„Die Woche der Brüderlichkeit“: Die Evangelische Kirche und ihr Problem mit den Juden

Martin Mordechai Buber
© RONALDO SCHEMIDT / AFP

Die Aktionswoche sollte im Zeichen des Engagements gegen Antisemitismus stehen, doch wie glaubwürdig ist dabei die Evangelische Kirche? Der jüdische Bezug dieser, in den Anfängen vor allem der Aussöhnung zwischen den deutschen Tätern und den jüdischen Opfern dienenden gemeinsamen Aktionswoche, tritt von Jahr zu Jahr immer mehr in den Hintergrund. Die Veranstaltung driftet in ein, den Holocaust selbst immer mehr ausblendendes allgemeines Statement gegen Diskriminierung. Dabei ist v.a. der Islam und seine vermeintliche globale Opferrolle auf dem besten Weg, den Genozid an dem jüdischen Volk in der Agenda der Aktionswoche in den Schatten zu stellen. Fehlende Distanzierung von der judenfeindlichen BDS-Bewegung und fragwürdige Ehrenträger bewirken ein Übriges und machen „Die Woche der Brüderlichkeit“ in ihrer Gänze zur Farce. (JR)

Von Julian M. Plutz

Ob sich Martin Mordechai Buber und Franz Rosenzweig sich das so vorgestellt haben, darf bezweifelt werden. Beide jüdische Philosophen sind seit jeher Namensgeber einer Auszeichnung, die in diesem Jahr im Rahmen der „Woche der Brüderlichkeit“ des Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit (DKR) verliehen wurde. Im DKR sind wiederum viele von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vertreten. Neben mehr als verdiente Preisträgern wie Leon De Winter, Leah Rabin oder auch Erich Zenger erhielten die Medaille auch eine Reihe von Personen, die in der Vergangenheit nicht nur mit gutem Handeln, sondern vor allem mit mehr als fragwürdigen Parolen auffielen. Einer der Geehrten in diesem Jahr ist der Präsident des Fußballclubs Eintracht Frankfurt, Peter Fischer.

Dass der Hesse sich auch selbst für eine überaus gute Wahl hält, macht er im Einspieler der Veranstaltung, die im ZDF übertragen wurde, unmissverständlich klar. So sei er einer, der „umarmt und verbindet“. Für ihn ist „der Begriff Judenfreund etwas vollkommen positives“. Denn es besagt, so der Fußballfunktionär, „dass ich alles andere bin, außer ein Antisemit“. Es klingt wie eine Szene aus dem Film „ein ganz gewöhnlicher Jude“. In dem Einmannstück mit Ben Becker heißt es an einer Stelle: „Der Philosemit umarmt und der Antisemit drückt. Und bei beidem bleibt die Luft weg.“

 

Peter Fischer ist in guter Gesellschaft

Und obwohl Fischer in dem Einspieler sich gegen „Ausgrenzung“ stellt, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die kein zivilisierte Mensch betonen muss, macht er eben genau das.

So finden sich keinerlei Zitate über die antisemitische BDS-Bewegung, die zum Ziel hat, Israel mit Boykott, Desinvestments und Sanktionen zu schwächen, was zu Ende gedacht die Auslöschung des jüdischen Staates bedeutet.

Doch hierbei ist Peter Fischer in guter Gesellschaft. So gehört es nicht gerade zu den großen Leidenschaften der EKD sich von Antisemitismen, vorausgesetzt sie haben sich nach 1945 abgespielt, loszusagen. Im Jahre 2020 äußerte sich die Evangelische Kirche zur BDS-Bewegung. Die Erläuterung liest sich windelweich. So gehe die Bewegung zurück auf „einen internationalen Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft aus dem Jahr 2005.“ Diese werden unterstützt von „palästinensischen Parteien, Verbände und Organisationen“. Ziel der Kampagne sei, „mittels verschiedener Boykottmaßnahmen auf Israel wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Druck auszuüben, um Israel zur Änderung seiner Politik gegenüber dem palästinensischen Volk und zur Beendigung der Besatzung der palästinensischen Gebiete zu bewegen“.

 

BDS ist offensichtlich antisemitisch

Diese Zeilen machen den kaum erträglichen Euphemismus der EKD deutlich, wenn es um BDS geht. So hält die Kirche es für richtig, dass der „internationale Aufruf“ von „palästinensischen Parteien“ unterstützt wird. Suggeriert wird mit dieser Formulierung jedoch, dass es sich um demokratische Organisationen wie die FDP oder die SPD handelt. Doch den „Aufruf“ unterstützt unter anderem die Hamas, eine Terrororganisation, die maßgeblich für Blutvergießen, aber auch für das Knechten des „palästinensischen Volk“ verantwortlich ist. Wobei die deutschen Sozialdemokraten seit jeher eine enge Beziehung mit der Fatah pflegen. So betonte einst Andrea Nahles „gemeinsame Ziele und Werte“ mit der extremistischen Bewegung.

