Das schädliche Chamäleon: Der grüne Farbwechsel der CDU-Kanzlerin
Als erfahrene Choreografin der eigenen Persönlichkeit wusste Angela Merkel stets, dass ihr grüner Farbwechsel beim Publikum am besten verfängt. Aber was an Substanz bleibt nach 16 Jahren? Nichts außer einer Aushöhlung der bürgerlichen Mitte und der tiefgehenden Spaltung der Gesellschaft (JR).
© Christof STACHE / AFP
Kanzlerkandidat Armin Laschet hat neulich einen Skandal ausgelöst, der ihn die Kanzlerschaft kosten könnte, weil er im Hintergrund lachte, während Bundespräsident Steinmeier eine Rede für die Flutopfer hielt. Der amtierenden Kanzlerin hätte ein solcher Fauxpas nicht passieren können, denn ihre größte Stärke ist die Selbstkontrolle, die sie benötigt, um der Öffentlichkeit die verschiedenen Fassaden ihres Charakters überzeugend präsentieren zu können. Als erfahrene Choreografin der eigenen Persönlichkeit weiß sie, dass die Rolle der Kümmerin beim Publikum am besten verfängt, vorausgesetzt, das Stück nützt ihrer Agenda (hier: Klimawandelpolitik). Ihren Besuch im Flutgebiet absolvierte sie daher mit dauerbetroffener Miene, außerdem spendete sie einen denkwürdigen Satz: „Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für diese Verwüstung.“
Einen Satz, der – wie wir sehen werden – auch auf andere Bereiche ihres Zuständigkeitsgebiets anwendbar ist.
Wie es anfing
Das Chamäleon hatte sich ein Naturschutzgebiet ausgeguckt, wo es keine natürlichen Feinde gab, dafür freie Auswahl an Nahrung. Es erklomm einen Sandhügel auf der großen Feuchtwiese, nahm das schillernde Farbenspektrum des Regenbogens an, wartete, bis die dort lebenden Insekten sich vorsichtig genähert hatten und hielt eine kurze Rede folgenden Inhalts: „Ich bin Kamelia, möchte hier leben und mit allen befreundet sein!“
Die Insekten berieten sich.
„Wie wunderschön sie funkelt!“, staunte der Weberknecht.
„Sie sieht aus wie unsere große Schwester“, meinte die Heuschrecke, „nur viel bunter.“
„Wer bist du?“, fragte die Fliege.
„Einfach eine von euch“, erwiderte Kamelia.
„Wie bescheiden sie ist!“, fand die Libelle. Auch Ameisen, Kellerasseln und Regenwürmer waren angetan. Nur der alte Mistkäfer hatte wieder einmal etwas zu meckern. „Der Freund aller ist niemandes Freund!“, brummte er. Doch niemand schenkte ihm Gehör, und so beschloss die Vollversammlung der Insekten, dass das Chamäleon den hohlen Baumstamm am Tümpel beziehen dürfe.
Auch ich habe sie gewählt. Bei der Wahl 2005 habe ich für Angela Merkel gestimmt. Erst kurz vorher den Grünen entwöhnt – der bräsige Kohl war nie mein Fall gewesen – fand ich die Bilanz der ersten rot-grünen Regierung dürftig. Der überhebliche Auftritt des abgewählten Kanzlers Schröder in der Elefantenrunde bestätigte mich in meiner Entscheidung: eine junge Frau aus dem Osten, angenehm nüchtern und zurückhaltend, mit christlichem Hintergrund und offenbar der DDR-Bürgerrechtsbewegung entstammend – so eine war jetzt genau die Richtige, um frischen Wind in die Politik und auch in ihre durch die Spendenaffäre um die CDU-Granden geschwächte Partei zu bringen!
Im Jahr darauf führten Klinsmann und Löw die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der heimischen WM zum dritten Platz, ganz Deutschland war im schwarz-rot-goldenen Freudentaumel, auch viele Migranten jubelten mit. Unser schwieriges Vaterland, beladen mit unbewältigten Traumata, schien nach den schwierigen Nachwende-Jahren endlich mit sich selbst ins Reine zu kommen, frei nach Brechts Kinder-Hymne: „Und das Liebste mag’s uns scheinen, so wie anderen Völkern ihrs.“ (Die Betonung liegt auf „scheinen“, wie uns auch die eigenen Kinder am nächsten stehen, obwohl wir doch wissen, dass fremde Kinder nicht weniger liebenswert sind.) Was für ein Irrtum!
