Leo-Baeck-Preis für Cem Özdemir: Moralische Inflation und Offenbarungseid der offiziellen jüdischen Vertretung in Deutschland
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir soll den Leo-Beck-Preis verliehen bekommen. © THOMAS KIENZLE / AFP
Für die am 20. Oktober geplante Verleihung des Leo-Baeck-Preises scheint dem Zentralrat kein würdigerer Kandidat eingefallen zu sein als der Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Eine echte Vertretung jüdischer Interessen in Deutschland ist bei der Verleihung des höchsten jüdischen Preises an einen grünen Politiker nur schwer zu erkennen. Die Juden- und Israel-aversen Positionen sind so alt, wie die grüne Partei selbst. Sie überschreiten von Sarah-Lee Heinrich bis Jürgen Trittin dabei häufig die Grenzen zum erkennbaren Antisemitismus und machen diesen, wie auch die unverhohlenen Äußerungen der mit den Grünen korrelierten Klimabewegung deutlich belegen, besonders im grünen Milieu wieder salonfähig. (JR)
„Ehren entehren, Titel werten ab, ein Amt verblödet“, schrieb einst der Schriftsteller Gustave Flaubert. Gerade mit ersterem traf der Franzose den buchstäblichen Nagel auf den Kopf. Es sind bereits die krudesten Personen für ihr Leben, ihr Werk oder für was auch immer geehrt worden, so dass sich der geneigte Leser gefragt haben dürfte: Wofür? Wozu wurde 2011 der Rapper Bushido mit einem Integrationspreis ausgezeichnet? Für die Zeile "Ihr Tunten werdet vergast" oder doch eher für den literarischen Erguss: "Ein Schwanz in den Arsch, ein Schwanz in den Mund“? Und wofür bekam Yassir Arafat den Friedensnobelpreis? Dafür, dass er 1957 die Terrororganisation Fatah gründete, die zahllose Anschläge verübte?
Um so weniger erstaunt die Ehrung von Cem Özdemir. Dieser erhielt in diesem Jahr den „Leo-Baeck-Preis“, eine Ehrung, die seit mehr als 70 Jahren der Zentralrat der Juden auslobt. Der Namensstifter gilt als einer der einflussreichsten Vertreter des liberalen Judentums im 19. Jahrhundert. Die Preisträger der Auszeichnung lassen sich – zumindest in Teilen - durchaus sehen. Von Ralph Giordano bis Friede Springer konnten sich namhafte Persönlichkeiten die Ehrung ans Revers heften.
Doch auch mehr als zweifelhafte Kandidaten wurden vom Zentralrat geehrt. Neben Volker Beck erhielt auch Joschka Fischer den Preis. Der ehemalige Außenminister bewies in seiner Karriere zahllose Male seinen negativen Bezug zum Land Israel. Als im Herbst 2000 im Judenstaat die „Intifada“ ausbrach, entschied die israelische Regierung zunächst keine Waffen gegen die gewaltbereiten Demonstranten einzusetzen. Stattdessen bat die Regierung Deutschland um Wasserwerfer.
„Radikal und uninformierte“ Grüne
Doch Rot-Grün entschied sich diesen Wunsch auszuschlagen. Das deutsche „Nein!“ hatte vor allem Joschkas Auswärtiges Amt durchgeboxt. Die Begründung muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Deutschland schickt keine Waffen in Spannungsgebiete. Ein Wasserwerfer ist in den Augen von Fischer also eine „Waffe“? Falls das die vom ehemaligen Grünenpolitiker viel beschworene deutsch-israelische Freundschaft ist, dann ist man geneigt, auf diese zu verzichten.
Doch Fischers Haltung ist nicht neu. Bereits im Dezember 1969 flog er zu den Totfeinden in der PLO zu gemeinsamen „Gesprächen“. Ziel der PLO war nichts weiter als den „Endsieg“ und Israels „Vernichtung“. Ferner pflegten sie Kontakte zur westlichen „Stadtguerilla“. Joschka Fischer beschreibt die Teilnahme an der Konferenz heute mit linksgrüner Backpacker-Romantik. Er sei damals auf einer „unpolitischen Tramptour“ gewesen.
Überhaupt kennen viele in den Reihen der Grünen keine Berührungsängste, was Antisemitismus angeht. So hält Jürgen Trittin, der heimliche Vorsitzende der Partei, die BDS-Bewegung zwar für „kritikwürdig“, antisemitisch sei das Aktionsbündnis jedoch nicht. „BDS in toto für antisemitisch zu erklären, bedeutet, weite Teile der palästinensischen Zivilbevölkerung, die seit mehr als 50 Jahren unter der Besatzung leidet, in die antisemitische Ecke zu stellen,“ so der ehemalige Bundesumweltminister. Gruppierungen, die sich gewaltfrei für die Zwei-Staaten-Lösung starkmachen, würden mit dem Label „Antisemit“ belegt. „Das ist falsch“, bekräftigt Trittin gegenüber der taz.
