Überraschende Töne vor der UNO: Gemeinsame Resolution von Deutschland und Israel

Trotz der bekannten antiisraelischen Haltung der deutschen Außenpolitik und der zahlreichen Verurteilungen Israels, hat Israel gemeinsam mit Deutschland eine Resolution gegen die Holocaust-Leugnung vor die UN-Generalversammlung eingebracht. Die Nachhaltigkeit einer längst überfälligen israelfreundlicheren Politik des deutschen Außenministeriums bleibt abzuwarten.

Hauptquartier der UNO in New York City© Daniel SLIM / AFP

Von Elisabeth Lahusen

Zum 80. Jahrestag der Wannseekonferenz haben Deutschland und Israel eine gemeinsame Resolution gegen die Holocaust- Leugnung vor die Generalversammlung der UNO gebracht. „Diese Resolution soll ein Zeichen der Hoffnung und der Inspiration für alle Staaten und Gesellschaften sein, die für Vielfalt und Toleranz einstehen, nach Versöhnung streben und verstehen, dass die Erinnerung an den Holocaust unabdingbar dafür ist, dass sich derartige Verbrechen nicht wiederholen“ schrieben der israelische Botschafter in Deutschland und die deutsche Botschafterin in Israel. Und mehr noch: die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock erinnerte an die Mitschuld des Auswärtigen Amts am Holocaust.

 

Deutschland über lange Jahre „zuverlässig passiv aggressiv“ gegen Israel

Wir erinnern uns: 14 Anti-Israel-Resolutionen der UNO allein im Jahre 2021, 17 im Jahre 2020. Die Vorjahre sehen kaum besser aus. Es ist kein Geheimnis, dass die UNO über Jahre gegen Israel mehr Resolutionen verabschiedete als gegen alle anderen Staaten zusammen. Und oft geschah dies mit deutscher Duldung oder gar Unterstützung unter Federführung des SPD- geführten Amtes. Nur einmal war bisher eine UN- Resolution Israels angenommen worden. Im Jahre 2005, als der 27. Januar zum internationalen Holocaust- Gedenktag erklärt wurde.

Selbst der am 30. Juni 2021 aus dem Auswärtigen Dienst ausgeschiedene UN-Botschafter Deutschlands, Christoph Heusgen (CDU) hat sich im Nahostkonflikt immer wieder so positioniert, dass man eine israelfreundliche Haltung Deutschlands beim besten Willen kaum wahrnehmen konnte. Noch 2019 scheiterte ein Antrag der FDP gegen diese fortgesetzte Verdammung Israels. Und in einem im diplomatischen Diskurs zwischen Verbündeten wohl einmaligen Vorgang sah sich sogar Jason Greenblatt, Sondergesandter des Weißen Hauses für internationale Verhandlungen, dazu genötigt, sich öffentlich in der deutschen Presse zu Wort zu melden, um die ständigen Querschüsse der Deutschen gegen die neuen Friedensbemühungen zu adressieren, die dann später in die Abraham – Abkommen mündeten. In einem Gastkommentar in der WELT am 8. August 2019 schreibt Greenblatt:

„Um jedes Missverständnis auszuräumen, sehe ich mich daher gezwungen, öffentlich zu einer aus Sicht der Vereinigten Staaten schwerwiegenden und schädigenden Fehlinterpretation unserer Bemerkungen bei der monatlichen Debatte über den Nahen Osten am 23. Juli im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Stellung zu beziehen. Meine im Weißen Haus für Friedensverhandlungen zuständigen Kollegen und ich waren insbesondere deswegen zutiefst besorgt, weil der Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland die Vereinigten Staaten als ein Land darstellte, das an das Recht des Stärkeren glaubt. Nach den Ausführungen der Vereinigten Staaten sagte Botschafter Heusgen unseren Kolleginnen und Kollegen im UN-Sicherheitsrat, dass Deutschland „nicht an das Recht des Stärkeren glaubt“. Mit Verlaub, Herr Botschafter, das tun die Vereinigten Staaten auch nicht. Wir haben in unseren Ausführungen klar zum Ausdruck gebracht, dass man den Parteien keine Lösung aufzwingen kann und dass direkte Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern der einzig gangbare Weg sind. (…) Darüber hinaus ist es, offen gesagt, unaufrichtig, auf den Vereinten Nationen als Bezugspunkt für die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts zu bestehen, ohne die tiefe, allgegenwärtige Voreingenommenheit des UN-Systems gegenüber Israel anzuerkennen.“

 

Wird Annalena Baerbock die Arbeit Joschka Fischers zu Ende bringen?