Hello Chaos!
In dem deutschen Kino-Hit „Goodbye Lenin“ verschläft eine im Koma liegende überzeugte DDR-Bürgerin die Wende 1989 und wacht erst im Kapitalismus wieder auf. Wer 2006, im Jahr des Sommermärchens, ins Koma gefallen und 2021 wieder aufgewacht wäre – vorausgesetzt, er ist nicht völlig abgestumpft – würde sein Land ebenfalls nicht wiedererkennen. Nur leider in umgekehrter Richtung.
Teile Westdeutschlands sind durch eine Flut verwüstet, die erst durch eklatante politische Versäumnisse zur Jahrhundertkatastrophe wurde. Die einsturzgefährdeten Fachwerkhäuser und die trübe Brühe um sie herum wirken wie eine Allegorie auf die gesamte Republik: auf einen Staat, dessen Fundamente unterspült wurden von opportunistischen Politikern, die nur „auf Sicht fahren“ – d.h. auf die Wirkung in den Medien und die jeweils nächsten Umfragen schielend – und in 16 Jahren keines der schon vorher drängenden Grundprobleme angepackt sowie die Weichen für die Zukunft in zentralen Bereichen falsch gestellt haben.
Auf ein Land, das mittlerweile in jeder Hinsicht – Infrastruktur, Mittelstand, Babyboomer – von seiner in vorangegangenen Jahrzehnten aufgebauten Substanz lebt; dessen Bürger die weltweit höchsten Steuern und Abgaben zahlen, mit einem Vermögensmedianwert unter dem der Griechen und Italiener; das zu einem wahren Paradies für kriminelle Clans, Prostitution, Drogen- und Menschenhandel geworden ist.
Auf eine Bevölkerung, die immer mehr in Parallelgesellschaften zerfällt, in deren Mitte sich angeblich jede Menge Nazis, Rassisten und Fremdenfeinde tummeln, obwohl in den letzten Jahren Millionen Fremde zugewandert sind und weitere Abermillionen genau hierherkommen wollen; auf eine Gesellschaft mit einem vergifteten Meinungsklima, tief gespalten in voneinander hermetisch abgeschottete Gesinnungsblasen, unfähig zum Diskurs über sich selbst.
Auf eine Regierung, die in der Pandemie auf die falschen Ratgeber gesetzt hat und verbohrt an ihrem von der Wissenschaft längst als untauglich befundenen Inzidenzkriterium festhält. Die damit sehenden Auges auf einen weiteren Lockdown zusteuert, dessen desaströse Folgen für Wirtschaft, Selbstständige, Künstlerszene, Schüler und Studenten, für Kinder, Alte und Einsame, ja für die menschliche Psyche überhaupt, sie kalt ignoriert.
„Hello Chaos!“ hieße der gesellschaftskritische Film des Jahres 2021, wären nicht auch die Kinos durch die deutsche Corona-Politik lahmgelegt. Wie um alles in der Welt konnte es zu einem solchen Abstieg von Land und Leuten kommen?
Macht durch Mimikry
Kamelia hatte einen Plan geschmiedet. Wenn die Insekten Angst vor mir haben, werden sie flüchten und mir die Jagd schwer machen, sagte sie sich. Deshalb wäre es für beide Seiten günstiger, wenn sie mich nicht als Bedrohung, sondern als Freundin ansehen. Dann fühlen sie sich sicher, und ich habe immer genug Futter. Eine Win-Win-Situation.
So passte sie sich perfekt an ihre jeweilige Umgebung an. Auf der Feuchtwiese verwandelte sie sich in ein Büschel Löwenzahn. Schlapp! machte ihre Zunge, wenn sie sich die dicksten Grashüpfer schnappte. Im Wald sah sie aus wie ein Teil der Schwarzerde, die sich auftat, sobald ein saftiger Käfer vorbeikam. Am Baum, getarnt als ein Stück Borke, verspeiste sie Ameisen zum Dessert. Savoir-vivre! Doch nun machte sich unter den Insekten Verunsicherung breit, weil nicht wenige von ihnen plötzlich verschwanden. Da berief Kamelia wieder eine Versammlung ein, bei der sie in ihrem schillernden Regenbogenkostüm eine erbauliche Rede hielt. „Um Solidarität und Zusammenhalt zu stärken, will ich eure Schutzpatronin sein!“, tönte ihre Stimme durch das ganze Naturschutzgebiet. Die meisten Insekten nahmen das Angebot erleichtert an und priesen fortan ihre großmütige Herrscherin. Kamelia befand sich auf dem Zenit ihrer Macht, die sie durch Mimikry, die Kunst der Verwandlung, erlangt hatte.
