Mehr als nur eine Ausstellung: Mit historischen Fakten gegen Anti-Israel-Propaganda

Auf 32 Tafeln gibt es einen Überblick von der Frühzeit vor 10.000 Jahren bis zur Bedrohung Israels heute.

JR-Autor Hein Tiede besuchte im April die Wanderausstellung „1948 – Wie der Staat Israel entstand“ in Nürnberg und musste schon auf dem vielleicht nicht zufällig schlecht ausgeschilderten Weg dorthin feststellen, dass Deutschland wohl noch immer Schwierigkeiten mit der Verarbeitung seiner Vergangenheit hat. Die Ausstellung selbst ist aber ein gelungener Gegenpol zur beispiellosen Propagandakampagne gegen Israel und widerlegt die arabischen Narrative wie „Flucht“ und „Boden“ mit historischen Fakten. (JR)

Von Hein Tiede

Was wir wissen

Die Leser der Jüdischen Rundschau wissen natürlich, wie der Staat Israel entstand. Es gab die Abstimmung in der UNO-Vollversammlung 1947, die die Teilung des britischen Mandatsgebietes vorsah und Ben Gurion rief wenige Monate später am 14. Mai 1948 den Staat Israel aus. Dass Ben Gurion weder im November 47 noch im April 48 die Freude seiner Landsleute uneingeschränkt teilen konnte, lag daran, dass er wusste, dass es Krieg geben würde.

Schon nach der mit Zweidrittel der Mitglieder der UN-Vollversammlung angenommen Resolution, steigerten sich die Anschläge und Terrorangriffe auf jüdische Siedler im ganzen Mandatsgebiet. Nach der Staatsgründung erklärten fünf arabische Staaten Israel den Krieg.

Ägypten, Irak, Transjordanien, Libanon und Syrien stellten eine unbezwingbare Übermacht dar. „Aber wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“, sagte Ben Gurion einst.

Die Ausstellung „Wie der Staat Israel entstand“ vermittelt aber noch viel vertiefendere Eindrücke.

 

Wie ich auf die Ausstellung aufmerksam wurde

Der Kurator der Ausstellung, Leo Sucharewicz, machte mich auf die Ausstellung aufmerksam. Ihn lernte ich durch seine Tochter Melody Sucharewicz kennen. Sie führte durch das Programm mehrerer Israel-Kongresse in Deutschland und stellte den Kontakt zwischen ihrem Vater und mir her. Er empfahl mir die Ausstellung, die vom 27. April bis 27. Mai 22 in Nürnberg stattfand. Es ist nicht wichtig, dass ich sie sonst nicht wahrgenommen hätte, sondern wichtig ist, dass zu viele Menschen an dieser hervorragend gemachten und informativen Ausstellung vorbeigehen.

Defensive Werbung für Israel oder Feigheit?

Woran liegt das? Ein Plakatständer, der auf die Ausstellung aufmerksam machen sollte, stand vor dem falschen Gebäude.

Hier befindet sich die Dauerausstellung über die Nürnberger Prozesse. Die Tafeln zur Entstehung Israels jedoch waren im Hauptjustizgebäude. Dort gab es keinen Info-Ständer vor dem Eingangsportal oder auf der Fürther Straße, an der es liegt. Auf die Ausstellung im zweiten Stock konnte man allenfalls zufällig stoßen. Die beiden Plakate an den Säulen waren so geklebt, dass man sie nur beim Hinuntergehen sehen konnte. So mutig ist man in Deutschland, wenn es darum geht, positive und faktische Informationen über Israel zu vermitteln!

Spürhunde haben Stunden vor der Eröffnung am 26. April die Räumlichkeiten im Justizgebäude nach Sprengstoff abgesucht. Die SZ berichtete, dass auch Ministerpräsident Söder anwesend war. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hielt eine Ansprache und führte aus, dass die Ausstellung eine von vielen Maßnahmen sei, um Antisemitismus zu bekämpfen. Jeder dürfe die Politik der israelischen Regierung kritisieren, „aber niemand darf den Staat Israel dämonisieren oder ihm das Existenzrecht absprechen“, betonte Eisenreich.

