„Medal of Honor“ für den KZ-Überlebenden Tibor Rubin

55 Jahre musste Tibor Rubin auf seine Ehrung für seinen heldenhaften Einsatz im Koreakrieg warten. Sein Leben stand ganz im Zeichen des Dienstes an seinen Mitmenschen.

Tibor Rubin mit US Präsident George W. Bush (rechts) bei einer Schweigeminute während der Verleihung der „Medal of Honor“ am 23. September 2005 im Weißen Haus. 
© Mark Wilson / Getty Images North America / Getty Images via AFP

Von Miriam Sofin

„Als ich nach Amerika kam war ich zum ersten Mal wirklich frei. Das ist der Grund, warum ich zur Armee ging. Ich wollte damit meine Wertschätzung zum Ausdruck bringen.“

Tibor Rubin

 

Tibor „Teddy“ Rubin ist vielleicht der ungewöhnlichste Empfänger der „Medal of Honor“, der höchsten militärischen Auszeichnung der amerikanischen Regierung, den es je gegeben hat. Geboren wurde er in einer kleinen Stadt in Ungarn als Sohn einer jüdischen Familie. Im Alter von nur dreizehn Jahren wurde er beim Versuch seiner Eltern, ihn in die sichere Schweiz zu schleusen, von den Nazis aufgegriffen und in das Konzentrationslager Mauthausen in Österreich verschleppt. Dieses war für seine besonders harte Zwangsarbeit bekannt und vernichtete insgesamt mehr als 120.000 Menschenleben - hauptsächlich jüdische…

Vierzehn Monate lang schaffte es der junge Tibor Rubin irgendwie zu überleben, bis Mauthausen schließlich am 5. Mai 1945 von Soldaten der US-amerikanischen Armee befreit wurde. Sie trafen dort auf hunderte Leichen und rund 18.000 halb verhungerte KZ-Überlebende. Tibor Rubin war einer von ihnen.

Einige Zeit später, im Jahr 1947, bestieg Tibor Rubin, mittlerweile ein junger Mann, ein Schiff nach New York City. Am Hafen New Yorks angekommen, öffnete er – vom Anblick der hohen Gebäude gänzlich überwältigt - spontan seinen Koffer und warf seine aus Armeedecken genähte Kleidung ins Meer. Denn mit diesen wollte er sich in dem schönen Land, das da vor ihm lag, nicht blicken lassen. So schilderte er es viele Jahre später einmal emotional in einem Interview.

 

Erfolg trotz sprachlicher Hindernisse und Sabotage

Rubin war gewillt der Nation, die ihm einst das Leben gerettet und die er genau aus diesem Grund als seine neue Heimat auserkoren hatte, zu danken. Er war deshalb fest entschlossen, sich der US-Armee anzuschließen. Es gelang ihm sogar, exakt der Teilstreitkraft beizutreten, die einst Mauthausen befreit hatte. Allerdings gab es zunächst Anlaufschwierigkeiten: Da Rubin bei seiner Ankunft in Amerika noch so gut wie kein Englisch sprach, fiel er zweimal beim Aufnahmetest durch. Er zog daraufhin von New York nach Kalifornien, wo er auf einen sympathischen Militärrekrutierer traf, der ihm beim Erlernen der neuen Sprache und dem Aufnahmetest behilflich war. Und siehe da, endlich klappte es und Tibor Rubin wurde offiziell Soldat der US-Armee. Ursprünglich wollte er dort zunächst das Metzgerhandwerk erlernen, doch dann kam alles ganz anders und er wurde unmittelbar an der Waffe ausgebildet und zeitnah in den Koreakrieg entsandt.

Rubins Weg zur Ehrenmedaille war dann steinig und gepflastert von Komplikationen und Sabotage. Bevor er die Auszeichnung letztendlich erhielt, wurde er zweimal für sie vorgeschlagen und beide Male offenkundig übergangen. Einmal für seine herausragende Leistung bei der Schlacht um den Busan-Perimeter im Sommer 1950. Und ein zweites Mal dafür, zwei Nordkoreanische Kompanien zur Kapitulation gebracht zu haben. Beide Male hatte der für Rubin zuständige Sergeant – Erzählungen nach ein eingefleischter Antisemit – es versäumt, die für die Ehrung notwendigen Papiere auszufüllen und einzureichen. Rubins Anteil am Sieg in der Schlacht um den Busan-Perimeter sollte später dennoch als einer von drei Gründen für seine Auszeichnung genannt werden.

 

Viele heldenhafte Einsätze

Der erwähnte Sergeant, Arthur Peyton, hatte ihm damals angeordnet, einige Meilen hinter den restlichen Streitkräften zurückzubleiben, während diese ihre Position wechselten. Rubin war angewiesen, ein großes Waffenlager zu bewachen, das aus Maschinenpistolen mitsamt Munition, Karabinerclips, Mörser- und Handgranaten bestand. Obwohl für gewöhnlich mehrere Soldaten für diese Aufgabe vorgesehen waren, blieb die versprochene Verstärkung aus und so musste sich Rubin eines Nachts völlig allein mehreren nordkoreanischen Soldaten entgegenstellen und verhindern, dass ihnen das Waffenarsenal in die Hände fällt. Und tatsächlich: Es gelang ihm im Alleingang, die feindlichen Streitkräfte in die Flucht zu schlagen. 