Wer oder was ist Angela Merkel? Das ist auch nach 16 Jahren ihrer Regentschaft unklar. Man könnte allerdings ganze Bibliotheken über das füllen, was sie nicht ist. Sämtliche Zuschreibungen durch Politik und Medien haben sich im Laufe der vergangenen Jahre als falsch entpuppt. Bürgerrechtlerin? Nein, die heutige Kanzlerin stand nie in irgendeiner Weise in Opposition zum SED-Regime. Sie durfte studieren und war Reisekader. Sie soll sogar FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda gewesen sein.
Pfarrerstochter? Wie gutbürgerlich und vertrauenswürdig das klingt, für alle, die nicht wissen, dass dieser Pfarrer 1954 – als jedes Jahr Hunderttausende über die noch durchlässige Grenze gingen, weil sie die kommunistische Indoktrination und Unterdrückung nicht mehr aushielten – mit seiner Familie von Hamburg in die DDR zog, wo er bald den Beinamen „der rote (Kasner)“ erhielt.
Christin? Über den dreieinigen Gott, das Alleinstellungsmerkmal des christlichen Glaubens, hat man von Merkel nie etwas gehört. Stattdessen erklärte sie in einer ihrer „legendären“ Reden: „Wir sind die Partei mit dem ‚C‘ im Namen… Man muss ja nun wirklich nicht irgendwo hingehen – von AfD bis Pegida – um Weihnachtslieder, christliche, singen zu dürfen. Aber wie viele von uns tun denn das noch auf ihren Weihnachtsfeiern in den Kreisverbänden? Wo läuft da irgendwo ein Tamtam mit Schneeglöckchen Weißröckchen oder was weiß ich?“
Diese läppische Äußerung, die ausgerechnet das genannte Kinderlied als Beispiel für christliche Weihnachtslieder anführt, legt nahe, dass auch das „C“ für Merkel nur Staffage ist.
Wissenschaftlerin? Gerade während der Corona-Zeit jubelten viele, in einer solchen Krise eine promovierte Physikerin an der Spitze des Landes zu haben, die sich in ihren Entscheidungen an „der Wissenschaft“ orientiere, sei ein unerhörter Glücksfall. Doch die Grundhaltung eines Wissenschaftlers, gekennzeichnet von Neugier und der Bereitschaft, die eigenen Thesen im Lichte neuer Erkenntnisse zu modifizieren, ist der Kanzlerin völlig fremd. Seit jeher umgibt sie sich nur mit Experten, die ihr das bestätigen, was sie sowieso schon denkt. Das Ergebnis ist eine „gefährliche Ahnungslosigkeit“, aus der heraus sie etwa kürzlich im Bundestag peinliche Fake-News zu den Corona-Tests verbreitete.
Politik als Kaspertheater
Volkstümlich sei sie, sagt man, „unheimlich beliebt bei den Menschen“, eine Art „deutscher Obama“. Ihr unprätentiöses Auftreten, ihre wohltuende Nüchternheit, ihr feiner Humor.
Natürlich, Linke lieben sie, weil sie aus Opportunismus linke Politik macht: Staatsverschuldung erhöhen, Sozialsysteme aufblähen, Eigeninitiative ersticken, EU-Bürokratie ausweiten, Nationalstaat schwächen, dazu permanent universelle Menschenrechte und die Rettung der Welt im Munde führen, um den eigenen Anhängern ein gutes Gefühl zu vermitteln. Merkels Popularität in Teilen der Bevölkerung ist auch ein Zeichen für die zunehmende Infantilisierung einer Gesellschaft, der jedes Gespür abgeht für das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit, von Worten und Taten.
Heraus kommt ein verbreitetes Politikverständnis auf Kaspertheater-Niveau: Trump ist böse, weil er böse Dinge sagt (will eine Grenzmauer bauen, Zölle erheben etc.). Merkel ist gut, weil sie gute Dinge sagt, wie etwa: „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“ Die „Menschlichkeit“ dieser Äußerung, die die rechtswidrige Grenzöffnung von 2015 und die nachfolgende unkontrollierte Masseneinwanderung rechtfertigen sollte, rührte nicht nur Links- und Grün-Affine zu Tränen (und triggerte zugleich deren gestörtes Verhältnis zum eigenen Land). Hört man jedoch genau hin, geht es lediglich um ein „freundliches Gesicht“, also wieder nur um eine Fassade, hinter der sich völlig andere Motive verbergen können.
