Im neuen Jahr nicht mehr schweigen

Gerade jetzt, da es in den Zeiten eines linken McCarthyismus in Deutschland gesellschaftlich und beruflich zunehmend gefährlich wird, offen seine Meinung zu sagen, hat sich der Autor vorgenommen in keinem Falle stumm zu bleiben.

Das Leben ist zu kurz, um sich den Mund verbieten zu lassen.© Patrick T. Fallon / AFP

Von Chaim Noll

Wieder ist es überall in Deutschland zu Demonstrationen gegen die Politik der Regierung gekommen. Widerwillig berichten die offiziellen Medien von Kundgebungen bundesweit, in Ost und West, Nord und Süd: in Bautzen und Schweinfurt, Rostock und Freiburg, in Halle, Saarbrücken, Halberstadt und Braunschweig, in Wittenberg, Trier, Bitterfeld, Ravensburg, Kaiserslautern, Idar-Oberstein, Dresden, Fulda, Koblenz oder Leipzig – man kann sagen: kreuz und quer durchs Land.

Die „Bild“-Zeitung verbreitet die offiziellen Zahlen der deutschen Polizei, danach wären es „Zehntausende“, die auf die Straße gingen. Leider kann man den Zahlen deutscher Polizei-Direktionen nicht mehr trauen (wenn man zum Beispiel an die Taschenspielertricks in den Jahresberichten des Bundeskriminalamts zum Herunterspielen des islamischen Judenhasses denkt), es können also auch Hunderttausende sein und Millionen Sympathisanten. Und die Protest-Szene erstreckt sich – trotz aller Versuche, die Demonstranten als „Rechtsradikale“, „Querdenker“ und Abartige abzutun – wiederum quer durch alle Gesellschaftsklassen und Altersstufen.

Auch der Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken seitens der Polizei deutet auf eine gewisse Nervosität der Regierenden hin. Die Gesellschaft sei nicht gespalten, behauptet der neue Bundeskanzler. Doch die Gereiztheit, die Pejorative der Medien, der zunehmende Hass zwischen „Geimpften“ und „Ungeimpften“ sprechen eine andere Sprache. Es geht längst nicht mehr um die Impfung als solche. Es geht um das Recht des Einzelnen, sich einer behördlich empfohlenen Maßnahme zu entziehen. Um den Versuch des Staates, diese Maßnahme von der Empfehlung zur Verordnung zu erheben, schließlich zum Gesetz, dessen Nichtbefolgung für strafbar erklärt wird. Es geht um das Recht des Staates, diese Maßnahme gegebenenfalls mit Zwang durchzusetzen. Und es geht um das Recht jedes Einzelnen, solchem Ansinnen Widerstand entgegenzusetzen.

 

Traumbild eines unerschütterlich erfolgreichen Deutschlands

Olaf Scholz hat von seiner Vorgängerin das Vertuschen von Problemen gelernt, er spricht wie sie mit wispernder, verwischter Stimme und leugnet, was offensichtlich ist – ein sicheres Rezept für einen Kurs in den Niedergang. Angela Merkel hat sechzehn Jahre lang die sich auftürmenden Probleme Deutschlands kleingeredet und mit Durchhalte-Parolen aus ihrer FDJ-Karriere („Wir schaffen das!“) beschönigt. Ihre Getreuen in „Spiegel“, „stern“, „Süddeutsche“ etc. beschwören weiterhin das Traumbild eines unerschütterlich erfolgreichen Deutschlands: Das lichtarme Land sei für die nächsten Jahrhunderte durch Sonnenkollektoren und Windräder mit Energie versorgt, noch in 20 und 50 Jahren würden die Chinesen nicht ihre eigenen, sondern deutsche Autos kaufen, „die Wirtschaft brummt“, wir haben alles Geld der Welt, unser Ruf im staunenden Ausland ist legendär.

