WDR-Redakteur Kellermann: Nichts gegen queeren Antisemitismus – dafür aber gegen Juden

Georg „Georgine“ Kellermann, Studioleiter des WDR Essen, rückt infamerweise den jüdischen Publizisten Henryk Broder in die Nähe des Faschismus (JR).

Von Simone Schermann

Man bekommt den Hamburger Pride Award, wenn man ein Vorbildcharakter für die LGBTIQ-Gemeinschaft ist. Georg „Georgine“ Kellermann ist der erste Anwärter, der diesen Preis 2021 bekommen hat. Herr Kellermann ist Leiter des WDR-Studios Essen und erhielt den Pride Award im Rahmen der Pride Night, mit der die Veranstaltungswochen zum diesjährigen Christoper Street Day (CSD) eröffnet wurden. Neben dem WDR berichtete auch der NDR im Netz nicht ohne Stolz über diese frohe Botschaft.

Kaum bepreist musste Georg Kellermann seinen „Pride“ darüber am 25. Juli 2021 mit einem Tweet krönen. Jedoch leider nicht gegen Antisemitismus oder Judenhass, sondern in seiner ersten „vorbildhaften“ Amtshandlung beleidigte er Henryk Broder, einen Nachkommen von Holocaustüberlebenden. Anders macht man heutzutage nicht von sich reden, als durch die umgekehrte Projektion von Opfern und Tätern. Kellermanns Tweet insinuiert deutlich, Broder sei ein „alter weißer Mann“ und in diesem Jahrhundert zum „Faschisten“ mutiert, falls er das nicht „schon immer war.“

Dabei hätte sich Herr Kellermann stattdessen um Antisemiten in seiner eigenen LGBTIQ-Community kümmern können, die am 24. Juli in Berlin aufmarschierten. Stattdessen twittert Herr Kellermann Bekenntnisse, die an Wunderlichkeit kaum zu übertreffen sind und die für eine Verrohung und Verwahrlosung unserer Gesellschaft geradezu exemplarisch stehen.

So kommentierte Georg Kellermann den Beitrag von Henryk Broder "Sagen wir, wie es ist: Der Antifaschismus ist der Faschismus des 21. Jahrhunderts" mit den Worten "Sagen wir es, wie es ist: Auch alte, weiße Männer können im 21. Jahrhundert zu Faschisten mutieren. Wenn sie es nicht schon immer waren."

Laut „Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V.“ (JFDA) und der Zeitung „Der Tagesspiegel“ kam es bei einer queeren Demo zu antisemitischen Vorfällen, zu Angriffen auf die Polizei und Presse, die teilweise aggressiv und gewalttätig waren und bei der judenfeindliche und israelfeindliche Hassparolen gebrüllt wurden.

Hier ein Auszug des JFDA-Kommentars:

„Im Zuge der ‚Internationalistischen Queer Pride‘ kam es am 24.07.2021 in Berlin zu antisemitischen Äußerungen und massiven Behinderungen der Pressearbeit. Die Geschehnisse sind zugleich auch ein Sinnbild für die Probleme, die linke Strukturen mit Antisemitismus haben.

Am Nachmittag des 24. Juli 2021 fand in den Berliner Bezirken Neukölln und Kreuzberg die „Internationalistische Queer Pride“ (IQP) statt. Gedacht war sie als Gegenveranstaltung zu anderen Demonstrationen anlässlich des Christopher Street Days, die in Teilen der linken Szene als zu kommerziell, mainstream, unpolitisch oder nicht radikal genug betrachtet werden. Bei der IQP handelte es sich jedoch nicht nur um eine explizit antirassistische Veranstaltung, sondern auch um eine Demonstration, die vom Berliner BDS-Ableger sowie anderen, der antisemitischen Israel-Boykottbewegung nahestehenden Gruppierungen organisiert wurde.

Teil des Bündnisses, das die Demonstration veranstaltete, waren neben ‚BDS Berlin‘ etliche Gruppen, die bereits am 1. Mai 2021 Mitorganisator:innen der traditionellen 1. Mai-Demonstration in Berlin waren und für antizionistische und antisemitische Haltungen bekannt sind – wie ‚Palästina Spricht‘ oder dem Berliner Ableger der ‚Migrantifa‘. Die ebenfalls am Bündnis beteiligte Gruppe ‚Berlin Against Pinkwashing‘ ist dafür bekannt, explizit antiisraelische Positionen in den Vordergrund zu rücken und BDS-Positionen zu unterstützen. Hinzu kommt der ‚Jüdische antifaschistische Bund‘, welcher der als ‚Jewish Antifa‘ bekannten Gruppe nahesteht, die durch radikale, antizionistische Positionen in Erscheinung trat.

