Hessen-SPD gratuliert Juden zu Jom Kippur mit dem Bild der islamischen Eroberungsmoschee „Al-Aqsa“

Es fällt schwer, hier nicht an Böswilligkeit zu denken.© Screenshot SPD Hessen


Es fällt schwer, hier nur von einem dummen Missgeschick auszugehen: Zum höchsten jüdischen Fest gratuliert die hessische SPD in den Sozialen Medien mit dem Bild des Felsendoms, der den besiegten Juden durch den damaligen Umayyaden-Kalifen Abdul Malik bin Marwan im Jahre 638 zur Demütigung und Zeichen ihrer Unterwerfung aufgezwungen worden ist. Die Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem gilt unter Muslimen als Sinnbild für den „Triumph“ des Islam über Judentum und Christenheit. Mit einer „Bildungslücke“ des Verantwortlichen ist die Sache nicht abgetan. Dieser Akt ist eher symptomatisch für die Islamanbiederung sowie die tiefsitzende Ablehnung des Staates Israel der deutschen Sozialdemokraten. (JR)

Von Mirjam Lübke

War es antisemitisch oder einfach nur dumm? Das fragt man sich oft in Deutschland und möchte den Kopf auf die Tischkante schlagen. Auch als die SPD Hessen zu Jom Kippur dieses Jahres allen Jüdinnen und Juden zwar korrekt »Gmar Chatima Tova« wünschte, aber den Gruß mit einem Bild des Felsendoms versah. Es hagelte sogleich Protest, denn der verunglückte Festtagsgruß stand ganze 12 Stunden im Netz. Man spekulierte, ob die SPD sich ihre muslimischen Wähler nicht verprellen wolle, oder gar das Foto bewusst gewählt hätte, weil der Felsendom für viele Muslime den Sieg über das Judentum symbolisiert. Meines Erachtens trifft ein Kommentar die Situation am besten: Man hat »irgendwas mit Jerusalem« gemacht! Etwas kleinlaut entschuldigte sich daraufhin der Pressesprecher der hessischen SPD, Christoph Gehring, für die begangene Dummheit. Aber ist es damit getan?

Mich juckt es in den Fingern, der SPD böswillige Motive zu unterstellen, weil aus ihren Reihen immer wieder anti-israelische Kommentare kommen, bei denen BDS-Parolen einfach nachgeplappert werden. Mit etwas bösem Willen könnte man also durchaus einen antisemitischen Zwischenfall konstruieren, wie es die SPD selbst wahrscheinlich dem politischen Gegner gegenüber tun würde. Aber das wäre zu simpel und ein reines »Heimzahlen«. Vielleicht sollten sich die Genossen aber einmal zu Herzen nehmen, wie schnell ein solcher Vorwurf zustande kommen kann. Guten Gewissens kann ich allerdings meine Enttäuschung über so viel Lieblosigkeit äußern. In einem Land, in dem lediglich 120.000 Juden leben – Tendenz fallend – hat man gewiss nicht immer einen Vertreter des Judentums zur Hand, den man um Rat zur Gestaltung fragen kann. Aber wir leben im Internetzeitalter, daher wäre es nicht zu viel verlangt gewesen, die Suchfunktion von Google aufzurufen. Dort findet man im Bereich »Bilder« unzählige passende Grußmotive, jene, die sich auch Juden selbst untereinander in den sozialen Medien schicken. Das dauert ungefähr eine Minute. So aber kommt einem die Botschaft zum Versöhnungstag wie eines jener Geburtstagsgeschenke vor, die einem nicht wirklich Freude bereiten: Das Geschenkpapier ist offensichtlich wiederverwertet und auf dem Geschenk selbst klebt noch der Rest des roten Etiketts vom Wühltisch. Da kommt einem der Dank nur zähneknirschend über die Lippen, man weiß, der Geber hat sich keine Mühe gemacht. Geschweige denn Gedanken, was dem Beschenkten gefallen könnte.

 

Ritualisierte Gedenkkultur

Die verunglückte Jom-Kippur-Botschaft zeigt allerdings auch auf, wie wenig die meisten Deutschen über gelebtes Judentum wissen. Zwar gibt es in diesem Land eine streng ritualisierte Gedenkkultur, die den Verantwortlichen schon fast heilig ist. Besonders das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin ist zum Sinnbild dieser Gedenkkultur geworden, an dem nicht gerüttelt werden darf. Jede Kritik daran, jede Unachtsamkeit gleicht einem Sakrileg, dabei plante sein Schöpfer Peter Eisenmann, es zum belebten Teil der Hauptstadt werden zu lassen. Einen Teil dieser Achtsamkeit wünschte man sich oft den in Deutschland lebenden Juden gegenüber, die im Gegensatz zu Eisenmanns Werk oft fast stiefmütterlich behandelt werden. Die deutsche Gedenkkultur hat es in den meisten Fällen versäumt, die Brücke in die Gegenwart zu schlagen und ein Interesse am gelebten Judentum zu wecken. Shoa, Israel, vielleicht noch Klezmer, das fällt den meisten zum Thema ein, wobei das Verhältnis zu Israel quer durch alle politischen Kreise angespannt ist und die Musik des ermordeten osteuropäischen Judentums nur wenig mit deutsch-jüdischer Kultur zu tun hat. Nun, die hessische SPD hätte immerhin ein Bild im Chagall-Stil wählen können, der bei vielen Deutschen populär ist, aber auch diese Assoziation ist den Machern wohl nicht in den Sinn gekommen. Man verzeihe mir den Sarkasmus, aber wahrscheinlich können wir noch froh sein, dass die Macher kein Bild von einem KZ genommen haben – manchmal wundert einen in Deutschland nichts mehr.