„Die Bundesfinanzen befinden sich in einer kritischen Situation“, teilte in seinem letzten Bericht (im November 2021) der Bundesrechnungshof dem Bundestag mit. Es bedürfe „eines ehrlichen Kassensturzes, wirksamer Strukturreformen und einer entschlossenen Prioritätensetzung“, um, wie es im Bericht warnend heißt, „die nachfolgenden Generationen vor einer überbordenden Schuldenlast zu bewahren“. Konkret empfehle der Rechnungshof der neuen Regierung, schreibt die Hamburger Wochenzeitung „Zeit“, „eine mutige Ausgabenkritik mit dem Ziel der Konzentration auf die drängendsten, dem Bund vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgaben“. Was ist gemeint? Die unerbittliche Umstellung eines einst technologisch führenden Landes auf Windräder? Der mit Milliarden finanzierte, die Bevölkerung spaltende „Kampf gegen Rechts“? Die Erhöhung der Zahlungen an korrupte Regimes oder an das Hamas-kontrollierte „Hilfswerk“ UNRWA?

Die neue deutsche Regierung hat große Ambitionen. Weltweit. Bei der Verteilung der Gelder geht es weniger logisch zu als ideologisch. Wahrscheinlich wird gerade das nicht getan, was der Bundesrechnungshof so dringend empfiehlt. Wo die Kompetenz fehlt oder einfach der gesunde Menschenverstand, blühen die ehrgeizigen Träume. Dieser Politiker-Generation geht es um Höheres: Deutschland soll es wieder einmal allen übrigen Völkern vormachen, wieder einmal der Welt Vorbild sein. Es ist peinlich und erinnert an frühere Pleiten. Man möchte wegsehen und schweigen. In der Stille, erklärt Rabbi Jehuda im Talmud-Traktat Megilla, liege „die allerbeste Medizin“. Und Rabbi Shimeon, Gamliels Sohn, erinnert sich: „Alle meine Tage bin ich unter den Weisen aufgewachsen, und habe nichts Besseres für einen Menschen gefunden als Schweigen“.

 

Macht deformiert den Verstand

Auch mir ist in diesen Tag danach. Die Demokratie wird demontiert, immer noch unter einigem Lärm. Und obwohl dieser Lärm eigentlich ein gutes Zeichen ist, denn er kündet von Kämpfen und letztem Widerstand, überkommen mich Unlust und Resignation. Zu viele Menschen machen mit oder nehmen es hin. In frecher Verdrehung der Tatsachen berufen sich die von Minderheiten gewählten Politiker auf eine Mehrheit, die ihr Treiben billige. Macht deformiert den Verstand, und die erfolgreiche Entmündigung der Bevölkerung anlässlich der Corona-Viren treibt auch scheinbar vernünftige Leute in den Wahnsinn. „Beugehaft“ fordert der grüne Bürgermeister von Tübingen für „Impfgegner“. Eine Bundestagsabgeordnete derselben Partei, einst unter dem Banner der Bürgerrechte angetreten, hetzt die Polizei dazu auf, gegen ihre demonstrierenden Landsleute „Schlagstöcke“ einzusetzen. Der YouTube-Kanal der Achse des Guten wurde gesperrt, unter einem dürftigen Vorwand – einerseits ein Kompliment, andererseits ein dreister Eingriff in die vom Grundgesetz garantierte Freiheit der Meinung.

Es ist wahr: Gerade jetzt wird es gefährlich, in Deutschland offen seine Meinung zu sagen. Gerade jetzt kann man sich um Kopf und Kragen reden. Deshalb nehme ich mir für das kommende Jahr nichts Hochmoralisches vor, nicht die Lösung der dringenden Probleme der Menschheit, die Befreiung der Unterdrückten, die Rettung des Klimas oder auch nur der vom Menschen bedrohten Schmetterlingsarten. Nichts dergleichen. Ich habe mir nur eins vorgenommen: nicht zu schweigen. Und rufe alle, die noch eine eigene Meinung haben, dazu auf. Wie groß auch die Versuchung angesichts des ringsum triumphierenden Wahnsinns sein mag. Zu manchen Zeiten, wahrscheinlich sehr oft, ist Schweigen eine gute Lösung. Zu anderen Zeiten ist es nichts als Feigheit.

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