Wie oft haben wir schon diese Selbstverständlichkeiten gehört, und wie hohl klingen diese Wiederholungen! Warum sagt Herr Eisenreich nicht:

Die drei historisch dominanten Grundpfeiler des Zionismus

„Jeder, der sich mit dem Staat Israel beschäftigt hat, kann sich freuen, wie Menschen, die uns kulturell und religiös so nahestehen, einen so wunderbaren Staat hervorgebracht haben. Israel ist ein vorbildlicher Staat, der umgeben von meist unfriedlichen Nachbarn ist und leider auch Staatsangehörige hat, die Israel beseitigen möchten. Das Judentum hat sich hier sein Zuhause wiedergegeben. Es hat humane Werte in das Denken der Menschheit gebracht, vor Tausenden von Jahren das Menschenopfer abgeschafft, die Nächstenliebe als anzustreben definiert. Der Staat Israel beschenkt die Welt mit technischem Fortschritt, der nicht mehr wegzudenken ist.“ Das wäre eine Ansage, die vielen Israelfreunden gefallen würde.

Mark Dainow, Vizepräsident des Zentralrates der Juden, wird auf der Webseite der Ausstellung zitiert: „Sogenannte ‚Israelkritik‘ dient vermehrt auch in Deutschland dazu, Judenhass freien Lauf zu lassen.“ Mit dieser Aussage hat sich der bayerische Justizminister wohl nicht auseinandergesetzt.

Leider wird immer wieder mit negativen Assoziationen geframt. Sie bestimmen das Meinungsbild in Deutschland. Ein Beispiel erlebte ich im Gespräch mit einer Richterin, die sich die Ausstellung ebenfalls anschaute. Gerne würde sie Israel besuchen, sie habe aber Angst vor den Anschlägen dort. Ich widersprach: So schlimm und verbrecherisch diese Anschläge auch seien, sie sollten nicht vor einem Israelbesuch abhalten. Ich fühle mich dort stets sicher, sagte ich ihr.

 

Die Ausstellung

Die Ausstellung sah ich mir zweimal hintereinander an. Zuerst las ich alles, was auf den 32 Tafeln dokumentiert war. Eine Fülle von Informationen, die umso besser gespeichert werden können, je mehr man ohnehin schon weiß. Ein zweites Mal hörte ich mir auf einem Audiobegleiter, den man per QR-Code auf seinem Smartphone aufrufen kann, Kommentare von jeweils einer halben Minute pro Tafel an.

Während dieser zwei Stunden haben sich vielleicht vier Menschen einige Tafeln angesehen.

Die Tafeln behandeln folgende Themen: Jüdische Reiche und ihre Zerstörungen in der Antike, zweitausend schwere Jahre in der Diaspora, jüdische Beiträge zur Entwicklung Deutschlands, jüdischer Patriotismus in Deutschland, Theodor Herzls Kampf für eine Neugründung Israels, der konkrete Zionismus im Heiligen Land, Gründung von Tel Aviv und Siedlungsbau in unwirtlicher Natur, Zusammensetzung der Bevölkerung in Judäa und Samaria, Juden und Araber – anfänglich ein gutes Zusammenleben, der Erste Weltkrieg kommt nach Palästina, die Rolle Jordaniens, die unaufrichtige Politik Großbritanniens, Hitler und der Mufti von Jerusalem, jüdische Untergrundorganisationen, Haganah und Irgun, Aufbau der Verteidigungsstreitkräfte, UNO-Teilungsplan, Ausrufung des Staates und Krieg gegen Israel, Überlebenswille gegen Übermacht, arabische und jüdische Flüchtlinge, die Rolle der UNRWA, Aufnahme von Juden aus aller Welt, der arabische Widerstand, Flugzeugentführungen und Attentate, der 6-Tage-Krieg, arabisch-muslimische Desinformation.

Besonders beeindruckt hat mich die Tafel über Großbritanniens unaufrichtige Politik. Die Briten versprachen den Arabern einen eigenen Staat, aber auch den Juden (Balfour Deklaration) – je nachdem, wie man es brauchte. Im zweiten Weltkrieg war man sich der Unterstützung der Juden wegen der Verfolgungen in Deutschland und in Deutschland besetzten Gebieten ohnehin sicher, musste ihnen daher nichts mehr versprechen, konnte sie ungeschützt gegenüber ihren arabischen Feinden lassen, ließ die jordanische Armee von britischen Offizieren leiten. Bis 1956 war ein hoher Anteil der Offiziere Briten.

 

Weitere Informationen zur Dokumentation sind auch im Netz zu finden. „Ausstellung "1948 - Wie der Staat Israel entstand" im Web (1948-web.de)“

 

Fragen an den Kurator der Ausstellung Leo Sucharewicz

Jüdische Rundschau: Lieber Leo, kannst Du Dich bitte den Lesern der Jüdischen Rundschau kurz vorstellen?