Schon einmal zeichnete ein Grüner verantwortlich im Außenministerium. Joschka Fischer war von 1998 bis 2005 Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland in einer rot-grünen Regierung. Und mit Fischer beteiligten sich erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg deutsche Bodentruppen an einen Kriegseinsatz der Nato. Fischer wurde damals in der eigenen Partei massiv angegriffen. „Kriegshetzer“ brüllte man ihm entgegen und der Parteitag musste durch Polizei gesichert werden. Ob sein Hinweis auf Auschwitz bei Fischers Begründung dieses Einsatzes richtig war, darüber lässt sich streiten. Dass man mit dem Diktator Slobodan Milošević nicht wie mit einem Demokraten verhandeln konnte, ist dennoch wahr und ein Satz seiner Rede bleibt zeitlos gültig: „Frieden setzt die Analyse der Ursachen des Kriegs voraus“.

Im Nahostkonflikt blieb Fischer allerdings auch als Außenminister oft genug die Analyse schuldig. Die Tatsache, dass man mit der Hamas nicht verhandeln kann, verschwand so selbst bei dem Realo Fischer oft hinter Friedensfloskeln, die den Fakten nicht gerecht wurden. "Es müsse ein 'dauerhaftes Übereinkommen für eine Waffenruhe' mit der islamistischen Hamas-Bewegung und anderen Gruppen erreicht werden", erklärte er noch Ende Juni 2003 in Kairo. Die US-Regierung reagierte deshalb auch prompt: "Wie kann eine Gruppe, die entschlossen ist, Israel auszulöschen, je ein Partner in dem Friedensprozess sein?"

5 Jahre nach seiner Zeit im Auswärtigen Amt machte Fischer selbst in einem Artikel klar, um was es wirklich ging. Wobei er allerdings so tat, als sei 2010 diese Entwicklung neu und nicht schon lange zuvor eine ständige Konstante:

„Durch den Raketenbeschuss von Haifa, der drittgrößten Stadt Israels, wurde eine Grenze überschritten, die weit reichende Konsequenzen haben wird. Es geht ab sofort nicht mehr überwiegend um Territorium, um Rückgabe oder Besetzung, um ein oder zwei Staaten im Nahostkonflikt, sondern nun wird die strategische Bedrohung Israels (und das heißt: seine Existenz als solche) im Vordergrund stehen. Die Ablehnungsfront hat die israelische Entschlossenheit und Abschreckungsfähigkeit unterschätzt. Sie hat die Unmöglichkeit einer Rückkehr zum Status quo im Libanon bewiesen. Und sie hat die hegemonialen Ansprüche, vor allem Teherans, sichtbar gemacht. Diese Fehlkalkulation wird vor allem dann sichtbar werden, wenn erstens Israel bei dem begrenzten Ziel massiver Abschreckung bleibt und sich nicht in einen Bodenkrieg im Libanon hineinziehen lässt.

Wie wird die neue Außenministerin Annalena Baerbock die deutsche Außenpolitik prägen?
© Daniel SLIM / AFP

 

