Ein weiterer arabischer Staat ist keine Option: Die Antrittsrede des neuen israelischen Ministerpräsidenten Bennett vor der UNO

Entgegen allen politischen Befürchtungen und entgegen allen Hoffnungen der islam-affinen UN setzte die Rede Naftali Bennetts ein Zeichen der Kontinuität bezüglich der Außenpolitik Benjamin Netanjahus.

Ministerpräsident Bennett klammerte das Thema „Palästinenser” in seiner Rede vor der UNO komplett aus.
© John Minchillo / POOL / AFP

Von Peter Lukimson

Nie zuvor hat die Rede des israelischen Ministerpräsidenten innerhalb Israels eine so heftige Debatte ausgelöst, und gleichzeitig eine fast völlige Interessenlosigkeit der internationalen Gemeinschaft hervorgerufen, wie die erste (und womöglich letzte) Rede von Naftali Bennett vor der UNO-Generalversammlung (die Rede wurde am 27. September 2021 gehalten, - Anm. d. Übers). Laut Yair Lapid, Yoaz Hendel, Idit Salman und anderen Vertretern der Koalition war es die vielleicht herausragendste Rede eines israelischen Führers in der gesamten Geschichte des Staates. Vertreter der Opposition nannten sie „eine leere Rede in einem halbleeren Saal, bestehend aus leeren Worten und leeren Gedanken“. Eigentlich, so behaupten die Likud-Abgeordneten Miri Regev und Miki Zohar, habe Bennett beschlossen, seine Mitbürger noch einmal von der Legitimität seiner Regierung zu überzeugen, aber dafür sei New York nicht der richtige Ort. Glaubt man den Vertretern der israelischen medizinischen Elite, dann hat Naftali Bennett sie einfach vor der ganzen Welt blamiert und seine Inkompetenz bewiesen.

Interessant ist hierbei, dass die meisten Beobachter der israelischen Medien, einschließlich derer, die aus ihren linken und sogar linksradikalen Ansichten keinen Hehl machen, in ihrer Einschätzung von Bennetts Rede der Opposition näher standen als der Koalition. So versuchte die Kolumnistin der Zeitung „Haaretz“, Noah Landau, vergeblich mit ein paar schönen Sätzen, ihre Enttäuschung über die Rede des Premierministers zu verbergen. Bennett hat ihrer Meinung nach zwar bewiesen, dass er nicht schlechter Englisch spricht als Netanjahu, und es gab in seiner Rede weniger Anschuldigungen und Aggression als in den Reden seines Vorgängers, aber gleichzeitig sagte er nichts, was Netanjahu hätte sagen können, und verfing sich in Plattitüden. Dabei hat er die Hauptfrage, die laut Landau die Israelis und die ganze Welt beschäftigt, völlig ignoriert: Wie sich die Beziehungen Israels zu den „Palästinensern“ entwickeln werden.

Ähnlich äußerte sich der Journalist der Maariv-Zeitung, Ben Caspit: Dass Bennett kein Wort zur Palästina-Frage sagt, hält er für einen groben Fehler des Ministerpräsidenten. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Rede des Vorsitzenden der „Palästinensischen Autonomiebehörde“, Abu Mazen, zwei Tage vor seiner Rede vor den Versammlungsteilnehmern per Videokonferenz gehalten wurde, der es nicht versäumte, erneut äußerst schwerwiegende Anschuldigungen gegen Israel zu erheben (und ein Ultimatum für einen Rückzug aus den umstrittenen Gebieten innerhalb eines Jahres zu stellen, „…andernfalls drohen Konsequenten”, - Anm. d. Übers.), und Bennett hätte sie sicherlich beantworten müssen. Aber er schwieg hierzu, und Schweigen wird, wie man weiß, von der Welt normalerweise als Zeichen der Zustimmung wahrgenommen. Laut Caspit schrieb Bennett, wie seine Mitarbeiter behaupteten, seine 26-minütige Rede – wie auch sein Vorgänger – selbstständig, ohne jemanden zu konsultieren und mit der Bemühung, nicht „wie Bibi“ zu sein. Was ihm zweifelsohne gelang; aber er ähnelte weder „Bibi“ noch Benjamin, und das sind, meint Caspit, zwei verschiedene Persönlichkeiten: die erste ist ein Intrigant und Provokateur, die zweite ein herausragender Redner und Diplomat. „Nun, zumindest ist es gut, dass es dem Premier gelungen ist, den Pomp und die billigen Effekte zu vermeiden, die in Reden vor den Vereinten Nationen reichlich vorhanden waren. Es fehlte an Ausdruck und Luzidität, aber im Großen und Ganzen war es eine würdevolle, solide Rede mit vielen versteckten Anspielungen auf die Feinde Israels“, sagte Ben Caspit.

