzt. Der setzt an die Stelle des sozial verantwortlichen Marktmechanismus einen willkürlichen, zentral festgelegten Plan. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund hat  – 50  Jahre nach seiner offiziellen Auflösung  – doch noch gesiegt. Es brauchte dazu die von Dutschke verordnete Beharrlichkeit  – und den Zusammenbruch des real existierenden, orthodoxen Sozialismus. Ohne Feindbild fiel das Bürgertum in Dornröschenschlaf.

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