Leo Sucharewicz: Ich bin Kommunikationspsychologe mit Schwerpunkt Politische Psychologie, verheiratet, zwei wundervolle Töchter, vier wundervolle Enkel und kämpfe seit meiner Schulzeit gegen Antisemitismus und antiisraelische Propaganda.

Jüdische Rundschau: Wie bist Du zum Projekt „Demokratie und Information“ gekommen? Welche Rolle hast Du dort?

Leo Sucharewicz: Vor fünf Jahren habe ich den DEIN e.V. mit anderen gegründet, um den Kampf gegen Antisemitismus und Antizionismus auf ein professionelles Level zu heben. Unsere Kernkompetenz liegt im Public Opinion Building. Ich bin Vorstand.

Jüdische Rundschau: Was verbindet Dich mit Israel?

Leo Sucharewicz: Nichts weniger als der Kern meiner Identität und die feste Überzeugung, dass Israel unterstützt werden muss.

Jüdische Rundschau: Welche Gefahren drohen Israel von Seiten der Bundesrepublik, westlicher Staaten und der UNO

Leo Sucharewicz: „Gefahren“ im Wortsinn von Seiten der Bundesrepublik und westlicher Staaten sehe ich nicht. Allerdings ist das Abstimmungsverhalten Deutschlands in der UNO skandalös. Die obsessiven und inflationären Verurteilungen Israels durch die UNO haben dazu geführt, dass diese Institution und ihre Gremien immer weniger ernst genommen werden. Dass Iran, Pakistan, Saudi-Arabien und andere in Gremien für Frauenrechte und Menschenrechte sitzen, beschleunigt die Selbstdesavouierung. Insofern sehe ich von Seiten der UNO fortlaufende Probleme, aber keine Gefahren. Israel entwickelt sich mit atemberaubendem Tempo schlicht davon.

Jüdische Rundschau: Wie kam es zum Projekt „1948 – Wie der Staat Israel entstand“?

Leo Sucharewicz: Palästinensische Organisationen haben in den vergangenen Jahrzehnten in einer historisch beispiellosen Propagandakampagne die Tatsachen auf den Kopf gestellt. Das betrifft die wichtigsten Narrative wie „Flucht“, „Boden“ und Völkerrecht. Es war an der Zeit, ein Korrektiv zu entwickeln. Die Ausstellung 1948 zerlegt mit historischen Dokumenten und Fakten die palästinensische Propaganda.

Jüdische Rundschau: Auf 32 Tafeln werden viele Themen angesprochen: das historische Israel und Judäa, das osmanische Reich, die britische Mandatszeit, die Gründung und Gefährdung des Staates Israel. Welche dieser Informationen sind Dir besonders wichtig?

Leo Sucharewicz: Als im 19. Jahrhundert jüdische Pioniere vom Sultan Land kauften, war das spätere Mandatsgebiet Palästina fast menschenleer. Der Aufbau jüdischer Orte und später die britische Mandatsverwaltung zog hunderttausende Araber aus Syrien und Ägypten an. Viele davon flüchteten, als 1947 die Milizen des Amin el Husseini das Land mit Terror überzogen, dem auch viele Araber zum Opfer fielen, und sich die Invasion arabischer Staaten abzeichnete. Aus diesen zugezogenen und wieder abgewanderten „Flüchtlingen“ konstruierten die Palästinenser ihren „Vertreibungsmythos,“ der seit 70 Jahren eine ununterbrochene Einnahmequelle sprudeln lässt. Diesen Mythos zu entlarven ist mir persönlich wichtig.

Jüdische Rundschau: Die Ausstellung war schon seit September 2018 an vielen Orten. Wie war die Resonanz? Hättest Du Dir mehr Publizität, prominentere Räume gewünscht?

Leo Sucharewicz: Die Resonanz war und ist fabelhaft. Wir haben 95% positives Feedback. 1948 wurde bundesweit in Universitäten, Gymnasien, Parlamenten und an vielen prominenten Orten ausgestellt. Leider reagieren die meisten jüdischen Gemeinden überhaupt nicht. Dafür reagieren die Besucher. Unser Direktor, Dr. Oren Osterer, leitet das Projekt und ist bei vielen Ausstellungen vor Ort. Er berichtet von überwältigender Zustimmung.

Jüdische Rundschau: Wie kann man den grassierenden, immer wieder neu entfachten Antisemitismus am besten begegnen? Durch Wissen und Empathie?