Das Amt – und sein blinder Fleck im Nahen Osten

Noch interessanter ist die Lücke in der Arbeit der Historiker – Kommission, die Fischer einsetzte, um die Rolle der einzelnen Beamten des Außenamts während der Nazizeit zu beleuchten. Wir erinnern uns: Marga Henseler, ehemalige Übersetzerin im Auswärtigen Amt, hatte in der Zeitschrift des Amtes "Intern AA" einen Nachruf auf den Diplomaten Franz Nüßlein entdeckt, in dem seine Rolle in der NS- Zeit verschwiegen wurde. Henseler schrieb im Mai 2003 einen Brief an den damaligen Minister Fischer. Das Schreiben wurde ihm im Amt nicht weitergereicht. Erst als sie das Bundeskanzleramt informierte und Gerhard Schröder seinen Vize auf den Fall aufmerksam machte, landete der Brief beim Adressaten. Gegen den erbitterten Widerstand vieler Alt- Diplomaten verfügte Fischer kategorisch eine Nachrufsperre für jeden Diplomaten, der vor 1928 geboren war und ließ eine Historikerkommission die Biografien aufarbeiten. Allerdings geriet das knapp 900 Seiten starke Opus selbst in die Kritik, weil es aus jedem Mitläufer einen Verbrecher machte. Unter Westerwelle waren später einzelne biografische Ehrungen wieder möglich, sofern es für die Anfänge der jeweiligen Karrieren keine klar bewiesene Schuld gab. Doch auch das gewichtige Buch:“ Das Amt und die Vergangenheit“ das nach der 5-jährigen Recherchearbeit 2010 erschienen war, ist nicht nur ein Holzschnitt, zu dem einzelne Korrekturen nötig wurden, sondern enthält auch eine auffallende Lücke, auf die Ulrich Sahm 2017 anlässlich seiner Besprechung der Arbeit des israelischen Historikers Edy Cohen hingewiesen hat: Man erfährt in dem Wälzer nichts über die Zusammenarbeit der Nazis mit dem Mufti von Jerusalem und von der palästinensischen Traditionslinie vom Mufti über Arafat bis hin zu Mahmoud Abbas.

 

Wie ein arabisch- jüdischer Israeli deutsche Vergangenheit aufarbeitet

Edy Cohen wurde 1972 in Beirut geboren. Er floh 1990 nach der Ermordung seines Vaters aus dem Libanon nach Frankreich, um dem eliminatorischen Judenhass der Hisbollah-Miliz zu entkommen. Seine Muttersprache ist arabisch. Cohen untersuchte historische Dokumente und aktuelle arabische Veröffentlichungen, die vor ihm kein israelischer oder europäischer Wissenschaftler anrührte und so deckte er schonungslos auf, was die deutsche Politik gerne verdrängt. Cohen übersetzte die Bücher von Präsident Abbas auszugsweise ins Hebräische, insbesondere dessen in Moskau verfasste Doktorarbeit. In seiner Doktorarbeit leugnet Abbas den Holocaust und behauptet, dass „bestenfalls“ zwei Millionen Juden von den Nazis umgebracht worden seien. Gaskammern habe es in Auschwitz nicht gegeben. In einem weiteren Buch schrieb Abbas über die geheime „Kooperation der Juden mit den Nazis“. Dass Juden an den Verfolgungen und ihrem Tod selber schuld seien, ist Teil des palästinensischen Narrativ, wenn sie ihre mörderischen Terroranschläge gegen Israelis/Zionisten rechtfertigen.