Leider gab es in Bennetts Rede, vor allem in der ersten Hälfte, vielleicht sogar zu viel Pomp. Allein der Anfang: „Israel ist ein Leuchtturm inmitten eines tosenden Meeres. Es ist die Fackel der Demokratie, des Multikulturalismus und der Innovation, deren Ziel es ist, unsere Welt zu verbessern. Israel wurde zu lange mit den Kriegen in Verbindung gebracht, die seine Nachbarn mit ihm führen. Aber diese Kriege sind keineswegs das Wesen Israels. Glauben Sie mir, kein einziger Israeli steht morgens auf und denkt darüber nach, wie sich der Konflikt mit den Nachbarn heute entwickeln würde. Israelis wollen einfach nur gut leben und eine bessere Welt für ihre Kinder aufbauen.“

Bennett wandte sich dann Israels Kampf gegen das Coronavirus und den inneren Problemen des jüdischen Staates zu. Er bemerkte, dass Länder, die von innen gespalten sind, keine Zukunft haben, und es sei ihm und seinen Koalitionsgenossen gelungen, die fünften Wahlen zu verhindern und dem Land politische Stabilität und Ruhe zurückzugeben.

„Bunteste“ Regierung in der gesamten Geschichte

„Es gibt Zeiten, in denen politische Führer das Ruder der Regierung selbst in die Hand nehmen müssen, bevor der Staat in den Abgrund stürzt. Sie müssen einer Flut von Kritik standhalten und das Land in einen sicheren Hafen führen. Vor hundert Tagen haben ich und meine Koalitionskollegen eine neue Regierung in Israel gebildet. Dies ist die ‚bunteste‘ Regierung in unserer gesamten Geschichte. Was als ‚politischer Fehler‘ begann, kann in Zukunft zum Hauptziel werden, und dieses Ziel ist die Einheit des Volkes“, sagte Bennett.

Wir werden hier nicht zitieren, mit welchen Ausdrücken eine Reihe von Beobachtern und Hunderttausende von Nutzern sozialer Netzwerke auf diese Aussage des Premiers reagiert haben. Sagen wir einfach, sie liefen darauf hinaus, dass Bennett die Realitäten, die sich heute in Israel entwickelt haben, offensichtlich nicht kennt. Aber dieser Teil der Rede des Regierungschefs richtete sich nicht an die Welt, sondern an die Israelis. Darunter auch diejenigen, die regelmäßig Demonstrationen in der Nähe seines Hauses in Ra‘anana veranstalten. Bennetts Worte, dass das israelische Modell zur Bekämpfung des Coronavirus ein Beispiel für die gesamte Welt ist, schienen vielen unangemessen – allein schon deshalb, weil Israel zu der Zeit von Bennetts Rede im September in allen wichtigen statistischen Kriterien nicht die führende, sondern eher eine Außenseiter-Rolle dieses Kampfes spielte. Auch dieser Teil der Rede richtete sich ausschließlich an Landsleute, und darin machte der Ministerpräsident einen Fehler, der für die heftigste Kritik sorgte.

„Das von uns entwickelte Modell hat drei Hauptpunkte“, sagte Bennett. „Erstens muss das Land offen bleiben. Zweitens ist es notwendig, die Impfung der Bevölkerung zu fördern und der Entwicklung der Epidemie einen Schritt voraus zu sein. Und drittens müssen Entscheidungen so schnell wie möglich getroffen und umgesetzt werden, unter Umgehung aller bürokratischen Hürden.“ Wäre unser Redner bei diesem Gedanken stehengeblieben, wäre alles in Ordnung. Aber der Premierminister erklärte: „Die Epidemie betrifft alle Aspekte der Gesellschaft, und daher sollten Entscheidungen über den Umgang mit ihr nicht von Medizinern, sondern von politischen Führern getroffen werden. Ärzte können in dieser Angelegenheit kein Monopol haben!“ Zugegeben, in diesen Worten steckt keine Revolte. In Israel wie im Rest der Welt sind es Politiker, die konkrete Entscheidungen darüber treffen, wie die Wirtschaft, das Bildungssystem, die Unterhaltungsindustrie usw. während einer Epidemie funktionieren. Dies war auch unter der vorherigen Regierung der Fall. Dennoch werden sie unter Berücksichtigung der Empfehlungen von Medizinern akzeptiert, die sie auf den neuesten wissenschaftlichen Daten und den jahrhundertealten Erfahrungen der Menschheit im Kampf gegen Epidemien aufbauen.

