Rolf Eden im Alter von 92 Jahren gestorben

Er fuhr Rolls-Royce, hatte sieben Kinder mit sieben Frauen, war ein Lebemann und Playboy und hat mit seinen Clubs das Nachtleben Berlins neu erschaffen: Rolf Shimon Eden. Mit 92 Jahren ist der jüdische Tausendsassa nun verstorben. Er hinterlässt eine bewegte Lebensgeschichte: Vor seiner Party-Zeit hat Eden 1948 als Soldat im arabisch-israelischen Krieg in der Einheit von Izchak Rabin gekämpft. (JR)

Abschied vom Berliner Urgestein Rolf Eden© WIKIPEDIA

Von Filip Gašpar

Am 11. August verstarb der „Playboy“ Rolf Shimon Eden im Aller von 92 Jahren in seiner Geburtsstadt Berlin. Zuletzt war es ruhiger um ihn geworden und wenn überhaupt war er vielen als Möchtegern-Playboy bekannt, aber so richtig ernst genommen schien ihn damit niemand mehr genommen zu haben. Ihm war auch egal, was die Leute über ihn dachten, wie er in seiner 2012 erschienenen Biografie „Immer nur Glück gehabt“ schreibt. „Bewundern Sie mich, wundern Sie sich über mich, oder verachten Sie mich – ist mir egal, Hauptsache, Sie beachten mich. Denn Beachtung ist das Elixier meines Lebens!“

Und wer die Biografie liest, der wird sehen, dass der Titel mehr als nur zutreffend ist, denn Eden hat mehrmals in seinem Leben Glück gehabt, doch dazu später mehr. Denn wenigsten ist mehr als sein Playboy Dasein bekannt. Dabei birgt das Leben von Rolf Siegmund Sostheim, der 1930 in eine jüdische Familie in Berlin-Tempelhof geboren wurde, nicht nur ein Stück der Geschichte des Berliner-Nachtlebens, sondern auch deutsche und israelische Geschichte.

Edens Geschichte ist die Verkörperung der Geschichte der Berliner Juden, die aus Berlin vertrieben und verjagt wurden und ihrer alten Heimat noch eine zweite Chance gaben.

 

Eine bewegte Lebensgeschichte

Die Eltern beschreibt er als gutbürgerliche deutsche Patrioten, aber nachdem der Bruder seiner Mutter von der Gestapo verhört und „nach ein paar Tagen und einer kräftigen Ohrfeige“ entlassen wurde, beschloss die Familie 1933 in Hamburg ein Schiff zu besteigen und nach Haifa zu ziehen. Die Wahl fiel auf Haifa, da Tel Aviv „damals noch ein staubiges Dorf“ war. Die Eltern eröffneten ein Hotel, lernten jedoch nie richtig Hebräisch, im Gegensatz zu Rolf, und sprachen zu Hause immer nur Deutsch, also so richtige „Jeckes“.

Der junge Rolf lernte in seiner Schulzeit Französisch, Englisch und seine Zuneigung zu Frauen, die auf Gegenseitigkeit beruhte. Seine Eltern schenkten ihm ein Schlagzeug, als nächstes Instrument erlernte er Akkordeon, womit er schon früh seinen Lebensunterhalt als Musiker auf Feiern, Hochzeiten und in Kneipen bestritt. Viele kennen den Charmeur und Partylöwen Eden, jedoch nur wenige wissen, dass er sich nach dem Kriegsausbruch 1948 freiwillig zur Armee meldete. Aber es kam nicht irgendeine Einheit für ihn in Frage, denn „wenn ich schon in den Krieg musste, dann wollte ich auch zur besten Einheit, […] der Palmach.“

Rolf kämpfte als Elitesoldat in der Einheit von Izchak Rabin in den israelischen Freiheitskriegen und allein dieser Abschnitt seines Lebens wäre ein eigenes Buch wert. Am Ende wurden es nur zwei Kapitel, in denen neben der Rettung Jerusalems auch noch seine erste und einzige Eheschließung mit Dori, der Mutter seines ersten Kindes Irit, erläutert wird. Eden hatte insgesamt sieben Kinder von sieben Frauen und Dori heiratete er auch bloß, eigenen Angaben zufolge, damit diese im Falle seines Todes im Kriege abgesichert wäre. Der Presse verschwieg er ansonsten jahrelang jemals verheiratet gewesen zu sein. Seine monatlichen Unterhaltszahlungen beliefen sich laut seiner Aussagen auf 30.000 Euro, womit er fast schon prahlte. Aber von seinen Kindern und Enkeln wollte er nicht mit Papa oder Opa angesprochen werden, sondern mit Rolf. Alles andere sei schlecht fürs Image, sagte er.

