Die entlarvende Distanzlosigkeit des Bundespräsidenten zum Linksextremismus

Ein Bundespräsident, der nicht nur dem Mullah-Regime gratuliert, sondern auch die RAF verharmlost.
© ATTA KENARE / AFP

In einem Glückwunschschreiben an die Regisseurin Margarethe von Trotta bezeichnete der ohnehin wegen seiner linkslastigen politischen Instinktlosigkeit angeschlagene Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin als „große Frau der Weltgeschichte“. Ensslin war für Bombenanschläge mit vier Todesopfern mitverantwortlich. Die Glorifizierung einer verurteilten politischen Mörderin ist ein demaskierender Offenbarungseid seiner ideologischen Heimat. (JR)

Von Jaffa Lyn

Ein lauer Frühlingsabend kündigt sich am 24. Mai 1972 über dem Gelände des Hauptquartiers der US-Armee in Heidelberg an. Es ist kurz nach Dienstschluss, als Captain Clyde R. Bonner seinen neu erworbenen gelben Ford Capri in eine freie Parknische vor das Gebäude des Secret Intelligence Service fährt. Specialist Ronald A. Woodward wartet in der Nähe, um den neuen Wagen seines Freundes in Augenschein zu nehmen.

Plötzlich zerreißt eine ohrenbetäubende Detonation die Luft. Was ist geschehen? Im Kofferraum des Wagens, neben dem Captain Bonner eben seinen Capri geparkt hat, explodiert in diesem Moment eine 33 Kilogramm schwere Bombe. Der Captain hat keine Chance. Sein Oberkörper wird 20 Meter weit weggeschleudert, der abgerissene Rumpf landet auf einem 40 Meter entfernt geparkten Fahrzeug, die abgetrennten Beine werden später auf einem Baum gefunden.

Auch Specialist Woodward trifft es. Durchbohrt von zahlreichen Blech- und Metallsplittern, wird er durch die Wucht der Detonation gegen die Hauswand geschleudert. An seinem Körper bleibt wohl nicht eine einzige Stelle heil. Im Krankenwagen wirft er sich vor Schmerz stöhnend hin und her, schließlich beißt er dem Ambulance-Fahrer vor Verzweiflung in die Hand. Im Krankenhaus stirbt er einen qualvollen Tod.

Der 29 Jahre junge Captain Bonner war verheiratet und Vater zweier Buben im Alter von sechs und zwei Jahren, sein Freund Ronald A. Woodward hatte eine Tochter und zwei Jungen, drei und zwei Jahre alt. Ein weiterer Soldat, Specialist Charles L. Peck, stand im Augenblick der Explosion ungefähr acht Meter vom Gebäudeeingang entfernt. Eine aus den Angeln gerissenen Gittertür traf seinen Kopf. Die Druckwelle schleuderte ihn zurück ins Gebäude bis ans Ende des Flurs. Dort blieb er mit zerquetschtem Schädel, gebrochenen Rippen, gerissener Leber und Milz liegen; er starb noch an Ort und Stelle. Sekunden später explodierte eine zweite Bombe. Die Zeitzünder waren so eingestellt worden, dass die Sprengsätze kurze Zeit nach Dienstschluss detonierten und US-Militärangehörige treffen mussten, als sie das Gebäude des Secret Service verließen.

Gudrun Ensslin hörte im Radio von den Todesopfern. Sie äußerte ihre Zufriedenheit über die perfide Entscheidung, diesmal keine Vorwarnung des Anschlags gegeben zu haben. Hände schmutzig gemacht oder in Gefahr begeben hatte sie sich freilich nicht, die gefährliche Arbeit des Bombenlegens zu erledigen war Sache anderer.