Sie könne zwar keine großen Reden halten, spreche aber die Sprache des Volkes, heißt es weiter. Das wiederum dürfte eine explizit westdeutsche Zuschreibung von Leuten sein, die übersehen, dass Merkel sozialisationsbedingt das Aalglatt-Routinierte und Extrovertierte westlicher Politprofis abgeht, sie diesen Mangel jedoch mit einer an der DDR-Funktionärstradition geschulten, völlig nichtssagenden Floskelsprache überkompensiert. Da sie inhaltlich für nichts steht, bildet sie zudem eine perfekte Projektionsfläche, um alles in sie hineinzuinterpretieren, was man jeweils in ihr sehen will.
Die stille Revolution
Die Kanzlerin war lange Jahre CDU-Chefin, aber selbst hier ist alles anders, als es scheint. Wann gab es je einen Parteivorsitzenden, der seine eigene Partei regelrecht kannibalisierte? Systematisch hat Merkel die CDU ihrer konservativ-liberalen Inhalte beraubt und programmatisch an SPD, Grüne und Linke angenähert. Wer ihr dabei im Weg stand, wurde entmachtet. Übrig geblieben sind eine tote Hülle und rückgratlose Handlanger, die ihre Überzeugungen ebenso schnell wechseln wie ihre Chefin.
Wie nennt man einen Menschen, der in keiner Beziehung das ist, was zu sein er vorgibt? Der sich jeder Festlegung entzieht, sich verhält wie ein menschliches Chamäleon, seine Entscheidungen offenbar nur am eigenen Machterhalt orientiert? Falsch? Machtbesessen? Narzisstisch?
Oder gar diabolisch? „Diaballéin“ heißt auf Altgriechisch auseinanderwerfen, entzweien. Womit exakt bezeichnet wäre, was Angela Merkel in ihrer wichtigsten Rolle, der der Bundeskanzlerin, getan hat: Sie hat das Land mit ihrer Politik durcheinandergewürfelt und die Gesellschaft so tief gespalten wie kein Bundeskanzler vor ihr.
Unter dem Deckmantel einer konservativen Partei hat sie grüne und linke Kernanliegen verwirklicht, die eine grüne oder linke Regierung nie und nimmer hätte offen durchsetzen können. Mit der Forderung, wider alle Abmachungen und Beteuerungen den Weg in die EU-Schuldenunion zu ebnen, die deutsche Energieversorgung durch die Stilllegung von Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken zu gefährden und dafür die Landschaft mit Windkraftanlagen zu verschandeln oder Millionen bildungsferner Migranten – wiederum unter dem Deckmantel und zugleich unter Brechung des Asylrechts – ins Hochtechnologieland Deutschland zu schleusen, wäre niemand auch nur in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde gekommen. Wie sie es trotzdem schaffte? Mit Tarnung, Täuschung, Überrumpelung, Ablenkung und moralischer Erpressung. Eine stille linke Revolution von oben, exekutiert hinter bürgerlicher Fassade.
Warum sie es tat? Aus purem Opportunismus. Mit ihrem herausragenden Machtinstinkt – bar jeder Werte und Überzeugungen – erkannte sie früh, dass für den Erhalt der Macht weniger ihre Partei als vielmehr die tonangebenden Medien ausschlaggebend waren. Und da die meisten Journalisten linksgrün ticken, musste sie ihre Politik eben an deren Erwartungen ausrichten. Die CDU, so ihr Kalkül, würde alles mitmachen, solange nur die Umfragen stimmten. Das Kalkül ging auf.
Wobei – und hier wechselt das Chamäleon wieder blitzschnell seine Farbe – diese Politik alles andere als traditionell „sozialistisch“ ist, wie auch seriöse Linke wie Sahra Wagenknecht längst erkannt haben. Sie tarnt sich mit den Phrasen von „Demokratie“, „Gleichberechtigung“ oder „Zusammenhalt“, entmündigt aber zugleich die Bürger mit Berufung auf „höhere“ Mächte (Europäischer Gerichtshof, UNO-Menschenrechtskonvention etc.) und lässt die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergehen. Cui bono? Die einzigen Nutznießer von Merkels Politik sind obskure Stiftungen von Superreichen, NGOs mit ideologischer Agenda und globale Konzerne, alle gleichermaßen intransparent und unkontrollierbar.
