Berliner Senat startet Antisemitismus Kampagne: Ob die Botschaften auch an die muslimischen Judenhasser gerichtet sind?

Die Berliner Innensenatsverwaltung hat Plakate gegen Antisemitismus vorgestellt. Die Kampagne arbeitet vielfach mit höchst problematischen Akteuren. Ihre Nähe zur BDS-Szene erschüttert zwar ihre Glaubwürdigkeit, scheint aber nicht wirklich zu besorgen.

Berliner Antisemitismuskampagne soll auch in alltäglichen Situationen sensibilisieren.


Von Paul Möllers

„Hinsehen, Erkennen und Handeln“  – so lautet das Motto einer Plakatkampagne gegen Antisemitismus der Senatsinnenverwaltung. Vorgestellt wurde zunächst die Kampagne „Das ist Antisemitismus“, mit der nicht Betroffene, sondern Zeugen angesprochen werden sollen. Die Ziele sind Sensibilisierung und Dunkelfelderhellung.

„Die Kampagne ruft anhand von vier vermeintlich alltäglichen Szenen dazu auf, auf Antisemitismus in jeder Form zu achten und Vorfälle zu melden“, heißt es in der Pressemitteilung und schon die Formulierung wirft Fragen auf: Was ist gemeint mit „vermeintlich alltäglichen Szenen“? Die vier Plakatmotive zeigen verschiedene Situationen: Einen älteren Mann, lachend beim Kartenspiel, einen bärtigen Rapper vor einem Mikrofon und einen Lehrer vor Schülern. Dazu liest man „Das ist Antisemitismus. Und kein Witz.“ und „Das ist Antisemitismus. Und kein Reim“. Im Filmclip zum Motiv mit der Unterrichtsszene liest man „Das ist Antisemitismus. Und keine These.“. Eine kleine Nachlässigkeit nur, aber hinweisend auf die insgesamt etwas verunglückte Konzeption der Kampagne. Dazu kommt die denkbar ungünstige Wahl an Partnern, die zu Prävention und Beratung eher ungeeignet scheinen. Davon später mehr.

Ein viertes Motiv zeigt in Nahaufnahme zwei Jungen beim Sport mit der Überschrift „Das ist kein Streit. Das ist Antisemitismus.“ Antisemitische Gewalt zu erkennen und anzuzeigen, dürfte auch für bislang nicht Sensibilisierte möglich sein, antisemitische Aussagen jedoch, oder Thesen, die Schülern u.U. im Unterricht präsentiert werden, hieb- und stichfest zu identifizieren, dürfte etwas schwieriger sein, wie die Diskussion etwa um die IHRA-Definition zeigt, der Arbeitsdefinition der „International Holocaust Remembrance Alliance“, oder die Diskussion um den BDS-Beschluss des Bundestages. Die Plakate versprechen immerhin vollmundig: „Antisemitismus hat viele Formen. Alle können erkannt werden!“

Antisemitische Übergriffe an Schulen

Und wie ist die Aufforderung, Vorfälle zu melden, zu verstehen? Die Jüdische Allgemeine zitiert den Antisemitismusbeauftragten der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg, der beklagt, dass viele Vorfälle nicht gemeldet würden. Er hat in seiner Funktion schon mit gravierenden Fällen von Antisemitismus an Berliner Schulen zu tun gehabt, konnte, wenn er dann von Lehrern, Eltern oder Schulleitung, was nicht immer selbstverständlich ist, mit einbezogen wurde, praktisch intervenieren und helfen, auch weiter sensibilisieren für dieses drängende Thema. Er lenkte auch den Fokus auf die Lehrerausbildung, die die Prävention von Antisemitismus noch vernachlässigt, oftmals auch ein Bewusstsein für das Problem vermissen lässt. Königsberg sagte auch, Antisemitismus fange nicht erst an, wenn es strafrechtlich relevant werde. Antisemitische Witze in der Kneipe oder im Sportverein zu erkennen, fällt unter Umständen schon schwerer, wie die Debatte etwa um die Kabarettistin Lisa Eckhart zeigt. Und würde man sie dann bei einer Behörde oder Meldestelle melden? Von einem „solidarischen Informationsverhalten zum Erfassen und Beobachten aller Formen von Antisemitismus“ ist die Rede. Eine Diskussion dürften die Plakatmotive aber in jedem Fall anstoßen.