Amin el-Husseini, Spross einer angesehenen Familie Palästinas, wurde vom britischen Gouverneur Herbert Samuel zum Großmufti von Jerusalem ernannt. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs provozierte Husseini schwere Pogrome gegen Juden in Jerusalem und anderswo. Nach 3.000 Jahren ununterbrochener Präsenz vertrieb er die Juden 1929 aus Hebron, während die Engländer wegschauten. Im Jahr 1939 floh Husseini in den Irak. Dort löste er im Juni 1941 den Farhud aus, das große Pogrom gegen Juden. Das war der Anfang vom Ende der jüdischen Präsenz im Irak seit dem babylonischen Exil. Nach einem gescheiterten Umsturzversuch gegen die Briten setzte sich der Mufti über Griechenland nach Berlin ab. Nur drei Wochen nach seiner Ankunft am 5. November 1941 empfing ihn Adolf Hitler. Die Nazis beauftragten ihn mit Propagandasendungen auf Arabisch, stellten ihm ein Büro mit vielen Mitarbeitern und einem Gehalt in Höhe Zehntausender Dollar zur Verfügung, bezahlt vom Auswärtigen Amt. Seine rechte Hand war Hassan Salameh, Vater von Ali Salameh, der 1972 am Massaker an israelischen Athleten bei den olympischen Spielen in München beteiligt war. Mit „Radio Berlin auf Arabisch“ wurde die Nazi-Ideologie des Judenmordes in die arabische Welt getragen. Gleichzeitig wurde gegen Engländer und Franzosen gehetzt. In seinen Memoiren behauptete der Mufti, nationalistische Ziele verfolgt zu haben. Er habe nur die „Nationale Heimstätte“ für Juden in Palästina verhindern wollen. Doch tatsächlich, so Edy Cohen, habe der Mufti unermüdlich an der Vernichtung der Juden in Palästina und in den arabischen Ländern gearbeitet. Immer wieder rief er per Rundfunk die Araber auf: „Tötet die Juden an jedem Ort, wo ihr sie findet.“ Viele Juden in der arabischen Welt haben damals die Sendungen mitgeschrieben und die Aufzeichnungen bewahrt.

 

Besuch in Auschwitz

Am 2. November 1943, dem Jahrestag der britischen Balfour-Deklaration, hetzte er in Berlin selbst vor Tausenden muslimischen Immigranten: „Der Jude ist ein egoistisches Wesen … Die Deutschen wissen, wie man sich der Juden entledigt … Sie begannen mit der Endlösung des Judenproblems.“ Die Wortwahl war kein Zufall. Der Mufti wusste schon seit Sommer 1943 von der geplanten „Endlösung“. Husseini besuchte zusammen mit Heinrich Himmler das Vernichtungslager Auschwitz in Polen.

Das bekannteste Arabisch- Wörterbuch hatte auch seinen Ursprung in Hitlers Expansionspropaganda. Als man Ende 1938 im Auswärtigen Amt – im Zusammenhang mit einer Übertragung von Hitlers Mein Kampf ins Arabische – ein Arabisch-Deutsches Wörterbuch der Gegenwartssprache herausbringen wollte, bekam der Arabist Hans Wehr den Auftrag und er versuchte damals, weil es nicht „genug arische Arabisten“ gab, auch die deutsch-jüdische Forscherin Hedwig Klein für diese Arbeit zu engagieren, nachdem ihr Doktorvater, ihr alter Professor Arthur Schaade, für die unerhört begabte junge Frau geworben hatte, um sie vor der Deportation zu bewahren. Wehrs Wörterbuch erschien dann 1952. Er dankt im Vorwort auch dem Fräulein H. Klein. Über ihre Deportation und Ermordung in Auschwitz liest man nichts.

Das Amt und seine Vergangenheit im Nahen Osten ist bis heute noch nicht im Bewusstsein der deutschen Politik präsent. Wenn die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock jetzt wieder an die Rolle des deutschen Außenamtes in der Nazizeit erinnert, so sollte auch diese Lücke in der Aufarbeitung endlich geschlossen werden.

Helfen könnte dabei ein alter Bekannter Fischers, der Spitzendiplomat Andreas Michaelis, den Ministerin Baerbock sich jetzt extra zurück aus London geholt hat. Michaelis kennt Israel seit 1992, er war schon zur Amtszeit Fischers bekannt für seine Umsicht, Klugheit und Integrität und seinen klaren Kompass im Konfliktfall Nahost und dann ab 2011 Botschafter Deutschlands in Israel. Michaelis ist jetzt also seit dem 3. Januar 2022 wieder Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. Die andere ist Susanne Baumann. Seit Jahren bekannt für ihren Einsatz für Rüstungskontrolle. Die beiden beamteten Staatssekretäre stehen traditionell an der Spitze der Diplomatenhierarchie direkt unter dem jeweiligen Minister. Ein Bonmot sagt jedoch, dass es ziemlich egal sei, wer unter den Staatssekretären aktuell Minister ist. Es wird interessant sein, das weiter zu beobachten.

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