Die EKD verkennt, dass sich der Boykott „gegen israelische Waren und Dienstleistungen, israelische Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Sportlerinnen und Sportler“ richtet. Heißt konkret: Die Bewegung fordert eine systematische Aussperrung israelischen Lebens, was laut den Drei D's, Dämonisierung, Delegitimierung und Doppelter Standard denknotwendig antisemitisch ist. Dies hat sogar der Bundestag mehrheitlich im Jahr 2020 beschlossen.

 

Antisemitische Intellektuelle in der EKD

Und da gibt es dann noch intellektuelle Protestanten wie den Theologen Ulrich Duchrow. So sei für ihn laut einem Beitrag zu dem Buch „Religion und Gerechtigkeit in Palästina-Israel“ Israel „ein klarer Fall von Apartheidsystem“. Mit dieser These will der emeritierte evangelische Professor aus Heidelberg „die unkritische Haltung“ gegenüber Israel aufbrechen. Oder anders formuliert: Er möchte gerne israelbezogenen Antisemitismus verbreiten.

So sei das „Apartheidregime“ in Israel „schlimmer als das damals in Südafrika. „Südafrika war ausbeuterisch und unterdrückerisch“, so Duchrow. Doch „das reicht nicht für die Beschreibung Israels.“ Dessen Intention sei es, die Menschen minderen Rechts komplett loszuwerden und die Übrigbleibenden zu ghettoisieren. Israel sei ein Extrembeispiel der „westlichen, kolonialistischen, kapitalistischen, imperialen (…) Eroberungskultur der letzten Jahrhunderte“. Kein Wort verliert der Protestant über Terror von Hamas und den Nachbarländern. Das würde nur das Narrativ des bösen Israels stören.

Der Vorwurf des Antisemitismus in den eigenen Reihen ist nicht neu und kommt auch von Protestanten selbst. So war es der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland selbst, der 2014 eine sozialwissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben hatte, die Zusammenhänge zwischen Kirchengemeinschaft, Glauben und Praktiken, sowie unter anderem Antisemitismus beleuchten sollte.

 

„Die Woche der Brüderlichkeit“ ohne Nachhaltigkeit

Der Abschlussbericht, der 2016 vorgelegt wurde, enthält das wenig Überraschende. Der christliche Glaube schütze weder vor Antisemitismus noch vor Schwulenfeindlichkeit. „Auffällig ist jedoch“, so die Studie, „dass die Informationen der EKD und die Diskussionen auf allen Ebenen der EKD in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen.“ Schlimmer noch: Hinsichtlich antisemitischer Auffassungen gebe es in den Gemeinden keine ausreichende Sensibilität.

Bedeutet: „Die Woche der Brüderlichkeit“ ist wirkungslos. Sie ist ein Symbol ohne Konsequenz dafür mit einer hübschen Auszeichnung, immerhin eine nicht dotierte, ohne Bedeutung. Peter Fischer mag sich die Medaille wie Federn an den Hut stecken. Für eine Kirche, die einerseits den Antijudaismus von Martin Luther und Konsorten zu verarbeiten hat, andererseits auch Heimat eines der größten Dissidenten des NS-Regimes, Dietrich Bonhoeffer bot, ist dies zu wenig. Es ist intellektuell dürftig und emotional degeneriert. Diese Veranstaltung hat alles, außer nachhaltig.

 

Joschka Fischer war ebenfalls Preisträger

Anderseits reiht sich der Präsident von Eintracht Frankfurt in gute Gesellschaft ein. So nahm der ehemalige Außenminister und Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille von 2003 an einer „bemerkenswerten“ Konferenz teil. Entgegen seinen bisherigen Aussagen war der Grünen-Politiker 1969 Gast bei einer Palästinenser-Unterstützerkonferenz, was „Report-Mainz“ aufdeckte. Dort soll er Jassir Arafat zum Kampf gegen Israel bis zum „Endsieg“ aufgerufen haben. Zum Zeitpunkt der Verleihung war der schwere Verdacht, den Fischer nie dementierte, bereits zwei Jahre bekannt.

So lud Arafat zur sogenannten „PLO-Solidaritäts-Konferenz“ mehr als 200 Delegierte aus der ganzen Welt ein, unter anderem aus Deutschland, Frankreich und den USA. Ziel war es, Personen aus dem Westen zu gewinnen, die den bewaffneten Kampf der PLO gegen Israel unterstützten. In der gemeinsamen Schlusserklärung heißt es wörtlich: „Die Versammlung vertraut darauf, dass der Endsieg dem palästinensischen Volk gehören wird, und es ihm gelingen wird, ganz Palästina zu befreien. Dieser harte Tobak schien jedoch niemanden in der EKD zu stören. Fischer wurde wie sein Namensvetter mit der Medaille ausgezeichnet.

Von Martin Buber stammt das Zitat: „Der Ursprung aller Konflikte zwischen mir und meinen Mitmenschen ist, dass ich nicht sage, was ich meine, und dass ich nicht tue, was ich sage.“ So gesehen befindet sich die EKD in einem inneren Konflikt. Vielleicht aber sagt die Evangelische Kirche auch genau das, was sie meint. Und vielleicht tut sie genau das, was sie meint. Das wäre jedoch, was das Thema Antisemitismus angeht, mehr als beschämend.

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