„Expertinnen und Experten aus der Zivilgesellschaft“ und problematische Beratungsstellen

Die von der Landeskommission Berlin gegen Gewalt angegebenen Beratungsstellen offenbaren dann allerdings ein strukturelles Problem, das sich leider nicht nur auf Berlin beschränkt: Man hat „Expertinnen und Experten“ aus „der Zivilgesellschaft“ zu Rate gezogen, auch „einen Fachbeirat aus der jüdischen Community“, Sigmount Königsberg gehört dazu, um dann ausgerechnet problematische Vereine miteinzubeziehen wie „ReachOut“ und „OPRA“. „OPRA - Psychologische Beratung für Opfer von antimuslimischem Rassismus, rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt“ und „ReachOut“ mit ähnlicher Selbstbeschreibung werden von Sanchita und Biplab Basu geleitet. Sanchita Basu ist Geschäftsführerin des Trägervereins der beiden Projekte und gründete den Migrationsrat Berlin mit. Biplab Basu berät wie sie bei „ReachOut“ und gründete die „Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt“ (KOP). Viele der Mitarbeiter von „ReachOut“ sind bei KOP aktiv. Außerdem gründete Biplab Basu das Bündnis „Death in Custody. Aufklärung der Todesumstände in Gewahrsamssituationen jetzt!“, bestehend aus u.a. der „Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland“ (ISD), „ReachOut“, EOTO e.V. und KOP.

Diffamierende Slogans

Die genannten Akteure und Organisationen sind bereits bekannt. So kommt es z.B. dazu, dass auf von Tahir Della (ISD) mit organisierten Demos eine Hamas-nahe Gruppe wie die PGD mitmarschiert oder eine „Aktivistin“ wie Fereshta Ludin bei „Unteilbar“. Sie verlor übrigens den Prozess, den sie angestrengt hatte, weil sie jemand eine Islamistin genannt hatte (die Jüdische Rundschau berichtete über den Anlass 2019). Der o.g. Migrationsrat Berlin wirbt mit Ludin. Antirassismus dient u.a. als Deckmantel, um z.B. für die Israel-Boykott-Bewegung BDS tätige Anwälte wie Nadija Samour und Ahmed Abed zu KOP einzuladen, Thema: „racial profiling“ der angeblich rassistischen Polizei. Samour war auch die Anwältin von Rasmea Odeh, deren geplanter Auftritt in Berlin schließlich jedoch abgesagt wurde. Ein Biplab Basu kommentiert auch bei der verwandten Initiative „Palästina spricht“ und teilt auf Twitter Beiträge über den „demografischen Krieg Israels gegen Palästina“ oder den „Amoklauf der israelischen Regierungsmaschinerie“.

Man fragt sich dabei, wie das alles mit der IHRA-Definition zusammengehen kann, die sich auch auf der Seite des Antisemitismusbeauftragten der Polizei zur Orientierung findet. Basu zeigt ebenfalls „Haltung“, wenn es etwa um den Polizeieinsatz in der Kölner Silvesternacht 2016 geht: „Das war purer Rassismus“, „Die Polizei lügt“. „Belltower News“, die journalistische Plattform der Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS), präsentierte die Kampagnen von KOP und „Death in Custody“ unkritisch. Mit „Migrantifa Berlin“ veranstaltete KOP/„Death in Custody“ Podiumsdiskussionen zu „Flucht“ und „rassistische Polizeigewalt“. „Migrantifa Berlin“ wurde von der Amadeu-Antonio-Stiftung verlinkt, rief auch schon für „Palästina spricht“ und „Samidoun“ auf, einer der PFLP nahestehenden „Palästinenserbefreiungsorganisation“. Ein weiteres Thema von Biplab Basus KOP ist „das Konstrukt der ‚Clankriminalität‘“, dazu sprechen o.g. Ahmed Abed und dessen Verbündeter Mohammed Chahrour. Vanessa E. Thompson, Rassismusforscherin und verbunden mit KOP und dem „Center for Intersectional Justice“, über das die JR ebenfalls schon berichtete, nahm auch schon teil an Israel-Boykott-Demonstrationen; sie zitierte Biplab Basu und seine Kampagne mehrfach in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung.