Sie ist in die Geschichte Deutschlands eingegangen. Zweifelsohne. Aber nicht als eine der “großen Frauen der Weltgeschichte”, wie Frank-Walter Steinmeier es in seinem Glückwunschschreiben an Regisseurin Margarethe von Trotta formulierte. Dies war von Steinmeier mehr als ein Lapsus, für die Angehörigen – die Kinder, Mütter, Väter, Ehepartner, Schwestern, Brüder, all die Hinterbliebenen der von der RAF Ermordeten – für sie klang es wie Hohn und Spott.

 

Stimmen eines Hinterbliebenen

Dazu ein Betroffener: Gisbert Schmidt (Name von der Redaktion geändert), der Enkel eines der getöteten Polizisten, die als Personenschützer arbeiteten: „Ich habe meinen Großvater nie kennengelernt. Er starb im Dienst, so sagte man es wohl. Er ging nicht als ein großer Mann in die Geschichte Deutschlands ein. Nur in die Fotoalben meiner Großmutter.“ Warum der Bundespräsident Gudrun Ensslin, die Mörderin, die Terroristin, lobend erwähnt, da habe er „keine Ahnung, die sind so abgehoben, die denken einfach nicht nach. Die sind nicht sensibel”, fügt Schmidt hinzu.

Immerhin habe die Sprecherin des Bundespräsidialamtes es als Fehler korrigiert. Gisbert Schmidt dazu: „Steinmeier hätte sich selbst entschuldigen sollen. Das wäre anständig gewesen!“ Nein, dies tat Steinmeier nicht. Dafür aber „twitterte“ seine Sprecherin: „Das ist ganz klar ein Fehler. Eine verurteilte Mörderin gehört nicht in diese Reihe. Wir entschuldigen uns und werden das Glückwunschschreiben korrigieren.“ Aber auch dies verharmlost die Angelegenheit wieder. Denn Gudrun Ensslin war keine gemeine Mörderin schlechthin, die ihren Mann oder eine Nebenbuhlerin ermordete – sie war eine von „Palästinensern“ ausgebildete Terroristin, die Managerin der Anschläge und des Terrors. Ihre Gewalttaten waren politisch motiviert, verfassungsfeindlich und staatsgefährdend.

Gewiss wird Steinmeier, wie andere Politiker auch, die meisten seiner Reden nicht selbst verfassen. Dazu gibt es Redenschreiber, die mehr oder weniger begabt sein können. Mehr oder weniger geschichtsbewusst. Dies entschuldigt ihn aber nicht. Er sollte persönlich die Verantwortung übernehmen. Sonst erweckt er einmal mehr den Eindruck, sein Haus nicht gut bestellt zu haben oder prinzipiell wählerisch und voreingenommen zu sein bei der Beurteilung politischer Gewalt. Hinzu kommt noch: er und seine Parteigenossen wachen mit Argusaugen auf jeden kleinen Schnitzer von Oppositionsparteien. Und dann wird rhetorisch „draufgehauen“. Der Bundespräsident muss sich ebenso wie andere Politiker der SPD und anderswo an den eigenen Maßstäben messen lassen können. In einer Demokratie sollte schon „Waffengleichheit“ herrschen.

 

Fehler wiederholen sich bei Steinmeier

Kürzlich nannte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil den Bundespräsidenten Steinmeier einen “Brückenbauer”, einen “leidenschaftlichen Verteidiger der Demokratie”. Dies sehen manche aber anders. So schreibt der Verfassungsrechtler Herbert v. Armin: „Es kann bereits ein möglicher Fall der Vorteilsnahme sein.“ Steinmeier stand in den Jahren 2012 bis 2016 auf den Empfängerlisten diverser Luxuspräsente von Ahmed El Husseini, einem libanesischen Waffenhändler. In dieser Zeit war Steinmeier noch Abgeordneter und ab Ende 2013 Außenminister. Steinmeier schwieg, seine Mitarbeiter sprachen von Irrtum und Unwissenheit. Aufgeklärt wurde die Sache nie vollständig. (Recherchiert hatten das ZDF-Magazin „Frontal“, der Stern und das Recherchezentrum Correctiv.)

