Documenta: Chronik eines angekündigten Skandals
Auch wenn der Judenhass nach 1945 sein braunes Kleid nicht vollständig abgelegt hat, so hüllt er sich heute vor allem in das Pali-Tuch der antisemitischen „Israel-Kritik“. Auf der Documenta in Kassel präsentierte sich der widerwärtige linke Israelhass auf dem Transparent des indonesischen Judenhass-Kollektivs „Taring Padi“. Im Stürmerstil wurden Juden als Schwein und als blutrünstiger Vampir dargestellt. Im Vorfeld haben Kultusstaatsministerin Claudia Roth und besonders die Linken und Grünen klare Warnungen des Bündnisses gegen Antisemitismus Kassel mit Missachtung und dem Verweis auf vermeintlich künstlerische Freiheit abgewiesen. (JR)
Das antisemitische Transparent der indonesischen Judenhass-Gruppew Taring Padi
Im Laufe des 18. Juni 2022 baute das indonesische Künstlerkollektiv Taring Padi auf dem in Kassel zentral gelegenen Friedrichsplatz das Transparent „Volksgericht“ auf. Das wie ein Triptychon aufgebaute Panoramabild enthielt zentral in der Mitte eine im Stürmer-Stil gestaltete Figur eines Juden, der zudem einen Hut trug, auf dem die SS-Runen zu sehen waren. Links im Bild war neben anderen Figuren, die Sicherheitsorgane und / oder Nachrichtendienste darstellen sollten, auch eine Figur mit der Aufschrift „Mossad“ zu sehen. Diese Figur trug ein Tuch mit Davidstern um den Hals. Der unter dem Helm zu sehende Kopf stellte den eines Schweins dar.
Vor allem die zentral positionierte, im Stürmerstil gehaltene Figur löste einen Sturm des Entsetzens und Protests aus. Mit Ausnahme des örtlichen Vertreters der VVN BdA Dr. Ulrich Schneider erkannten alle wesentlichen Akteure des seit Januar andauernden Streits um die antiisraelische und antizionisitische Ausrichtung der documenta 15, dass es sich um eine nicht zu duldende antisemitische Darstellung handelt. Offensichtlich stellte die Figur genau das dar, was seit 1945 in Deutschland tabuisiert ist, den offen und klar ausgedrückten Antisemitismus.
Der vorher zum festen Bestandteil deutscher Geschichte und politischer Kultur Deutschlands gehörende Wahn, hat im Antizionismus und in der sog. Israelkritik einen Platzhalter gefunden, ein erstmals von Jean Amery aufgezeigter Zusammenhang. Seit dieser Zeit versuchen zahlreiche Publizisten, Politiker, Aktivisten und Intellektuelle diesen Zusammenhang zu dementieren und klagen ein Recht auf „Israelkritik“ ein. Am Antisemitismus-Skandal der documenta 15 stellt sich dieser Streit angereichert durch eine kräftige Prise dumpfen Lokalpatriotismus idealtypisch dar. Insofern ist der Skandal um das Transparent der Gruppe Taring Padi ein Lehrstück deutscher Ideologie.
Bündnis gegen Antisemitismus warnte schon früh
Der Zeitungsartikel der HNA „Mit Tanzen in den Widerstand“ vom 08.12.2021 war Auslöser der Recherchen des „Bündnis gegen Antisemitismus (BgA) Kassel“. Es wurde eine Video-Reihe besprochen, in der Gruppen, die auf der documenta 15 kuratiert wurden, vorgestellt wurden. Dort die Gruppe „The Question of Funding“ (QoF). Diese verkündete in einem Video u.a. das politische Ziel, die Autarkie der Gemeinschaft vor Ort zu erreichen um nicht nur nicht mehr von internationaler Hilfe abhängig zu sein, sondern auch kein Obst und Gemüse mehr aus Israel kaufen zu müssen.
Die Recherchen des BgA-Kassel ergaben, dass zunächst nicht das Kollektiv QoF kuratiert wurde, sondern das „Khalil Sakakini Cultural Center“ aus Ramallah. Der Namensgeber dieses Kulturzentrums Khalil al-Sakakini war ein „palästinensischer“ Pädagoge, Nationalist und eben auch Anhänger Hitlers. Yazan Khalili, der für die Gruppe QoF in dem Video auftritt, unterstützt BDS und tritt für die Abschaffung des Staates Israel ein. Er war von 2015 – 2019 Präsident eben dieses Kultur-Zentrums.