 

Perfekte muslimische Feiertagsgrüße

Vielleicht sah sich die SPD auch bemüßigt, »auch mal etwas für die Juden zu machen«. Wir sind zwar nur eine kleine Minderheit in Deutschland, aber immerhin in aller Munde. So wie die Muslime in Deutschland, bei denen man allerdings nicht mehr von einer »kleinen« Minderheit sprechen kann. Es hat sich daher, auch wegen des angewachsenen Wählerpotentials, unter deutschen Politikern eingebürgert, zu jeglichem muslimischen Feiertag eine Grußbotschaft zu versenden. An diesen Festtagsgrüßen sieht man, dass es funktionieren kann, wenn man will: Sie sind hübsch gestaltet und meines Wissens wurde darauf noch nie versehentlich ein Schofar oder eine Synagoge abgebildet. Angesichts dieser Aufmerksamkeit kann man fast ein bisschen neidisch werden, der Mitarbeiterstab hat sich offensichtlich ausreichend informiert. Wahrscheinlich liegt der muslimische Feiertagskalender griffbereit auf dem Schreibtisch, es wird nichts verpasst. Denn das würde wohl als Zeichen gewertet, dass »der Islam noch immer nicht in Deutschland angekommen ist«. Da kann man als Jude nur den Kopf schütteln über so viel Ungeduld: Wir leben in Deutschland immerhin schon seit 1700 Jahren, in großer Zahl spätestens seit dem Hochmittelalter – und werden trotzdem noch immer als etwas diffus Fremdes betrachtet. Nicht unbedingt mit Feindseligkeit, aber großer Verkrampftheit. Zwar würdigt man ab und an den Beitrag deutscher Juden zur heimischen Kultur und Wissenschaft, aber selbst das wirkt oft bemüht. Heinrich Heine, zu seinen Lebenszeiten oft in verzweifelter Lage, hat es immerhin geschafft, heute einer der meistzitierten deutschsprachigen Dichter zu sein: »Denk ich an Deutschland in der Nacht…«

 

Deutschland erinnert nur widerwillig

Darf man den nichtjüdischen Deutschen mehr Interesse am modernen Judentum aufdrängen? Das wäre sicherlich keine kluge Idee, vielmehr würde es den Graben noch weiter vertiefen. Aufgezwungenes weckt bei niemandem einen positiven Eindruck, und seien wir einmal ehrlich, es würde die Gereiztheit einiger Nichtjuden eher steigern. Da stellen sich die Nackenhaare hoch und ein »Nicht schon wieder!«-Gefühl kommt auf. »Haben wir uns nicht schon genug über die Juden angehört? Seit 1945 sind die doch Dauerthema!«, wird sich mancher denken und die Ohren zuklappen. Man erwartet eine neue Strafpredigt, denkt im Zusammenhang mit Synagogen an die Pogromnacht von 1938, sieht sich einem kollektivem Schuldvorwurf ausgesetzt und mag es nicht mehr hören. Hannah Arendt hat schon früh vorausgesehen, dass ein solches Vorgehen nicht von Erfolg gekrönt sein würde, vor allem in der Nachkriegsgeneration nicht, die noch ihre eigenen Wunden leckte. Das kann man angesichts der Ermordung des jüdischen Volkes grauenvoll und geschmacklos finden, aber es ist nun einmal die Situation, vor der wir stehen. Wie geht man in Anbetracht nachgewachsener Generationen damit um? Sollen wir die weiße Fahne schwenken und uns dafür entschuldigen, Deutschland mit unserer Geschichte belästigt zu haben? Genau das wird häufig von Juden verlangt, aber warum sollten wir die Erlebnisse unseres Volkes aus unserem Gedächtnis verdrängen? Das kann niemand ernsthaft von uns verlangen, und es geht auch nicht darum, einer sinnvollen Vergangenheitsbewältigung aus dem Weg zu gehen.

 

Juden sind mehr als nur „Opfer“

Martin Buber sagte: »Wo zwei Menschen sich authentisch begegnen, findet Heilung statt.« Genau dieser Mangel an Authentizität ist es, der letztlich zu »Pannen« wie dem missglückten Jom-Kippur-Gruß der hessischen SPD führt. Man sah sich in der Pflicht, auch mal etwas zu jüdischen Feiertagen zu machen, weil diese oft in der Öffentlichkeit unter den Tisch fallen – es sei denn, es ereignen sich dramatische Anschläge wie der 2019 in Halle, an dem die Bürger sehr viel Anteil nahmen. Allerdings wäre es wünschenswert, dass die Menschen jüdisches Leben häufiger von seiner schönen Seite erleben können, wie etwa bei den großen Chanukka-Feiern in Berlin. Das schafft die Möglichkeit, einander kennenzulernen, innerhalb eines entspannten Rahmens. Denn Juden in Deutschland wollen Teil der Gesellschaft sein, nicht nur bedauertes Opfer, Exot oder Mülleimer für Beschwerden über den Staat Israel. So wird das dann auch etwas mit ernstgemeinten, freundlichen Feiertagsgrüßen und wir hören uns gemeinsam das jiddische Lied »Lomir sich iberbetn« an. Mit oder ohne Samowar.

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