Der deutsche Hunger nach Angst

Angst ist das erfolgreichste Produkt, das gerade die grüne Partei zu bieten hat: Dennoch lässt sich ihre Parteispitze in Dienstlimousinen chauffieren und die meisten Grünen haben einen Führerschein. Sie waren so klug, dafür vorzusorgen, dass die Welt eventuell trotz ihrer Klimaapokalypse-Schreie doch nicht untergehen würde. Die von den Grünen in den 80er Jahren vor Waldsterben und Atomtod geschürten Weltuntergangsängste waren, wie wir heute wissen, alle falsch. Die gegenwärtig von ihnen als Existenzberechtigung geschürten Untergangs-Hysterien sind es ebenfalls (JR).

Sieht nicht schön aus, ist aber gut: Kaum jemandem scheint aufzufallen, dass man das angebliche „Waldsterben“ nahezu immer nur mit Nadelbäumen zu belegen versucht. In Wirklichkeit sind die Fichten-Monokulturen im Harz kein natürlicher Wald, sondern unnatürliche Nutzholz-Plantagen für den Bergbau. Es ist gut, wenn diese Monokulturen endlich vom Borkenkäfer verdrängt werden, damit endlich wieder Platz für natürlichen Wald wird.
© WIKIPEDIA

Von Snorre Martens Björkson

Manch „Mensch“ unter uns erinnert sich vielleicht noch an folgende Apokalypse: Auf dem Bildschirm des öffentlichen Rundfunks waren Hochwälder zu sehen, vollkommen baumleer, ein paar traurige, gebrochene Stümpfe ragten noch in den Himmel. Natürlich sah man erst den Wald in vollem Laub, dann erst die Comuputersimulation, denn ohne den vorherigen Wald wäre es ja nicht so wirkungsvoll gewesen.

Nicht nur ich war total geschockt. So entdeckte meine beste Jugendfreundin bald an der Gartentanne „Angsttriebe“. Als ich ihr zum Geburtstag eine selbstgepflückte Blume mitbrachte, sagte sie nur: „Mörder!“ Ja, es ging auf das Ende zu. Die Zeichen waren sichtbar, vor allem damals schon in den Medien, aber auch in den Beziehungen: Da die Welt bald untergehen würde, waren liebevolle altmodische Worte überflüssig.

Damals blickte ich noch fern und ein guter Film war immer eine Dystopie. In meiner Kindheit und Jugend wurde ich insgesamt von mindestens drei Untergangszenarien gequält: das nukleare Wettrüsten, dann das Waldsterben und dann ein Reaktorunfall im Stil von Tschernobyl im Westen. Ich erinnere mich zum Beispiel, wie ein Junge aus der Grundschule auf dem Heimweg sagte, wenn die Atombombe fiele, könnte ich schnell zu ihnen kommen, denn sie hätten einen großen Keller.

Das Protoexemplar eines „Körnerfressers“

Wir alle hatten Angst. Der Klimawandel, Überbevölkerung (die interessanterweise heute nicht mehr thematisiert wird) und Ressourcenkriege kamen als Bedrohungen unterschwellig hinzu, wir hatten auch schon von dem nebulösen Bericht des „Club of Rome“ gehört. Viele meiner Gleichaltrigen waren der Meinung, die letzte Generation zu sein und wollten auf keinen Fall Kinder in die Welt setzen. In der Tat sind wir dann ja auch eine kinderlose Generation geworden.

Meine Angst, die mich tagtäglich belastete und eine merkwürdige Unruhe erzeugte, spülte mich in die Nähe der Grünen. Diese schienen Rezepte für eine Zukunft zu haben: vor allem keine Markenklamotten kaufen, Getreidebrei essen und viel Fahrrad fahren. Da das eh meinem Lebensstil entsprach, engagierte ich mich gerne für die Sonnenblumenpartei. So landete ich sogar in einer Dorfratsitzung und nervte dort die Eingeborenen mit der Forderung, noch mehr Grünstreifen statt Parkbuchten anzulegen. Ich war also wirklich das Protoexemplar eines „Körnerfressers“.

Immerhin traf ich bei den Grünen einige interessante und nette Leute und will das nicht missen. Meine Angst vor dem Weltuntergang war aber so konkret, dass ich jahrelang nur Politik und Kultur machte, um die Welt zu retten. Schließlich lief mir die Zeit davon, und ich stellte irritiert fest, dass Andere aus dem gleichen grünen Umfeld Bausparverträge hatten oder Berufe, mit denen sie in Staatsdienste traten. Die meisten Grünen hatten auch im Gegensatz zu mir einen Führerschein. Sie waren so klug, dafür vorzusorgen, dass die Welt eventuell nicht untergehen würde, und die Welt ist zum Glück ja auch nicht untergegangen.

Der Energiehunger ist ungebremst

Das Waldsterben wurde abgewendet, das Wettrüsten zumindest vorerst beendet. Die UdSSR ging pleite, und genau in dem Moment hatten wir das Glück, dass ein besonnener Herr mit Kaffeefleck auf der hübschen Glatze die entscheidenden Schritte zu einer vorläufigen Aussöhnung zwischen Ost und West wagte. Wer zu viel Emmerich-Filme gesehen hat, stellt sich den Klimawandel mehr als ein nächtliches Ereignis vor. Das ist es nicht. Zwar zeigen Untersuchungen über die Eiszeit, dass sich das Klima wirklich schnell ändern kann, aber die Einflüsse auf das Klima sind so vielfältig, dass wir zugeben müssen: Nichts Genaues weiß man nicht.