Krude Rassenlehre von Sarah-Lee Heinrich
Es ist leider fakt, dass weite Teile der „palästinensischen“ Zivilbevölkerung antisemitisch eingestellt sind. Laut einer Studie der Anti Defamation League“ (ADL) sind 93% der Bewohner des Westjordanlandes und dem Gazastreifens Feinde der Juden. Die Befragten mussten zu 11 antisemitischen Thesen Stellung beziehen. Auf Sätze wie „Die Juden haben zu viel Macht in den internationalen Finanzmärkten“ oder „Die Juden sind verantwortlich für die meisten Kriege“ konnten sie mit „wahrscheinlich wahr“ oder „wahrscheinlich falsch“ antworten. Wer sechs der elf Fragen mit „wahrscheinlich wahr“ angekreuzt hat, gilt für die ADL als Antisemit.
Dass sich die Grünen keine Sorge machen brauchten, dass ihr Nachwuchs ebenso brutal, verroht und judenfeindlich ist, bewies die Sprecherin der Grünen Jugend Sarah-Lee Heinrich. In Tweets. „Nicht alle Mädchen mögen Blumen du sexistisches Schwein ich will dich verbrennen alle Männer sind Scheiße“. Aber im Kampf gegen rechts und gegen eine „eklige weiße Mehrheitsgesellschaft“ ist Sarah ganz groß.
So wird auch ihre Rassentheorie ohne Probleme von der Mutterpartei gedeckt. „Juden und Asiaten sind keine weißen Menschen, und bei Slawen weiß ich’s ehrlich gesagt nicht“, twitterte Heinrich. Heinrich Himmler hätte es nicht besser formulieren können. Der Witz dabei ist: Sie meint die Aussage nicht mal despektierlich, sondern als Kompliment. Nach ihrer Logik müssten Juden für die rassistische Zuordnung dankbar sein, denn sie spricht sie frei von der tiefsten Schuld weiß zu ein. Sie hasst weiße Männer mit der gleichen niederträchtigen Verachtung, wie Rassisten Schwarze hassen. Nur ist das eine – völlig zu Recht – gesellschaftlich geächtet. Im Falle von Sarah-Lee Heinrich wird man befördert.
Sie verharmlosen die Shoah
Unvergessen bleibt auch die Rede der Autorin Carolin Emcke zum Grünen Parteitag 2021. Über Videoschaltung gab sie zum Thema Klimawandel folgendes zum Besten: „Die radikale Wissenschaftsfeindlichkeit, die zynische Ausbeutung sozialer Unsicherheit, die populistische Mobilisierung und die Bereitschaft zu Ressentiment und Gewalt werden bleiben. Es wird sicher wieder von Elite gesprochen werden. Und vermutlich werden es dann nicht die Juden und Kosmopoliten, nicht die Feministinnen oder die Virologinnen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscherinnen.“
Diese Verharmlosung von Judenhass wird Ihnen von der Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels – noch so eine entehrende Ehrung – präsentiert. Es bleibt das alte Spiel: Durch diese Art von Gleichsetzung wird die historische, aber auch emotionale Präzedenzlosigkeit von Antisemitismus angegriffen und entwertet. Zu Ende gedacht war die Shoah doch gar nicht so schlimm und lediglich ein Betriebsunfall der Geschichte.
Die Haltung von Emcke, die stellvertretend für viele Grüne und ihre Sympathisanten steht, ist gefährlich und erinnert an ein Zitat der SPD-Politikerin Gesine Schwan: „Was früher das Judentum war, ist heute der Islam.“ Sie relativieren und merken es nicht. Sie vergleichen das singuläre geschichtliche Ereignis, verharmlosen es damit und merken es nicht. Sie verhöhnen die Opfer von Auschwitz, Buchenwald, Theresienstadt, Dachau und der ganzen Höllenfabriken und merken es nicht. Sie treffen die Angehörigen der Opfer jedes Mal ins Herz, schauen ihnen in die Augen und merken es nicht.
Ob Sarah-Lee Heinrich, Jürgen Trittin. Ob Carolin Emcke, Joschka Fischer oder natürlich die katastrophalste Kulturstaatsministerin aller Zeiten, Claudia Roth. All die ebnen den Weg für blinden, nackten Antisemitismus. Der Unterschied zum rechten Judenhass ist, dass er tabulos stattfindet. Er läuft auf ARD, er steht in der Süddeutschen Zeitung und er wird an Parteitagen der Grünen artikuliert. Nichts kann dem Redner passieren, denn er bewegt sich im moralischen geklärten Raum. Doch am Ende bleibt es, wie es ist, denn am Ende steht die Formel fest, an der sich in den Jahrhunderten nichts geändert hat: Der Jude ist schuld.
Sehr geehrte Leser!
Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:
alte Website der Zeitung.
Und hier können Sie:
unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen
in der Druck- oder Onlineform
Werbung