KZ-Bordelle: Zwangsprostitution im 3. Reich
In dokumentiert zehn Konzentrationslagern betrieb die SS Bordelle, um zur Bespaßung und Erhöhung der Arbeitsmoral der Helfershelfer der Nazis beizutragen. Die Dokumente weisen über 200 Frauen aus, die in den Lager-Bordellen zur Prostitution gezwungen wurden. Die jüngsten unter ihnen waren minderjährig. Zusätzlich zu den Schrecken des Lagers, waren die körperlich und seelisch missbrauchten Frauen und Mädchen -sollten sie den Holocaust überlebt haben - ihr Leben lang traumatisiert und vielfach moralisch stigmatisiert. (JR)
In der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald dokumentierte 2010 eine Ausstellung die Zwangsprostitution in den Lagern der Nazis. © JENS SCHLUETER / AFP
Die meisten wissen, dass Prostituierte während der NS-Zeit zu den sogenannten „Asozialen“ zählten und damit als „Feinde eines gesunden Volkskörpers“ galten. Gesellschaftlich wurden sie geächtet. Hingegen der allgemeinen Auffassung war Prostitution im Dritten Reich jedoch nicht verboten. Sie verschwand lediglich aus dem öffentlichen Raum und wurde strengstens staatlich reglementiert. Gegen Ende der Nazi-Herrschaft wurde Prostitution vom nationalsozialistischen Regime nicht nur geduldet, sondern forciert und instrumentalisiert, um die wirtschaftliche Produktivität zu steigern.
Die Nationalsozialisten vertraten bekanntlich eine kompromisslose Vorstellung einer idealen deutschen Volksgemeinschaft: keine Juden, keine Sinti und Roma, keine Homosexuellen, keine Behinderten, keine psychisch Kranken, keine Oppositionellen und keine „Asozialen“. Die Liste der verfolgten Personengruppen war lang... Im Verständnis der Nazis waren nur erbgesunde, heterosexuelle, "arische" Männer und Frauen vollwertige Menschen. Innerhalb dieser Volksgemeinschaft wurden Mann und Frau klar definierte Geschlechterrollen zugewiesen: Der deutsche Mann herrschte über die Familie und alle Belange des öffentlichen Lebens. Das Ideal der deutschen Frau war die Ehefrau und Mutter möglichst vieler Kinder. Abweichendes Verhalten stand unter Strafe, im schlimmsten Fall drohte das Konzentrationslager. Was als abweichendes, sogenanntes „asoziales“ Verhalten verstanden wurde, entschieden die Nazis. Prostitution etwa wurde als ein solches interpretiert. Hitler selbst sah in der Prostitution eine „Schmach der Menschheit“, die unbedingt überwunden werden musste. Heinrich Himmler war da anderer Meinung.
Die Interpretation der Sexualität
Himmler betrachtete die männliche Heterosexualität als etwas Natürliches, Produktives und für den NS-Staat Nützliches. Weibliche Sexualität hingegen sollte passiv und der männlichen untergeordnet sein. Frauen, die weibliche Lust offen zeigten, machten sich des „asozialen“ Verhaltens schuldig. Auch umgekehrt wurde "asoziales" Verhalten von Frauen grundsätzlich auf ihre Sexualität zurückgeführt. Die Prostituierte galt deshalb als Verkörperung von weiblicher „Asozialität“. Es gab also ein Gefälle zwischen der Prostitution, welche Himmler als natürlich, produktiv und nützlich für die männliche Heterosexualität ansah und der Prostituierten, die seiner Meinung nach minderwertig war und eine Gefahr für die deutsche Volksgemeinschaft darstellte. Deshalb war das Ziel der nationalsozialistischen Prostitutionspolitik nicht die Abschaffung der Prostitution, sondern die totale Kontrolle über die Prostituierten. Diese wurden registriert und mussten sich regelmäßigen Gesundheitskontrollen unterziehen. Das Versäumen dieser Pflichtuntersuchungen wurde hart bestraft. Prostituierte wurden von der Polizei verfolgt, wenn sie die strengen Auflagen der Behörden verletzten und konnten leicht ins KZ überstellt werden. In den Konzentrationslagern erkannte man sie an ihrer Häftlingskleidung, auf der ein schwarzes Dreieck prangte. Auch deutsche nicht-jüdische Frauen, die mit jüdischen Männern eine Ehe oder Beziehung geführt hatten, wurden als "Asoziale" ins KZ gesperrt und mit dem schwarzen Dreieck versehen. Nicht selten wurden sie dort zwangssterilisiert und von der SS zur Prostitution gezwungen. Jüdische Frauen jedoch kamen für die Prostitution aus Sicht der Nazis nicht in Frage, da Geschlechtsverkehr mit ihnen als "Rassenschande" abgelehnt wurde und nur deutsche nicht-jüdische Männer Prostituierte aufsuchen durften.