Der verregnete kalte Sommer im Norden dieses Jahr wirkt eher wie das Vorspiel einer neuen kleinen Eiszeit, wie sie auch durch veränderte Sonnenaktivität herbeigerufen werden kann. Das Klima wird sich ändern, und die CO2-Emissionen werden ihren Anteil daran haben, weswegen ich übrigens heute meinen fanatischen Kampf gegen die Kernkraft bereue. Denn wenn wir ehrlich sind: Immer mehr Menschen werden immer mehr Energie verbrauchen. Immer mehr Menschen wollen auf dem Niveau des Westens leben. Und mit jeder neuen Erfindung kommt ein Energie-Vampir hinzu. Der Rechner hat nicht das papierlose Büro gebracht, das E-Bike nicht das Auto verdrängt, es wird nur alles immer mehr.

Bei mancher netten Öko-Familie steht das E-Auto neben dem Diesel. Der Energiehunger ist also ungebremst, und wer möchte leben wie unsere Vorfahren noch vor hundert Jahren? Schon als Kind dachte ich Folgendes: Wenn das Öl aus der Zeit der Dinosaurier stammt, wird es, wenn wir das alles verbrennen, wieder so warm wie zur Zeit der Dinosaurier. Klingt irgendwie magisch, aber ist auch was dran. In den Hungerstreik getreten bin ich deswegen nicht, vielleicht weil das Essen eh knapp war und es reinregnete.

Ein Hungerstreik ist kein Argument

Ja, und da wir bei Magie sind und dem Hang zum religiösen Bezugswahn: Das Klima wird nicht in Deutschland entschieden. Deutschland hat so gut wie gar keinen oder allenfalls einen minimalen Einfluss auf den Klimawandel. Das, was wir nicht produzieren, produziert China unter schlimmeren Bedingungen und wir kaufen es. Junge Menschen sollen sich zu Recht Sorgen um die Zukunft machen, aber das betrifft viele Dinge: Klimawandel, Artenrückgang, Massenmigration, Erodierung der demokratischen Systeme Europas. Ein paar Wirtschaftskrisen wird es auch noch geben. Sie sollen sich aber nicht damit kaputtmachen.

Ich erinnere mich, wie meine ständige Atomkriegsangst so konkret war, dass sie ganz besondere, neurotische Wege suchte. So erinnerte mich schließlich sogar das Clippen bei einem Aufnahmegerät (eine rote Lampe, die eine Übersteuerung anzeigt) an den Einschlag von Atomraketen. Ich musste tatsächlich Wege finden, diese Ängste abzustreifen. Angst und Ohnmacht zusammen erzeugen Zwänge und vor allem auch Aggressivität, und vielleicht ist mancher Aktivismus in Wirklichkeit nur eine Verschiebung von subtilen Ängsten. Wer mit der Angst und dem Idealismus und der Sensibilität junger Menschen spielt und sie in einen Hungerstreik treibt, handelt unverantwortlich und missbraucht junge Menschen.

Junge Menschen sind immer idealistisch, sie wollen es immer besser machen. Das wollten die jungen Kommunisten, die jungen Nazis genauso wie die jungen Hippies oder zahlreiche junge Menschen in irgendwelchen Sekten (wobei die Hippies höchstens sich selbst, die Nazis aber die ganze Welt beschädigt haben). Wir alten Säcke sind froh, dass wir irgendwie überlebt haben und denken: Ja, aber mach mal halblang, das Leben hat viele Facetten. Deswegen haben wir nicht automatisch recht, die jungen Leute haben es aber auch nicht automatisch.

Zudem neigt ein gewisses Alter zu einer Engführung der Sichtweisen. Wenn man das ein paarmal erlebt hat, sieht, wie sich radikale Positionen im neuen Gewand wiederholen, man aber ganz alltäglich das Essen auf den Tisch kriegen und die Kinder an die Hausaufgaben erinnern muss, werden andere Dinge mindestens ebenso wichtig. Spießig? Nein, Weltrettung fängt schon da an, wo ich dem Kind beim Fahrrad flicken helfe und Vokabeln abfrage.

In einem demokratischen Diskurs zählen hoffentlich Argumente, mit denen man um Mehrheiten wirbt. Ein Hungerstreik ist kein Argument. Diese Leute bringen sich in Gefahr. Dafür habe ich kein Verständnis. Und wer so stark auf Angst setzt, dem ist vielleicht die Idee abhandengekommen, wie ein schöneres Leben aussehen könnte. Die Angst klingt mehr und mehr wie eine Durchhalteparole, der Endkampf einer Bewegung, die ihre beste Zeit längst hinter sich hat.

Snorre Martens Björkson schreibt Erzählungen, Romane, Hörspiele, Kindergeschichten, Theaterstücke und Songs. Er unterrichtet Klavier und leitet zwei Chöre. Privat beschäftigt er sich mit älterer Geschichte, germanischer Dialektologie und den besonderen kulturellen Wechselbeziehungen zwischen Deutschland und Skandinavien. Gedichte, Songs und Angaben zu Veröffentlichungen finden sich unter: cafemelodie.de

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