Der Popanz
Kamelia hatte ein gutes Gespür für die Stimmungen der Insekten und kannte die Zauberformel der Herrschaft über sie: Zuckerbrot und Peitsche. Sie überließ den hohlen Baumstamm am Tümpel den Tausendfüßlern und Holzwürmern (in der eigennützigen Hoffnung, diese würden sich dort zahlreich vermehren) und schlug vor, dafür mitten auf der großen Feuchtwiese aus Ästen, Schilf und Lehm einen Palast zu errichten, angeblich, um die Insekten besser schützen zu können. Am fleißigsten bauten die Ameisen. Aber auch die anderen halfen mit. Tagsüber schufteten sie, nachts machte Kamelia unter ihnen einfache, reiche Beute. Und anderntags spornte sie die immer ängstlicher werdenden Insekten an, schneller zu arbeiten, denn der halbfertige Palast müsse nun auch fertiggestellt werden: „Wir schaffen das!“
Allein der alte Mistkäfer verweigerte sich der Mithilfe. „Das Chamäleon beutet uns aus“, schimpfte er. „Es lebt auf unsere Kosten. Hört nicht auf seine Lügen!“
Wieder trommelte Kamelia alle Bewohner des Naturschutzgebietes zusammen.
„Provokateure verbreiten Hass und Hetze“, klagte sie. „Damit spalten sie die Gemeinschaft und zerstören unseren Zusammenhalt. Das ist nicht hilfreich!“
„Ich bin ein freies Insekt und darf sagen, was ich will!“, zeterte der alte Mistkäfer. „Provokateure spalten die Gemeinschaft!“, plapperte die Zecke nach.
„Hau ab, hau ab!“, brüllten die Ameisen im Chor.
Schließlich erscholl ein mächtiger Chor, in den fast alle Insekten einstimmten: „Mistkäfer raus!“
Die wenigen, die sich daran erinnerten, dass Mistkäfer durchaus nützliche Mitglieder der Insektenfamilie sind, weil sie den Dreck von anderen wegräumen, behielten dies lieber für sich. So kam es, dass nicht nur der alte Mistkäfer, sondern mit ihm seine gesamte Gattung aus dem Naturschutzgebiet verbannt wurde. Und wann immer sich einer von ihnen auch nur in der Nähe blicken ließ, schlugen die von Kamelia postierten Wächter sofort Alarm: „Mistkäfer raus!“
Die AfD ist Angela Merkels ungeliebtes Kind, ein direktes Produkt ihrer Politik. Schon ihren Namen wählte die „Alternative für Deutschland“ explizit mit Berufung auf das Diktum der Kanzlerin von der „Alternativlosigkeit“ ihrer Euro-Rettungspolitik. Von Beginn an wurde die damalige „Professorenpartei“ von politischen Konkurrenten und Medien in die rechte Ecke gestellt und mit der Nazikeule traktiert. Themen, die die Partei aufgriff und Politikfelder, die sie besetzte, wurden von den anderen für tabu erklärt. Wer auch immer fortan Kritik an Eurorettung, Energiewende, unkontrollierter Massenzuwanderung oder tumb durchgezogenem Lockdown-Automatismus äußerte, musste sich pauschal vorwerfen lassen, er spiele „den Rechten“ in die Hände.
In einer perfiden Verkehrung von Ursache und Wirkung wird der Partei, die sich in Reaktion auf Merkels Spaltungspolitik formierte, gebetsmühlenartig vorgeworfen, sie sei es, die die Gesellschaft spalte. Dass die AfD sich unter dem Druck sämtlicher politischer Konkurrenten – plus Medien, „Zivilgesellschaft“ und Kirchen – tatsächlich nach rechts bewegte, dass dort nun teilweise Hasardeure zum Zug kommen, die Ressentiments bedienen und Verschwörungstheorien nähren, ist kaum verwunderlich und ganz im Sinne der Kanzlerin. Denn nun nimmt die Partei genau die Rolle ein, die sie ihr von Anfang an zugedacht hat: die eines rechten Popanz, des Sündenbocks, der an allem schuld ist, was in Deutschland schiefläuft.
Heuchelei als Staatsräson
Eine verantwortlich handelnde, am Gemeinwohl orientierte Regierung wäre bemüht gewesen, die sich insbesondere an Energie- und Migrationspolitik entzündende Kritik einzubinden, hätte den Unmut in der Bevölkerung, die die in ihren Alltag massiv einschneidenden Entscheidungen auszubaden hat, aufgenommen und entsprechende Kurskorrekturen vorgenommen. Doch die Merkel-Regierung entschied sich für das Gegenteil: totale Ausgrenzung und Abspaltung jedweder Kritik.
