Arabisches Tauwetter in den Beziehungen zu Israel

Im Nahen Osten hat eine vielversprechende Revolution der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Ländern begonnen. (JR)

Ein Plakat vor der Botschaft der VAE in Tel Aviv, das an Unterzeeichnung des Abraham-Abkommens erinnert© AFP

Beispiellose freundschaftliche Beziehungen zwischen Israel, Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Marokko haben nicht nur den „kalten Frieden“ mit Jordanien und Ägypten zum Schmelzen gebracht, sondern scheinen auch die Normalisierung der Beziehungen zu anderen muslimischen Ländern, darunter Libyen, Saudi-Arabien und Indonesien, näher zu bringen. (Ein interessantes Beispiel: Die führende englischsprachige saudische Zeitung Arab News hat zum ersten Mal den amerikanischen Rabbiner Mark Schneier als Kolumnisten eingeladen, der zweimal pro Woche verschiedene Themen behandeln wird: interreligiöser Dialog, Beziehungen zu Israel, kulturelle Fragen der jüdischen und muslimischen Welt und v. m.) Der Irak ist auch an der Reihe: Im vergangenen September war die Stadt Erbil im irakischen Kurdengebiet Gastgeber einer Konferenz, an der mehr als 300 prominente Iraker teilnahmen, die die irakische Regierung dazu aufriefen, dem Abraham-Abkommen beizutreten. Ihrer Meinung nach wird ein Frieden mit Israel die Region stabilisieren. Sie betonten, dass Israel ein integraler Bestandteil des Nahen Ostens sei und der Frieden mit dem jüdischen Staat viele Konflikte in diesem Teil des Planeten beenden werde.

Die Abraham-Abkommen führten unter Teilen der arabischen Bevölkerung im Nahen Osten auch zu dem, was man „arabischen Zionismus“ nennen könnte. Natürlich gab es auch früher solche Araber, die offen pro-israelisch eingestellt waren. Aber jetzt, nach der Unterzeichnung der Abkommen, brauchen die Bewohner einiger arabischer Länder dies nicht mehr zu verheimlichen.

In der britischen Zeitung The Jewish Chronicle wurde dem neuen Phänomen der „arabischen Zionisten“ eine eigene Publikation gewidmet. Ein anderes Video zeigt einen arabischen Gelehrten im langen weißen traditionellen Gewand beim Besuch von Yad Vashem, er ist zu Tränen gerührt: "Gemeinsam – Muslime, Juden und Christen – versprechen wir Ihnen: Das wird nie wieder passieren."

Die Unterzeichnung des Abraham-Abkommens im September 2020 ermöglichte es vielen Arabern, offen ihre Sympathien für Israel zu bekunden, ohne Angst vor der Reaktion ihrer Landsleute zu haben, und öffnete ihnen gleichzeitig die Tür, den jüdischen Staat zu besuchen.

Loai Al-Scharif, ein 39-jähriger selbsternannter Zionist aus Abu Dhabi, hat 180.000 Follower auf Twitter und mehr als 80.000 auf Instagram. Geboren in Jeddah in Saudi-Arabien, studierte er Programmieren in den USA und 2010 verbrachte er einige Zeit bei einer jüdischen Familie in Paris, um Französisch zu lernen. „Das war die Zeit, die meine Einstellung zum jüdischen Volk verändert hat, denn damals habe ich die Juden besser kennengelernt“, sagt Al-Scharif. So begann seine Mission, biblische Geschichte, Archäologie und die Geschichte des Nahen Ostens zu erforschen, was ihn dazu brachte, die Legitimität des Staates Israel einzusehen. Er verweist auf jüdische Texte und stellt fest, dass „Juden keine Kolonisatoren oder Eroberer im Land Israel sind: Wenn sie es wären, dann waren David, Salomo und Jesaja auch Kolonisatoren, und das hätte den Islam getötet.“

Auch Fatima Al-Harbi, 30, aus Bahrain ist online sehr aktiv, schreibt Autor Jonathan Sakerdotti. Fatima studierte in Australien, wo sie verschiedene Kulturen und Menschen kennenlernte. Sie arbeitete sieben Jahre im Bildungsministerium von Bahrain und machte anschließend ihren Master in Personalmanagement. Al-Harbi nennt die historischen Abraham-Abkommen „etwas Unmögliches und dennoch Geschehenes“. Sie teilte ihre Begeisterung auf Twitter und Instagram und erhielt bald von Online-Freunden eine Einladung nach Israel. „Wer möchte nicht etwas Neues kennenlernen? Das ist terra incognita für uns in der arabischen Welt.“ Als Fatima zwei Monate später in Israel ankam, war sie die erste private Touristin aus Bahrain. „Ehrlich gesagt, hatte ich ein bisschen Angst“, sagt sie. „Familie und Freunde sagten: ‚Oh Gott, gehst du ernsthaft nach Israel?‘; sie hörten ja nur Negatives in den Medien.“

Al-Scharif, im Gegensatz zu ihr, war noch nie in Israel, bezeichnet sich aber als stolzen Zionisten. 2018, zwei Jahre vor dem Abkommen, begann er pro-israelische Inhalte auf seinen Socialmedia-Accounts zu veröffentlichen und stellte fest, dass sie nicht gut aufgenommen wurden. Aber sobald die Abkommen unterzeichnet wurden, erhielt er zahlreiche weitere Follower im Internet. „Baruch Hashem, so viele Leute kamen an Bord“, bemerkte er.