Die Basus sind nun mit ihren Beratungsstellen nicht nur aufgeführt bei der Dunkelfeldkampagne Antisemitismus, sondern auch bei der Kampagne gegen „antimuslimischen Rassismus“ - die sich unverzüglich anschloss an die Kampagne gegen Antisemitismus. Und hier hat die Senatsinnenverwaltung wohl kaum zufällig einen Partner wie „CLAIM-Allianz gegen Muslimfeindlichkeit“ gewählt. Denn bei „CLAIM“ handelt es sich um ein Bündnis, dass personelle Bezüge zu Akteuren des politischen Islam hat. Am prominentesten ist dabei wohl Farid Hafez, der für die Meldestelle von „CLAIM“, „I-Report“, eine Arbeitsdefinition des „antimuslimischen Rassismus“ beitrug. Er denunziert regelmäßig Forscher und Kritiker als „islamophob“, auch Susanne Schröter oder Seyran Ates sind betroffen, und verglich die Durchsuchungen bei österreichischen Akteuren mit mutmaßlicher Verbindung zur Muslimbruderschaft, er war Teil der Ermittlungen, mit der „Kristallnacht“.

Sollte das der Senatsinnenverwaltung wirklich unbekannt sein? Oder ist es die „starke Antirassismusfraktion“, die mitbestimmt, und von der auch Anetta Kahane, wenn auch nicht öffentlich, in ihrer Stiftung spricht?

„Yallah! Antimuslimischem Rassismus entgegentreten“ - Transaidency e.V.

Die Kampagne besteht ebenfalls aus vier Plakaten, Überschriften lauten: „Nach dem Freitagsgebet. Direkt bedroht. Jetzt Solidarität zeigen“ oder „Zum ersten Mal im Hörsaal. Jemand zieht am Kopftuch. Da gibt es was zu hören.“ Ein Motiv bringt Berliner Lokalkolorit hinein: „Samstag Abend im Späti. Ein Muslim wird angeschrien. Jetzt mutig widersprechen.“

Die angegebene Meldestelle ist „REDAR“, ein Projekt von Transaidency e. V.. Es arbeitet ebenfalls „rassismuskritisch“, es ist also von „Macht“, „Privilegien“ und dem „Anderen“ die Rede, der Rassismusbegriff ist mehr als unscharf zu nennen. Rassismus „versteckt sich unbewusst und unsichtbar in unser aller Handeln und Sprechen“. Fragen wie „Wo kommst du EIGENTLICH her?“ oder „Du machst Ramadan? Ist das nicht ungesund, den ganzen Tag nichts zu essen?“ sollen den „strukturellen AMR“ illustrieren. „Struktureller AMR“ sei auch, „aufgrund eines Kopftuches nicht in bestimmten Bereichen arbeiten [zu] dürfen“ - das ist auch zu lesen als eine Kritik am Berliner Neutralitätsgesetz. „REDAR“ verweist ebenfalls auf die problematischen Beratungsstellen „ReachOut“ und „ADAS“.

Natürlich gibt es auch rassistische Übergriffe auf Muslime, das ist keine Frage – nur ob da Erklämuster wie die von „REDAR“ weiterhelfen?

„Antimuslimischer Rassismus hat in Folge des 11. Septembers stark zugenommen. Durch die Thematisierung der Ereignisse in Medien wurden islamfeindliche Einstellungen in der Gesellschaft geschürt.“

Die Kampagne der Innensenatorin und der Kommission Berlin gegen Gewalt überzeugt insgesamt mit ihrer Konzeption und den ausgewählten Partnern nicht. Was eventuell aufgebaut wurde im Bereich Antisemitismusprävention, wird mutwillig, so scheint es, wieder eingerissen. Von einer glaubwürdigen Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus kann man unter diesen Umständen kaum sprechen.

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