 

„Ich dachte, das sei ein hoffnungsloser Fall. Aber ich rannte wie ein Wilder von einem Schützenloch zum nächsten und warf dabei unentwegt mit Granaten um mich, sodass die Nordkoreaner dachten, sie würden gegen mehr, als nur eine Person kämpfen. Dabei war ich ganz allein.“ 

– Tibor Rubin

 

Der zweite Coup, für den Rubin geehrt werden sollte, gelang ihm im Herbst 1950. Während dem Kampf um die Stadt Unsan wurde Rubins Einheit von chinesischen Streitkräften angegriffen, die den Nordkoreanern im Krieg zur Hilfe geeilt waren. Rubin sah sich zwei Aufgaben gegenübergestellt: Zum einen, die Chinesen abzuwehren und zum anderen, das Hauptquartier seines Bataillons vor den Nordkoreanern zu verteidigen. Rubin tat dies über mehrere Stunden, bis schließlich eine Granate sein Maschinengewehr beschädigte und ihn schwer verwundete, was ihn dazu zwang, die Flucht zu ergreifen. Am Ende der Schlacht um Unsan gelang es lediglich 200 Soldaten seiner Einheit in ihr Hauptquartier zurückzukehren, doch Rubin war nicht darunter. Er wurde von den Chinesen gefangen genommen und in ein Kriegsgefangenenlager deportiert. Die heldenhaften Taten, die er dort verbrachte, werden später den dritten Grund für seine Auszeichnung mit der "Medal of Honor" liefern. 

Zum Zeitpunkt seiner Gefangenschaft war Rubin an Hand, Bein und Brust verletzt. Die Chinesen versorgten seine Wunden und baten ihm an, ihn an sein Heimatland Ungarn auszuliefern, welches damals hinter dem sog. Eisernen Vorgang lag, was Rubin jedoch ablehnte. Stattdessen schlich er sich des Nachts aus dem Gefangenenlager, um Essen für seine Kameraden zu sammeln. Er brach sogar in die Vorratskammern feindlicher Truppen ein, im Wissen, dass ihm, sollte man ihn dabei erwischen, der sichere Tod drohte. Über Wochen hinweg versorgte er dadurch heimlich seine Mitgefangenen und rettete 35 bis 40 Soldaten das Leben.

 

Späte Ehrung

Derselbe Antisemitismus, den Rubin bereits während des Koreakriegs durch seinen Sargeant erleben musste, führte höchstwahrscheinlich auch dazu, dass seine Nominierung für die "Medal of Honor" über Jahre hinweg beiseitegeschoben wurde. 1993 leitete das US-Militär schließlich eine Studie in die Wege, welche Fälle von Diskriminierung untersuchen sollte, die sich womöglich negativ auf militärische Auszeichnungen ausgeübt haben könnten. Erst im Jahr 2001 und nachdem der Kongress konkrete Untersuchungen im Fall Tibor Rubin in Auftrag gegeben hatte, kamen Rubins überragende militärische Leistungen ans Licht der Öffentlichkeit. Vier weitere Jahre mussten vergehen, bis schließlich am 23. September 2005 der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, George W. Bush, Tibor Rubin in einer Zeremonie im Weißen Haus die Ehrenmedaille verlieh. 

 

„Er rettete hunderten Soldaten das Leben. In der Hitze des Gefechts inspirierte er seine Kameraden mit seiner Furchtlosigkeit. Und inmitten der Unmenschlichkeit des chinesischen Kriegsgefangenenlagers gab er ihnen Hoffnung. Einige von ihnen sind heute Abend hier und sie haben nie vergessen, was sie diesem Mann zu verdanken haben. Tibor Rubin heute die Ehrenmedaille zu überreichen, soll zum Ausdruck bringen, dass auch die Vereinigten Staaten von Amerika es nicht vergessen haben."

– George W. Bush

 

Tibor Rubin verbrachte den Rest seines Lebens in Garden Grove in Kalifornien und arbeitete im Spirituosengeschäft seines Bruders. Außerdem war er zeitlebens als ehrenamtlicher Helfer im Veteranen-Krankenhaus von Long Beach aktiv, wo er eine Auszeichnung für 20.000 vollbrachte Stunden gemeinnütziger Arbeit erhielt. Im Jahr 2017 wurde besagtes Krankenhaus dann sogar nach ihm benannt. 

Er starb am 5. Dezember 2015 in seinem Haus in Kalifornien im Kreise seiner Familie – in dem Land, dem er sein gesamtes Leben verschrieben hatte.

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