Darüber hinaus stellte sich heraus, dass die Führungsstruktur der documenta von Antizionisten, Israelhassern und vielleicht sogar von Antisemiten durchsetzt ist. Im documenta-Beirat, der auch als Findungskommission die ruangrupa aus Indonesien als Kuratoren bestimmte, sitzen mit Charles Esche und Amar Kanwar zwei Figuren, die gegenüber Israel ein feindliches Verhältnis auszeichnet. Esche hatte die Erklärung „Wir können nur ändern, was wir konfrontieren“ unterzeichnet, die sich nicht nur gegen die Bundestagsresolution zur antisemitischen BDS-Bewegung, sondern auch durch die Relativierung der Shoah auszeichnet, Kanwar ist u.a. Unterzeichner des „A Letter Against Apartheid“. Dieser Brief bezeichnet Israel als Apartheidsstaat und fordert neben dem ökonomischen, wissenschaftlichen auch den kulturellen Boykott Israels. Auch die zwei führend auftretenden Sprecher der ruangrupa, Farid Rakun und Ada Darmawan sind, neben zwei weiteren, der aus zehn Personen bestehenden Gruppe aus Indonesien, Unterzeichner oder Unterstützer dieses Briefes. Neben der ruangrupa und dem documenta-Beirat gehört zu der Führungsstruktur der documenta die künstlerische Leitung, das sogenannte „Artistic Team“. Dieses Team besteht aus fünf Personen, von denen ebenfalls vier, Andrea Linnenkohl, Ayşe Güleç, Gudrun Flentge und Lara Khaldi den „A Letter Against Apartheid“ unterzeichnet haben. Auch Khaldi war Präsidentin des schon erwähnten Kalil Sakakini Cultural Centers.
Am 09.01.2022 informierte das BgA-Kassel den Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzenden der documenta-GmbH Christian Kassel. In der E-Mail an Geselle hieß es: „Als Vorsitzender des Aufsichtsrates der documenta-GmbH können Sie sicherlich nicht alle Persönlichkeiten und Künstler kennen, die im Rahmen der kommenden documenta fifteen kuratiert werden und dort in den diversen Gremien sitzen. Der Bundestag fordert in seinem Beschluss vom 17. Mai 2019, ‚BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten - Antisemitismus bekämpfen‘, Organisationen und Personen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen nicht mit öffentlichen Geldern finanziell zu fördern und hat Länder, Städte und Gemeinden aufgefordert, sich dieser Haltung anzuschließen.
Mit der ‚Künstlergruppe‘ ‚The Question of Funding‘ aus Ramallah, die zunächst als ‚Cultural-Center Khalil al-Sakakini (KSCC)‘ vorgestellt wurde, ist jedoch genau eine Gruppe als ‚member‘ des ‚lumbung‘ geladen worden, die die BDS-Bewegung und ähnliche Initiativen unterstützt. Auch weitere Künstler, die sich in dieser Richtung engagieren, werden als member des lumbung genannt. Das verwundert nicht, weil in den verschiedenen Gremien der documenta fifteen Unterstützer der Boykottbewegung gegen Israel agieren.“ Das BgA-Kassel bot das Gespräch an.