Gravierender als der schnöde materielle Vorteil waren die Telegramme, die der Bundespräsident an das Mullah-Regime nach Teheran sandte, zum 40. Jahrestag der „Islamischen Revolution“. War es dem ehemaligen Außenminister unbekannt, dass die Ideologie des Iran dem Geist unserer Verfassung wesentlich widerspricht und der Iran auch in Deutschland verfassungsfeindliche Aktivitäten treibt? Dazu auch noch “im Namen meiner Landsleute“? Zu den Landsleuten zählen auch die hier in Deutschland lebenden Juden. Was hat sich Steinmeier dabei gedacht? Wie kann er annehmen, dass Juden seine vermeintlich weltmännisch-diplomatischen Grüße mittragen? Steinmeier weiß, wie die Mullahs “ticken”, und ihm sollte bekannt sein, dass das iranische Parlament per Gesetz Israels Vernichtung beschloss.

Und nebenbei: unter Steinmeiers “Landsleuten” sind auch Homosexuelle. Warum sollten gerade diese Menschen das Mullah- Regime hochleben lassen? Jährlich werden tausende Homosexuelle im Iran zu geschlechtsangleichenden Operationen gezwungen. Seit der Islamischen Revolution von 1979 wurden im Iran über 4000 Homosexuelle öffentlich hingerichtet.

Man muss schon ein rhetorisches Chamäleon sein, um das hinzubekommen: Bei den jährlichen Gedenkfeiern wird mit großen staatstragenden Worten vergangenes deutsches Unrecht angeprangert und in einem oft als sinnfrei wahrgenommenen Ritual, „Nie wieder“, medienwirksam verkündet, aber für die deutsche Außenpolitik bleibt dies weitgehend ohne Konsequenzen. Es wird weiterhin einem Regime gratuliert, das die Vernichtung von Eretz Israel plant. Und alles ohne Scham.

Es gab heftige Kritik, Proteste von Organisationen, Vereinen und Würdenträgern. Sogar der sonst sehr vorsichtig taktierende Josef Schuster vom Zentralrat der Juden mischte sich mit in die Debatte ein und übte verhalten Kritik. Ein Jahr später der nächste Lapsus: wieder wurde ein Telegramm zum Jahrestag nach Teheran gesandt. Dieses Mal sei es aber ein Versehen gewesen.

Und da war auch noch die Sache in Chemnitz. „Das deutsche Staatsoberhaupt wirbt für die Band Feine Sahne Fischfilet – eine Instinktlosigkeit“, titulierte die Neue Zürcher Zeitung einen Artikel am 03.09.2018 (Marc Felix Serrao, Berlin). Wie ist das möglich, dass der Bundespräsident der Bandgruppe „Feine Sahne Fischfilet“ ein Gütesiegel verleiht, die zum Hass und zur Gewalt gegenüber dem Staat und der Polizei aufruft? So heißt es in dem nicht nur staats-, sondern auch menschenverachtenden Song „Staatsgewalt“: „Wir stellen unseren eigenen Trupp zusammen und schicken den Mob dann auf euch rauf. Die Bullenhelme – sie sollen fliegen. Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein und danach schicken wir euch nach Bayern, denn die Ostsee soll frei von Bullen sein.“ Womit wir wieder bei Gudrun Ensslin und der RAF angekommen sind.

Da hieß es in sehr ähnlichen, gewaltverherrlichenden Worten: „Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. D.h., wir haben nicht mit ihm zu reden, und natürlich kann geschossen werden!“ (Spiegel/ Heft 25/1970) Auszüge „Meinhof für die RAF“.

Zum Schluss seien zwei Zitate von Hannah Arendt angeführt, die tatsächlich zu den großen Frauen der Weltgeschichte gehört. So schrieb sie:

„Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen.“

Und: „Politische Fragen sind viel zu ernst, um sie den Politikern zu überlassen.“

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