Lager-Bordelle für KZ-Häftlinge
Bordelle für KZ-Insassen widersprechen dem heutigen Bild, dass die meisten Leute von Konzentrationslagern unter der Nazi-Herrschaft haben. Sie passen so gar nicht zu den schrecklichen Aufnahmen von ausgemergelten Körpern und Menschen, die ums Überleben kämpfen, welche sich tief in unser kollektives historisches Gedächtnis eingebrannt haben. Und doch gab es in zehn Konzentrationslagern der Nazis Bordelle für Häftlinge. Jüdische Gefangene dürften diese allerdings nicht besuchen.
Die Lager-Bordelle waren im System der Nazis ursprünglich nicht vorgesehen, aber mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in immer mehr Länder gewannen die Konzentrationslager für die deutsche Kriegswirtschaft stetig an Bedeutung. Gefangene schufteten dort in Tongruben und Steinbrüchen, fertigten Gewehre, nähten Zeltplanen und produzierten Torpedozünder. Durch die miserablen Haft- und Arbeitsbedingungen lag die Arbeitsleistung der KZ-Insassen jedoch rund drei Viertel unter der von gesunden Arbeitern. Die Industrieunternehmen beschwerten sich darüber bei Heinrich Himmler, der unter anderem für die Konzentrationslager zuständig war. So eröffnete er im Jahr 1942 das erste Lager-Bordell im KZ Mauthausen nahe dem österreichischen Linz, um seine Zwangsarbeiter zu Höchstleistungen anzuspornen. Es folgten weitere Bordelle in Auschwitz (inklusive dreier Außenlager), Flossenbürg, Buchenwald, Neuengamme, Sachsenhausen, Dachau und Mittelbau Dora, welche ausschließlich den Häftlingen zur Verfügung standen. Darüber hinaus gab es Wehrmachts- und SS-Offiziers-Bordelle in Frankreich, Polen und den besetzen Gebieten der Sowjetunion, in denen Wehrmachtssoldaten und männliche SS-Angehörige sich sexuell befriedigen lassen konnten.
Zwangsrekrutierung der Frauen
Die Frauen, die in den Lager-Bordellen ihre Körper zum sexuellen Missbrauch zur Verfügung stellen mussten, kamen hauptsächlich aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, in dem unvorstellbar grausame Zustände herrschten. Rund ein Fünftel der 120.000 dort gefangenen Frauen verstarb an Unterernährung und den schlimmen hygienischen Verhältnissen. Anfangs meldeten sich einige Frauen deshalb sogar freiwillig für das "Sonderkommando" Lager-Bordell, weil sie glaubten, auf diese Weise ihrer Hölle entkommen zu können. Die SS-Bewacher versprachen ihnen zudem, dass sie nach einem halben Jahr freigelassen würden. Natürlich war das eine glatte Lüge, was sich schnell unter den Frauen herumsprach, als die ersten Prostituierten aus den Bordellen in die Lager zurückkehrten. Später wurden die Frauen dann für die Bordelle zwangsrekrutiert. Zwar überlebten die meisten Zwangsprostituierten das Vernichtungssystem der Nazis, Freiheit brachte ihnen aber erst das Kriegsende 1945.