Aus den Worten von Bennett – gewollt oder nicht – lässt sich herauslesen, dass es ihn nicht kümmerte, was Ärzte sagen. Die Hauptsache war es offenbar, seiner eigenen politischen Linie zu folgen. Und dies vor dem Hintergrund, dass in den letzten zwei Monaten in Israel 1.300 Menschen am Coronavirus gestorben sind, was deutlich über den monatlichen Sterberaten während der vorangegangenen Epidemiewellen liegt, d. h., besonders stolz kann Israel nicht sein. Gerade die Missachtung der Expertenmeinung warfen die Oppositionsvertreter und allen voran der Ex-Chef des Gesundheitsministeriums, Juli Edelstein, Bennett vor. Und es waren diese Worte des derzeitigen Premiers, die eine Explosion der Empörung unter Ärzten und der Führung des Gesundheitsministeriums verursachten.

Ärzte sind empört

„Alle denkbaren Grenzen wurden überschritten. Wir haben so etwas noch nie von einem einzigen Premierminister gesehen oder gehört“, kommentierte Zion Hagai, Chef der Gewerkschaft der medizinischen Fachberufe, die Worte des Ministerpräsidenten. „Premierminister Bennett hat israelische Ärzte und die Führung des Gesundheitsministeriums vor aller Welt blamiert. Darüber hinaus unterstützte er unwillkürlich die Impfgegner, die das Haupthindernis im Kampf gegen die Epidemie darstellen“, sagte ein hochrangiger Beamter der Abteilung. Gesundheitsminister Nitzan Horowitz hat in dieser Angelegenheit vielleicht am Besten gesprochen: die Meinung der Ärzte sei natürlich wichtig und müsse von der politischen Führung bei Entscheidungen berücksichtigt werden. Bennetts Worte jedoch seien überflüssig und unangemessen und es wäre besser, wenn sie nicht gesprochen würden. Und trotzdem lohne es sich nicht, sie zu sehr zu dramatisieren. (Der Ministerpräsident selbst denkt wohl anders, da er sich laut dem Fernsehsender „Kan 11“ an seine Regierungskollegen gewandt und sie gebeten hat, die Führung des Gesundheitsministeriums in den Medien zu kritisieren. Nach Informationen des Journalisten Michael Schemesch ist Bennett empört über die Gespräche hinter den Kulissen hoher Beamter des Gesundheitsministeriums mit Vertretern der Medien, in denen sich die Beamten, wie der Ministerpräsident behauptete, sowohl gegen ihn persönlich als auch gegen die Politik der gewählten Regierung äußerten. Bennetts Büro dementierte diese Information. – Anm. d. Red.).

Der Hauptteil der Rede von Naftali Bennett war der iranischen Bedrohung gewidmet, und obwohl sie nicht besonders neu war, gab es viele interessante Punkte.

„Um es einfach auszudrücken: Israel ist von allen Seiten von Hisbollah, schiitischen Milizen, Hamas und Islamischem Dschihad umgeben. Terrororganisationen versuchen, den islamischen Fundamentalismus auf der ganzen Welt zu verbreiten und erhalten Gelder, Waffen und Ausbildungsbasen aus dem Iran. Seit nunmehr drei Jahrzehnten vergießt dieses Land Blut und zerstört einen Staat nach dem anderen im Nahen Osten: Libanon, Irak, Syrien, Jemen und andere. Sie alle eint die Tatsache, dass sie am Rande des Zerfalls stehen, ihre Bürger leiden und hungern und die Wirtschaft im Niedergang begriffen ist“.