Als Fatima im Oktober 2020 von ihrem ersten Israelbesuch nach Bahrain zurückkehrte, wurde sie als „das Mädchen, das nach Israel ging“ berühmt, sah sich aber auch mit Morddrohungen konfrontiert. Im Oktober 2021 war das kein Hindernis mehr, erneut den jüdischen Staat zu besuchen. Im Laufe des Jahres hat sich die Stimmung geändert und die Reaktionen waren durchwegs positiv. «Man fragte mich: 'Wie können wir Israel sehen?»

Reisen wie die von Fatima wurden größtenteils von neu gegründeten NGOs organisiert, die sich für die Förderung zivilgesellschaftlicher Beziehungen zwischen Israel und seinen Partnern im Abraham-Abkommen einsetzen. Die von der NGO Scharaka organisierte Reise half Fatima dabei, ihre Vorurteile gegenüber Israelis zu überwinden: „Sobald ich dort gelandet war, sah ich, wie freundlich die Menschen waren. Muslime, Juden waren noch glücklicher als wir, dass wir gekommen sind. Wir trugen unsere traditionelle Kleidung und waren auf den Straßen Israels leicht zu erkennen. Fremde Menschen fragten: ‚Sind Sie aus Bahrain oder Dubai?‘ Sie sagten immer wieder: ‚Willkommen in Israel!‘ Bewegt erinnert sie sich auch an den Besuch in Yad Vashem: „In einem arabischen Land wissen wir nur sehr wenig über den Holocaust. Ich lese gerne und weiß etwas mehr als die meisten Menschen in Bahrain. Man spricht nicht darüber, das wird nicht unterrichtet." Als ihre Reisegruppe zum ersten Mal von der Schoah hörte, waren Menschen sehr ergriffen. „Meine Freunde haben während der Führung wirklich geweint. Danach habe ich sofort meine Erfahrungen und Eindrücke mit meinen Followern auf Instagram und Twitter geteilt. Ich wollte, dass sie wissen, was ich an diesem Tag gelernt habe."

Online-Inhalte, die von Arabern geteilt werden, die mit Israel sympathisieren, sind oft eher kulturhistorischer als politischer Natur. Al-Scharif begann mit einer biblischen Geschichte und versuchte, sein Publikum über Hebräisch und die Anwesenheit von Juden in der Region aufzuklären.

Die arabische Unterstützung für Israel hängt oft von der Loyalität gegenüber der „palästinensischen Sache“ ab. Aber auch das änderte sich mit der Unterzeichnung des Abraham-Abkommens.

Mit Blick auf die Zukunft sind sowohl Loai Al-Scharif als auch Fatima Al-Harbi optimistisch. Loai ist zuversichtlich, dass sein Heimatland Saudi-Arabien irgendwann auch die Beziehungen zu Israel normalisieren wird: „Das ist der wahre Weg. Mehr Frieden, weniger Spannungen, keine Kriege mehr." Dan Feferman, Gründer des VAE-Israel Wirtschaftsrates, sagte: „Den Menschen in der Golfregion wurde fast ihr ganzes Leben lang beigebracht, dass die Israelis die Besatzer, die Bösen sind. Aber wir treffen uns mit Menschen im Ausland, und wir scheinen normale, nette Leute zu sein. Sie hören von Technologien, Nobelpreisen, Wissenschaftlern, und das alte Zeug ergibt keinen Sinn mehr. Jetzt haben sie dafür staatliche Unterstützung.“

Die positive Einstellung in der arabischen Welt gegenüber Israel ist an sich nicht neu, neu ist nur die offene Manifestation dieses Trends. „Ich habe viele Jahre lang an geheimen und weniger geheimen Treffen von Israelis mit Europäern und Arabern teilgenommen“, erinnert sich der britische Nahost-Kommentator Tom Gross. „Der gute Wille, das Interesse war immer da. Ich habe unter den Linken in London und Paris viel mehr Feindseligkeit gegenüber Israel erlebt als unter den Menschen, die in arabischen Ländern leben.“ Bisher sind das jedoch einzelne Stimmen. Aber andere folgen. Auch nach dem Führungswechsel in den USA und Israel sind die Beziehungen stark geblieben, und eine neue Welle der Freundlichkeit gegenüber Israel breitet sich über das Internet im Nahen Osten aus, wie ein pro-zionistischer Golfstrom, stellt der Autor von The Jewish Chronicle fest.

 

Aus dem Russischen von Irina Korotkina

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