Insgesamt 214 Frauen waren in den zehn Lager-Bordellen tätig, die jüngste von ihnen erst 17 Jahre alt. Nachdem man die Schönsten unter den weiblichen Häftlingen für den Dienst als Prostituierte ausgewählt hatte, wurden sie zunächst einmal körperlich aufgepäppelt: Seit Langem bekamen sie wieder ausreichend gesunde Nahrung, Zivilkleidung sowie Produkte zur Körperpflege. Außerdem durften sie sich ihre zuvor abgeschorenen Haare wieder lang wachsen lassen und wurden mit Höhensonne bestrahlt, damit ihre Gesichter eine gesunde Farbe bekamen. Man kann sagen, ihnen wurde ein Stück menschliche Würde und Lebensqualität zurückgegeben, obgleich nur zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Die Bordell-Baracken lagen zumeist etwas versteckt am Rande der KZ-Gelände und manche waren von einem hohen Bretterzaun umgeben. Trotzdem wussten alle Insassen innerhalb kürzester Zeit, dass es sie gab und das war Absicht.
Bis am Abend die männlichen Häftlinge die Prostituierten im KZ besuchen durften, verbrachten die Frauen eigener Aussage nach ihre Zeit mit Haus- und Näharbeiten oder Lesen. Selten kamen sie an die frische Luft, denn auf dem Gelände durften sie sich nur bedingt und unter strenger Bewachung bewegen. Frau W., die im Juli 1943 ins KZ-Bordell Buchenwald kam, berichtete in einem Interview 1990 von "diesen verfluchten zwei Stunden am Abend". Jeder Bordellbesuch im KZ durfte nur 15 Minuten dauern, danach klopften die SS-Aufseher an die Tür. Der Geschlechtsakt war nur im Liegen erlaubt. Durch eingebohrte Löcher in den Wänden konnten Wachmänner das Geschehen beobachten. Für Frau W. war das Ganze so entwürdigend, dass sie sich eines Tages die Pulsadern aufschnitt, um ihrem Elend zu entfliehen. Doch sie überlebte ihren Suizidversuch und kam als Strafe für zwei Wochen in den Bunker. Danach musste sie zurück ins Bordell und wehrte sich nicht mehr. Sie habe überlebt, sagte sie Jahre später, "aber wie?"
Frau B. erinnerte sich in einem Interview 1991 an ihre Zeit im Lager-Bordell im KZ Mittelbau-Dora: "Wir haben uns unserem Schicksal gefügt. Wir haben immer gesagt: Immer noch besser als in Ravensbrück oder Bergen-Belsen. Was sollen wir machen? Sollen wir uns dagegen wehren? Wir haben schon so viel gemacht. Also innerlich, da war es natürlich ein Schock. Wir waren aber schon so abgestumpft…"
Das Reich als Zuhälter
KZ-Insassen, die Frauen für Sex bezahlten, das klingt erst einmal wie ein schlechter Scherz. Ist es aber nicht, denn in den Konzentrationslagern im Dritten Reich herrschte ein ausgeklügeltes Pyramidensystem, an dessen oberster Stelle Funktionshäftlinge, die sogenannten Kapos standen. Ein Kapo war ein Mitarbeiter der Lagerleitung und musste andere Häftlinge beaufsichtigen. Bordellbesuche sollten die Kapos motivieren, noch mehr mit der SS-Lagerleitung zu kooperieren. Sie waren in der Regel politische Gefangene oder Kriminelle. Juden waren nicht darunter, weil sie allgemein als "Untermenschen" galten und ganz unten in der Rangordnung der Gefangenen standen. Auch Zwangsarbeiter, die besonders leistungsfähig waren, konnten sich einen Bordellbesuch verdienen. Im Belohnungssystem der Nazis gab es unterschiedlichste Vergünstigungen, so zum Beispiel zusätzliche Verpflegung, oder Geldleistungen. Die höchste Prämie war ein Bordellbesuch. Den mussten sich die Männer zuvor offiziell genehmigen lassen, was Zeitzeugen als entwürdigende Angelegenheit beschrieben. In der Schreibstube musste der KZ-Häftling zuerst einen Rapportgesuch stellen, indem er einen Prämienschein einreichte. Dafür erhielt er dann einen Bordellzettel, mit dem er wiederum zum Häftlingsarzt gehen musste, der ihn daraufhin auf Geschlechtskrankheiten untersuchte. Erst danach war ein Bordellbesuch möglich. Dieser kostete den Häftling zwei Reichsmark, welche die SS einbehielt. Der nationalsozialistische Staat wurde somit offiziell zum Zuhälter.