Leo Sucharewicz: Antisemitismus ist Information. Toxische, gehässige, propagandistische und verlogene Information. Sie beeinflusst Gesellschaften, vor allem, wenn es kein informatives Korrektiv gibt und wenn die Informationsproduzenten nicht bekämpft und zum Schweigen gebracht werden. Mit Larmoyanz erreicht man nichts. Mit Verharren in einer Opferrolle auch nichts. Mit anderen Worten. Antisemitismus kann man besiegen, wenn wir begreifen, dass wir nolens volens in einem Informationskrieg sind. Und darin müssen wir performen. Koordiniert, qualifiziert, couragiert und mit genügend Ressourcen ausgestattet.

Jüdische Rundschau: Das Projekt „Wir Juden“ wird ebenfalls von „Demokratie und Information“ unterstützt. Kannst Du den Lesern der „Jüdischen Rundschau“ dazu etwas sagen?

Leo Sucharewicz: „www.wir-Juden.com“ ist eine Online-Ausstellung, die immer weiterwächst. Wir haben tausende von zum Teil rührenden Zuschriften. Wer die Website besucht, ist für jeglichen Antisemitismus immun. Leider reagieren auch hier die meisten Gemeinden überhaupt nicht auf das Angebot, geführte Online-Ausstellungen durchzuführen.

Jüdische Rundschau: Was wünschst Du Dir als Beitrag der Deutschen für die Zukunft Israels?

Leo Sucharewicz: Konsequente Bestrafung von Antisemiten aller Couleur, Schluss mit den schändlichen Abstimmungen in der UNO und weiteren Ausbau der sehr guten wissenschaftlichen wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen mit Israel. Von den jüdischen Gemeinden wünsche ich mehr Courage und Beitrag im Kampf gegen antiisraelische und antisemitische Tendenzen. Wenn eine Gemeinde wie in Mainz sich weigert, für Israel einzustehen, macht das sprachlos ob der Feigheit und Kurzsichtigkeit. Unsere Feinde machen keinen Unterschied zwischen Juden in Israel oder in Europa. Mit der Mainzer Haltung wird das Judentum in Deutschland in zwei Generationen zur politisch marginalisierte und gesellschaftlich bedeutungslosen Minorität wie im Iran. Der Antisemitismus wird nicht verschwinden. Staatliche Rahmenbedingungen reichen nicht aus. Institutionelle Professionalität fehlt. Deshalb wünsche ich mir von den jüdischen Gemeinden neue Prioritäten, neue Professionalität. Wir müssen zweitens kämpfen und erstens selber kämpfen. Das Know-how ist vorhanden.

 

Meine Gedanken zu den Antworten von Leo Sucharewicz und zur Ausstellung

Gefühl schlägt Wissen! Die „Funzel der Vernunft“ leuchtet leider weniger hell als das „Feuer der Emotionen“. Daher hat mich besonders ein Plakat angesprochen: „Die drei historisch dominanten Grundpfeiler des Zionismus“. Säkulare Lebensweise, körperliche Arbeit, gleichberechtigtes Zusammenwirken von Mann und Frau. Hier werden Gefühle angesprochen, die möglicherweise den Wunsch nach Kennenlernen weiterer Fakten hervorrufen könnten. Starke positive Gefühle sind eine Medizin gegen den Entlastungsantisemitismus deutscher Menschen. Leider sind zu starke negative Gefühle auf arabisch-muslimischer Seite ein nahezu unüberwindbares Hindernis gegen den Wunsch, sich scheuklappenfrei mit Israel auseinanderzusetzen. Trumps erfolgreiche Politik, die die Anerkennung Israels durch einige arabische Staaten zu Folge hatte, sollte auch die Einstellung arabischer Menschen zu Israel langfristig verbessern.

Möge es der Ausstellung gelingen, die Gefühlswelt vieler indifferent-zu Israel-Stehender zu positivem Engagement zu verändern.

Die nächsten Termine:

1. - 30. Juni Universität Trier,

30. Mai – 15. Juli, Altenburg, Christliches Spalatin-Gymnasium,

Weitere Termine werden auf der Homepage der Ausstellung veröffentlicht.

 

Hein Tiede, Jahrgang 1949, geboren in Hamburg, aufgewachsen in der Straße Barmbeks, in der Ralph Giodanos „Die Bertinis“ spielen, Lehrer bis zur Pensionierung, zwischen 2014 und 2019 hat er sechsmal Israel besucht und dort wunderbare Menschen getroffen.

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