Dabei nutzte sie die Taten rechtsextremer Einzeltäter (Anschlag auf die Synagoge in Halle, Mord an Walter Lübcke) und psychisch Kranker (Morde an jungen Migranten in Hanau) gezielt dazu, eine milliardenschwere Industrie im „Kampf gegen rechts“ aufzubauen.
Tausende Mitarbeiter von „zivilgesellschaftlichen“ Initiativen und Vereinen wachen heute darüber, dass im öffentlichen Raum keine „rechten“ Gedanken laut werden, linksgestrickte „Faktenchecker“ spüren im Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien nach abweichenden Meinungen, alles subventioniert vom steuerzahlenden Normalbürger, gegen den sich dieser Kampf in Wirklichkeit richtet.
Dass dabei auch die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis und deren Opfer bei jeder Gelegenheit schamlos instrumentalisiert wird, macht die Lehren aus dem totalitären 20. Jahrhundert, die im Prozess der deutschen Vergangenheitsbewältigung bis vor 16 Jahren Konsens waren, zu Makulatur. Wer „biodeutsche“ Konservative, die einen stabilen Euro, die Einhaltung des geltenden Asylrechts und eine verantwortungsvolle Energiepolitik fordern, mutwillig in die Nähe von NS-Massenmördern rückt, um sich politische Konkurrenz von Hals zu schaffen, wer zugleich Faschisten mit Migrationshintergrund (die türkischen Grauen Wölfe sind die mit Abstand größte rechtsextreme Gruppierung in Deutschland), gewalttätige Linksextremisten und offen antisemitische Islamisten widerstands- und widerspruchslos gewähren lässt, der entlarvt die eigenen Sonntagsreden des „Nie wieder!“ als pure Heuchelei. Unter Angela Merkel sind diese Heuchelei und das Messen mit zweierlei Maß zur Staatsräson geworden.
Die Insekten sind wir
Wie sind die Insekten das Chamäleon letztendlich losgeworden? Nun, der alte Mistkäfer ließ einfach nicht locker. Hartnäckig teilte er jedem, der ihm über den Weg lief, seine Meinung über Kamelia mit: „Sie nutzt euch aus! Sie tut nichts für euch! In Wirklichkeit habt ihr nur Angst vor ihr!“ Und da das schlicht die Wahrheit war, säte er damit immer mehr Zweifel unter den Insekten. Immer mehr Bewohner des Naturschutzgebietes zogen weg, und diejenigen, die blieben, ließen in ihrer Arbeitsmoral nach und begannen, sich vor dem Chamäleon zu verstecken. Damit schwand Kamelias Machtbasis. Eines schönen Tages war sie einfach weg, weitergezogen, um sich ein neues Revier zu suchen, wo man sie noch nicht durchschaut hatte.
Als menschliches Chamäleon hat Angela Merkel ein Land destabilisiert und korrumpiert, das sie willig gewähren ließ. Wie wird es weitergehen, wenn sie abtritt? An fast allen politischen und medialen Schaltstellen der Macht sitzen ihre Gefolgsleute. Diese Menschen werden alles tun, um den eingeschlagenen falschen Kurs weiter zu verfolgen, schon um ihr eigenes Versagen und Mitläufertum nicht eingestehen zu müssen. Dabei wäre eine schonungslose Fehleranalyse der erste und dringend notwendige Schritt zur Umkehr.
Das Märchen vom Rumpelstilzchen endet damit, dass sich der gleichnamige böse Kobold vor Wut selbst zerreißt, als die Königin seinen wahren Namen errät. Warum tut er das? Weil die Bedrohung oft ihren Schrecken verliert, wenn sie erkannt und klar benannt wird. „Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für diese Verwüstung“, verlautbarte die Kanzlerin im Angesicht der Flutschäden im Ahrtal. Sicher hofft sie, dass die Sprache, die sie so oft verhunzt und deren Begriffe sie systematisch verwirrt hat, auch keinen Ausdruck für die von ihr angerichteten Schäden findet. Doch für eine ehrliche Bilanz ihrer Regierungszeit und die Beantwortung der Frage, was sie in 16 Jahren aufgebaut hat und was von Bedeutung sie hinterlassen wird, reicht ein einziges Wort: Nichts.
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