Er erinnerte weiter daran, dass der derzeitige iranische Präsident „der Schlächter von Teheran” genannt wird, weil er das Massaker an seinem eigenen Volk sanktioniert hatte und der Iran kürzlich mit modernen Drohnen eine Reihe von Terroranschlägen gegen westliche Länder verübt hat.

„Wir haben unstrittige Beweise dafür, dass der Iran beabsichtigt, in seinen geheimen Stützpunkten in Turkuzabad, Teheran und Meriban Atomwaffen herzustellen. Das iranische Atomprogramm ist an einer ‚roten Linie‘ angelangt, und ebenfalls unsere Geduld. Aber Worte können Zentrifugen nicht aufhalten. Es gibt viele auf der Welt, die glauben, dass der Erwerb von Atomwaffen durch den Iran unvermeidlich ist. Es gibt diejenigen, die es einfach satthaben, dagegen anzukämpfen. Aber Israel kann sich eine solche Haltung nicht leisten. Wir werden uns nicht beruhigen und dem Iran nicht erlauben, Atomwaffen zu besitzen.”

Wie genau er dies verhindern will, hat der Ministerpräsident natürlich nicht gesagt. Aber das wurde von ihm auch nicht verlangt.

Man muss anmerken, dass sich die wichtigsten Ereignisse bei jeder Sitzung der UN-Vollversammlung nicht auf dem Podium, sondern am Rande abspielen. Dort werden im Rahmen von Meetings hinter den Kulissen Vereinbarungen getroffen, die dann die Grundlage vieler politischer Entscheidungen bilden und den Lauf der Welt bestimmen. Und während ihres Aufenthalts in New York hatten Naftali Bennett und seine Entourage viele solcher Begegnungen. Insbesondere traf sich der Premierminister mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres und der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, diskutierte mit ihnen die Frage der Rückführung der im Gazastreifen getöteten Soldaten nach Israel und forderte sie auf, diese Frage auf allen internationalen Foren wieder aufzugreifen. Er traf sich darüber hinaus mit Vertretern der Jüdischen Föderation Nordamerikas, die er bat, ihren Einfluss auf die US-Administration zu nutzen, um die „richtige Entscheidung“ in Bezug auf die iranische Bedrohung zu treffen. Kurzum, es war im Großen und Ganzen zwar kein fulminantes, aber durchaus gutes Debüt des aktuellen Regierungschefs bei der UN-Vollversammlung. Mal sehen, wie das Mittelspiel aussehen wird (als Mittelspiel bezeichnet man die auf die Eröffnung folgende Phase einer Schach-Partie, - Anm. d. Übers.).

Haaretz-Kommentar

Völlig anders bewertete Bennetts Rede in der Zeitung „Haaretz“ Anshel Pfeffer (der in Großbritannien geborene israelische Journalist, leitende Korrespondent und Kolumnist der Zeitung „Haaretz“, - Anm. d. Übers.). Er schreibt, dass seine anfängliche Einschätzung der Rede zwar der der meisten Kommentatoren entsprach, dennoch konnte er die Rede nicht vergessen:

„Sie war brillant. Sie zeigte, dass er besser als alle seine Zeitgenossen und die Medien die Situation versteht, in der sich Israel jetzt befindet. Bennett hat, wie schon oft betont, die Palästinenser in seiner Rede nie erwähnt, und es war ein genialer Schachzug, die ich von ihm normalerweise nicht kenne. Bennett hat sich entschieden, den Konflikt mit den Palästinensern zu ignorieren, nicht weil das sein Wunschdenken wäre, wie viele vermuten und wie ich zuerst dachte. Nicht, weil er meint, auf diese Weise ‚den Konflikt reduzieren‘ zu können. Er erwähnt die Palästinenser nicht, nur weil er es sich leisten kann. Er wusste, dass einige linke Politiker und Beobachter ihn tadeln würden, weil die Palästinenser außerhalb seiner Rede geblieben sind, es aber fast allen anderen einfach egal war. Er wusste, dass andere einfach daran interessiert sein würden, festzustellen, wie sehr sich seine Rhetorik von der seines Vorgängers unterschied, und dass er sich dafür entschieden hat, die UN-Tribüne zu nutzen, um medizinische Experten dafür zu kritisieren, dass sie seiner Meinung nach aus unnötiger Vorsicht weitere Einschränkungen in Israel empfehlen – und das trotz des Ausbruchs der Coronavirus-Infektion. Während seiner gesamten politischen Karriere hat Benjamin Netanjahu daran gearbeitet, die Palästinenserfrage an den Rand zu drängen und ihren Status auf der globalen diplomatischen Agenda herabzustufen. Aber selbst er hatte nicht den Mut, die Palästinenser in seinen großartigen Reden vor der UN überhaupt nicht zu erwähnen.