 

Der Tausendsassa

Kaum war der Krieg geschlagen hielt es ihn weder lange in seiner Ehe noch in Tel Aviv, weswegen er beide verließ. Wer nun glaubt, dass ihm seine Kinder oder seine Frauen diesbezüglich etwas übelgenommen hätten, der kann im Buch selbst deren Sichtweise auf die Geschehnisse nachlesen. In der sich gerade entwickelnden Tel Aviver Musikszene bekam er Wind von anderen Israelis, die nach Paris zogen und dort ihr künstlerisches Glück versuchten. Eden selbst wollte in die USA auswandern und bis sein Visum eintraf, konnte er, der fließend Französisch sprach, auch in Paris seine Zeit verbringen. Er arbeitete als Chauffeur, Kellner, importierte Autos für die Franzosen, denen es Anfang der 50er Jahre nicht erlaubt war, übernahm erste Statistenrollen in Filmen, und machte natürlich auch Musik. Zu dieser Zeit lernte er Leute wie Klaus Kinski und noch andere spätere Hollywood-Größen kennen.

Sein Ersuchen auf ein Visum für die USA wurde jedoch stets abgelehnt. Irgendwann las er in der Zeitung, dass Berliner eine Rückkehrprämie von 6.000 Mark angeboten wurde, was damals eine Menge Geld war, und so verschlug es den gebürtigen Berliner zurück in seine Heimatstadt. Diese lag zwar nicht mehr in Trümmern, bot dennoch ein graues und trostloses Bild ab. Rolf, der seinen Nachnamen mittlerweile von Sostheim in Eden geändert hatte, eröffnete seine erste Diskothek, sein „Big Eden“, einen eigenen Garten der Glückseligkeit. Das „Big“ im Namen durfte nicht fehlen, denn große Ziele waren sein Lebensmotto. Er gab Berlin ein Flair der zwanziger Jahre wieder und wollte den Berlinern, egal, ob aus dem Westen oder Osten der Stadt, wieder Lebensfreue geben. Der Osten der Stadt bot den jungen Leuten nichts und so lockte er sie zu sich in den Westen. Westberlin und vor allem das „Big Eden“ versprühten Lebensfreude. David Bowie und andere Legenden gingen später in anderen Diskotheken ein und aus, die Pionierarbeit dafür, die das Berliner Nachtleben später erst zu dem machen sollte, was es ist, schuf einzig und allein Rolf Eden,

Doch er verdiente sich nicht nur als Clubbesitzer, er stieg auch früh in das Immobiliengeschäft ein und besaß zum Schluss über 100 Wohnungen.

Man kann ihn getrost als den Erfinder der westdeutschen Diskotheken bezeichnen, der zusammen mit seinen Nachtklubs den Westberliner Ku'damm überhaupt erst zur Meile der Lebenslust machte. Und mit Lebenslust kannte er sich aus. Er liebte Frauen und sie liebten ihn. Er war Kavalier alter Schule, und behandelte sie stets ehrlich und gut, auch nach dem Ende eines Techtelmechtels, und dafür feierte er sich und sein Leben. Er feierte mit den Beatles, den Rolling Stones, tanzte mit Ella Fitzgerald und war ein Szenekenner durch und durch. Wer wie ich Anfang der 2000-er Jahre auf Klassenfahrt in Berlin war, musste ins „Big Eden“ am Kurfürstendamm gehen, auch wenn vom alten Flair nichts mehr zu spüren war. Wer Glück hatte, konnte ihn im Rolls-Royce, weißen Smoking und voller blonder Mähne noch ab und an auf den Berliner Straßen sehen.

Ein Berliner Stadtmagazin kürte ihn einmal zum „peinlichsten Berliner“, womit sie nur bewiesen, wie wenig Ahnung sie von seiner Person und seinen Verdiensten für die Stadt hatten, und auch, dass es ihn wahrscheinlich sogar gefreut hatte. In den letzten Jahren war es ruhig um ihn geworden, selbst gute Bekannte bekamen ihn nur noch selten zu Gesicht und die Öffentlichkeit gar nicht mehr. Vielleicht war das auch besser so, denn wer weiß, was das Zeitalter von „Metoo“ und „Wokeismus“ mit ihm und seinem Vermächtnis gemacht hätte. 100 Jahre alt wollte er werden, nun sind es „nur“ 92 Jahre voller Lebenslust geworden und mit Rolf Shimon geht nicht nur ein wahrer Playboy, sondern auch ein Stück jüdisch-berlinerischer Geschichte.

 

Rolf Eden, Peter Dörfler: „Immer nur Glück gehabt: Wie ich Deutschlands bekanntester Playboy wurde“, Bastei Lübbe, 272 Seiten

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