Oftmals sei es gar nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen, denn viele Häftlinge seien dazu körperlich gar nicht mehr in der Lage gewesen, erzählten einige Zeitzeuginnen später. Viele Männer hätten einfach nur einmal wieder menschliche Wärme und Nähe spüren wollen. Schließlich hatten sie nicht selten seit vielen Jahren keine Frau mehr zu Gesicht bekommen, denn in Konzentrationslagern wurden Männer und Frauen streng separiert.
Im KZ-Dachau gab es von April bis Dezember 1944 ein Häftlings-Bordell, in dem 19 Prostituierte arbeiteten. Dort kam es Berichten nach immer wieder zu Tumulten, da viele Insassen Prostitution aus moralischen und religiösen Gründen ablehnten, darunter auch viele Juden. Sie machten den Bordellbesuch für andere Häftlinge zum Spießrutenlauf, sodass das Bordell wieder geschlossen werden musste.
Späte Entschädigung
Nach Kriegsende erfuhr das Leid der Zwangsprostituierten unter der NS-Herrschaft kaum öffentliche Anerkennung, obwohl es in den ersten Jahren durchaus einige Berichte von Zeitzeuginnen aus den Bordellen gab. Die meisten Frauen aber schwiegen aus Scham. Nicht nur, dass ihr Opferstatus nicht anerkannt wurde, sie wurden von anderen Opfergruppen auch noch offen angefeindet. Der Vorwurf vieler ihrer ehemaligen Mitgefangenen war: "Ihr habt euren Körper an die Nazis verkauft, um ein leichteres Leben im KZ zu haben." Das seelische Leid der Frauen wurde lange als gering erachtet. Verschwiegen wurde auch, dass die meisten KZ-Prostituierten sich keinesfalls freiwillig zu ihrer "Sondertätigkeit" gemeldet hatten, sondern dazu gezwungen wurden. Frauen, die sich weigerten, im KZ-Bordell anzuschaffen, drohten drakonische Strafen. Zwangsprostituierte, die von Freiern trotz vorheriger Untersuchung mit Geschlechtskrankheiten angesteckt oder schwanger wurden, verlegte die SS in das KZ Ravensbrück. Dort starben viele von ihnen an Entkräftung, Hunger und Krankheiten.
Jahrzehntelang warteten die betroffenen Frauen auf die Anerkennung und Entschädigung des deutschen Staates. Erst 2020 erfolgte diese endlich im deutschen Bundestag. Für eine finanzielle Entschädigung war es zu diesem Zeitpunkt für die allermeisten jedoch viel zu spät… Der einzige jüdische Staat, Israel, hat unterdessen im Jahr 2018 als weltweit achtes und - Stand heute - letztes Land das "Nordische Modell" eingeführt und somit Sexkauf offiziell als das anerkannt, was es ist: Gewalt gegen Frauen. Prostitution ist dort zwar nach wie vor legal, Freier werden aber strafrechtlich verfolgt und Prostituierten staatliche Ausstiegshilfen zur Verfügung gestellt. Die sexuelle Ausbeutung von Frauen in Israel ist seitdem stark zurückgegangen. Mögen noch viele Länder diesem großartigen Vorbild Folge leisten!
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