Und Bennett wählte diesen Weg. Aus seiner Sicht ein genialer Schachzug. Er erkannte, dass der Großteil der Welt glaubte, dass es nicht notwendig sei, den Konflikt zu ‚reduzieren‘. Man könnte einfach so tun, als ob er nicht existiert... Bennett begriff, dass in den wenigen Monaten, seit er Premierminister wurde, das palästinensische Thema in seinen Gesprächen mit ausländischen Führern selten zur Sprache kam, und wenn sie sich daran erinnerten, sprachen sie halbernst darüber. Dies gilt insbesondere für die arabischen Führer, mit denen er zusammenkam. Als Neuling in der Diplomatie lernte Bennett ein schmutziges Geheimnis: niemand kümmert sich um die Palästinenser, außer in Worten. Also beschloss er, nicht einmal über sie zu sprechen, und es hat funktioniert.“

Der Journalist erklärt weiter: „Die Tatsache, dass diejenigen, die sich weiterhin mit dem Konflikt beschäftigen, ihre Rhetorik verschärft haben, zum Boykott aufrufen und immer härtere Begriffe wie ‚ethnische Säuberung‘, ‚Apartheid‘ und ‚Völkermord‘ verwenden, nehmen wir sehr ernst; und wir diskutieren, ob diese Begriffe gerechtfertigt sind, anstatt zu fragen, ob sie jemand außerhalb der Echokammern wahrnimmt... Da sich in den kleinen pro-palästinensischen Gruppen in den großen Parteien relativ viele junge Leute befinden, besteht die Tendenz zu denken, dass, wenn die jüngere Generation der Führungspersönlichkeiten in den Vordergrund treten wird, wird sich die Situation in Zukunft ändern. Weitaus wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich die nächste Politikergeneration nach dem Verschwinden der Corona-Pandemie auf die Fragen des Klimas und auf die Konfrontation zwischen dem Westen und China konzentrieren wird. Die Innenpolitik der meisten demokratischen Staaten wird sich weiterhin um den Kampf zwischen Trump-ähnlichem Populismus und der gemäßigten Mitte drehen. Die Stimmen der Progressivisten werden in den Medien und in der Wissenschaft weiterhin gehört werden, aber ihre Rolle bei der wirklichen Regierungsführung der Länder wird unbedeutend sein.

Und mit ihrer Marginalisierung wird auch die palästinensische Sache außer Sicht geraten. Wenn das Interesse an den Palästinensern fortbesteht, wird es unbedeutend sein. Die Zeit, die ihnen in der internationalen Arena zugeteilt wurde, geht womöglich zu Ende... In den mehreren Jahrzehnten, in denen die Palästinenser im Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit standen, haben sie letztendlich wenig erreicht... Eine der wichtigen Lehren aus dieser Zeit sollte sein, inwieweit fast alle Gespräche im Westen über den israelisch-palästinensischen Konflikt nicht mit der Realität der Israelis und Palästinenser in Berührung kamen. Bennett scheint der erste israelische Staatschef zu sein, der diese Kluft vollständig begreift.

Dies bedeutet nicht, dass er in der Hoffnung, dass er ‚den Konflikt reduzieren‘ kann, Recht hat... Der Konflikt wird nicht verschwinden, nur weil der Westen aufhört, darüber zu reden. Bennetts bewusstes Schweigen gegenüber den Palästinensern in seiner Rede spiegelt eine wichtige Wahrheit wider. Die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts wird nicht von außen kommen. Die Zeit, in der man sich das vorstellen konnte, ist vorbei. Das wird nicht passieren. Weder durch Agitation noch durch Druck. Auch diejenigen, die im Gegensatz zu Bennett an Gerechtigkeit und Gleichheit für alle, die ‚from the river to the sea‘ [zwischen Fluss und Meer] leben, glauben und daran, dass der Konflikt nicht ignoriert werden darf, sollten das begreifen.”

Übersetzung aus dem Russischen von Irina Korotkina

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