Aktivistin Malca Goldstein-Wolf im Einsatz gegen Antisemitismus
Eine Antwort gab es nicht. Nachdem die HNA die Recherchen des BgA-Kassel umfangreich darstellte, die Veröffentlichung auf dem Blog „Ruhrbarone“ folgte und als erstes Christian E. Schmidt in der Zeit und danach andere überregionale Zeitungen das Thema aufgriffen, äußerte sich der Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende am 16.01.2022. In einer Pressemitteilung hieß es u.a.: „Die documenta ist eine internationale Kunstschau, die nicht allein die deutsche Sicht auf Vermittlung künstlerischer Positionen, sondern gerade die internationale Sicht zum Gegenstand hat. […] Eine Überprüfung oder gar einen Eingriff in die künstlerische Freiheit dürfe es nicht geben.“
Protest wurde konterkariert
Vor dem Hintergrund der Diskussionsverweigerung, der sturen Abwehr jeder Kritik und den Versuchen, die Kritiker als Rassisten zu denunzieren, entschied sich das BgA-Kassel zusammen mit Malca Goldstein-Wolff (Köln) Ende Januar zur Eröffnung der documenta eine Protestkundgebung zu organisieren. Als Ort des Protestes wurde der Friedrichsplatz gewählt, weil dort sich sowohl die zentrale Institution der documenta, das ruruHaus, als auch wichtige Ausstellungsräume befinden. Am 01.06.2022 erreichte das BgA-Kassel folgende E-Mail: „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass es nicht möglich ist, dass Sie Ihre Versammlung an dem gewünschten Standort abhalten können.“ Das Ansinnen des Ordnungsamtes, die Kundgebung abseits des Geschehens zu verbannen, akzeptierte das BgA-Kassel nicht. Unter Einschaltung des RA Joachim N. Steinhöfel gelang es dann, das Recht auf Versammlungsfreiheit, zu dem es auch gehört, den Ort der Versammlung zu bestimmen, durchzusetzen.
Das Bündnis gegen Antisemitismus Kassel hat mit starker Stimme auf die Missstände aufmerksam gemacht
Am 18. Juni 2022, noch bevor der offene Antisemitismus der Künstler der Gruppe Taring Padi bekannt wurde, fand die Kundgebung gegen die antizionistische und antiisraelische Ausrichtung der documenta statt. Dieses Ansinnen war und ist nicht nur in Kassel unpopulär. Entsprechend besuchten nur etwas mehr als 100 Menschen die Kundgebung. Schwach war insbesondere die Beteiligung aus Kassel. Es redeten u.a. der hessische Landtagsabgeordnete der FDP Dr. Stefan Naas und ein Vertreter der Gruppe Thunder in Paradise aus Frankfurt. Aus Kassel beteiligten sich das Junge Forum DIG und die Junge Union.
Während also im Vorlauf der Eröffnung seitens der documenta gegen jede Evidenz alles daran gesetzt wurde, jeden Verdacht zu zerstreuen, dass antiisraelische und antizionistische Aktivisten im Namen der Kunstfreiheit mit Steuergeldern gefördert werden und bis zuletzt Geselle, die hessische Staatsministerin Angela Dorn und Dr. Sabine Schorman Kritik an der documenta als unzulässig bezeichneten, bewahrheitete sich die Annahme der Kritiker, zu denen sich seit Mai vor allem der Zentralrat der Juden, die WerteInitiative und das AjC gesellten. Aus Kassel waren bis auf eine verhaltene Stellungnahme der Jüdischen Gemeinde und des Sara Nussbaum Zentrums keinerlei Gegenstimmen zu vernehmen.
Noch vor der Eröffnung wurde aber u.a. bekannt, dass ein aus dem Gaza kommender Künstler das Werk „Guernica – Gaza“ präsentiert. Mit diesem Werk setzte der Künstler die Verteidigung Israels gegen Terror mit dem Bombenangriff deutscher Naziflieger auf die baskische Kleinstadt gleich. Dies führte dazu, dass auch der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ausrichtung der documenta deutlich kritisierte. Er gab vor, was im Sinne der „Israel-Kritik“ zu tolerieren ist, nämlich Kritik am „Siedlungsbau“ und an der Politik Israels und was nicht. Die Koalition aus der vom Postkolonialismus und der postmodernen Linken dominierten Szene der Kulturschaffenden, die unter den documenta-Machern das Sagen hat, mit den borniert lokalpatriotischen und beratungsresistenten Vertretern der Lokal- und Landespolitik brachte den Zusammenhang zu Tage, den auch Steinmeier nicht gerne sieht. Antizionismus ist ohne Antisemitismus nicht zu haben.
Jonas Dörge ist Jahrgang 1962 und hat Politikwissenschaft und Geschichte in Kassel studiert. Seit 2009 ist er im Bündnis gegen Antisemitismus Kassel aktiv.
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