Dass keine Kritik an der LGBTIQ+-feindlichen Politik der Fatah, Hamas und ihnen nahestehenden islamistischen Gruppierungen geäußert wird, stattdessen aber ‚Kritik‘ an Israel – jenem einen Land im Nahen Osten, in dem queeres Leben ermöglicht und geschützt wird –, lässt sich kaum anders als durch israelbezogenen Antisemitismus motiviert erklären. Auch die Ausblendung anderer antikolonialer oder sonstiger Kämpfe, denen internationalistische Solidarität ausgesprochen werden könnte, bei gleichzeitiger kompletter Konzentration auf den Nahostkonflikt, sagt einiges über den Fokus des QuARC-Bündnisses aus. In diesem Zusammenhang kann durchaus von einer Dämonisierung Israels und von Doppelstandards in seiner politischen Beurteilung gesprochen werden.

Doch schon bevor die Mitarbeiter:innen des JFDA mit der Dokumentation beginnen konnten, wurden sie von Ordner:innen der IQP massiv bedrängt und an der Ausführung ihrer Arbeit behindert. Immer wieder wurden die Pressevertreter:innen des JFDA sowie Kolleg:innen anderer Organisationen und Medien als „Zionistenpresse“ beschimpft – ein Begriff, dessen Ähnlichkeit zum antisemitischen Begriff „Judenpresse“ wohl nicht zufällig ist. Gegenüber einem Journalisten wurde zudem die Drohung ausgesprochen, die „Community“ würde ihn „killen“, falls er Fotos von Demonstrationsteilnehmer:innen veröffentlichen sollte.

Die gezeigten Journalist:innen wurden zudem als ‚rechte Rassisten‘ bezeichnet. Da es sich hier um Bilder von Personen handelt, die unter höchstem Risiko auch neonazistische oder islamistische Bewegungen beobachten, stellen die Verbreitung der Fotos und ein versuchtes Outing eine reale Gefahr für sie dar. Am 25. Juli wurden die Fotos entfernt – allerdings scheinbar nicht von dem inzwischen deaktivierten Account, der sie verbreitet hatte, sondern von der Plattform Twitter. Das QuARC-Bündnis nennt die attackierten Pressevertreter:innen „right-wing ‚journalists‘“, wobei „journalists“ in Anführungszeichen steht. Die Berichte von Übergriffen und antisemitischen Slogans werden zudem als vermeintliche Lügen dargestellt.“

Der Tweet von Georg Kellermann erschien in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu der Pride-Auszeichnung und zu der beschriebenen queer-antisemitischen Demo in der deutschen Hauptstadt, die einmal mehr bewies, dass selbsternannte „Antifaschisten“ sehr wohl Antisemiten sein können, die sich mit Vorliebe als Antizionisten ausgeben. Wir finden sie bei den Sektierern von der DKP, bei der SPD, im grün-alternativen Milieu, bei den Fatah-Schwestern der Jusos und so weiter. Alles „ehrbare Antisemiten“ (Jean Amery), die Pläne für eine „Endlösung“ der Israel-Frage ausarbeiten. Ähnlich wie die queeren Pride-Antisemiten, die nach der „Endlösung“ für Israel rufen.

Es gibt, laut Henryk Broder, überzeugte Antisemiten und Gelegenheitsantisemiten, degenerierte und promovierte, habituelle und intellektuelle. Der Antisemitismus ist das „Gerücht über die Juden“, so Adorno oder, „wenn man Juden noch weniger mag als es normal ist.“ Nun hat dieses sich weiterentwickelt: zum Gerücht über Henryk Broder als vermeintlichem Faschisten.

All diese Antisemiten machen natürlich gerne lautstark „Jagd auf Nazis und Faschisten“ und gerieren sich so als vermeintliche Antifaschisten. Da ist natürlich ein Henryk Broder, der die chuzpah besitzt, stattdessen heutige, echte Antisemiten zu outen, genau diesen Schein-Antifaschisten ein Dorn im Auge.

Die höchste Form der Erlösung und der „Wiedergutwerdung“ (Eike Geisel) ist es, sich an den Nachkommen der Juden zu rächen, die den Antisemiten im Gewand des Antifaschisten unangenehm daran erinnern, dass er einer ist: nämlich ein stinknormaler Antisemit.

Anstatt sich also gegen die Antisemiten aus der Queer Pride Community zu stellen und zu sagen: ihr verdient es nicht euch so nennen, hatte Georg Kellermann andere Probleme, denen er sich zuwandte. Fühlte er sich von Broder angesprochen?

Fassen wir also zusammen: Eine links-queere Plattform hat schlicht und ergreifend unter der ekelerregenden Maquillage eines hippen, antirassistischen und queeren Anstriches ihren antisemitischen und antiisraelischen Ressentiments freien Lauf gelassen hat. Das aggressive Auftreten, die Bedrohungen, Übergriffe und antisemitischen Hassparolen aus der queeren Demo-Community gegen Juden und den Staat Israel wird von deutschen Journalisten kaum thematisiert. Auch nicht vom preisgekrönten Georg „Georgine“ Kellermann vom WDR-Studio Essen. Kein Tweet, kein Wort zu diesen Vorstufen von Pogromen, ausgehend von gewalttätigen und aggressiven queeren Schlägertrupps auf Deutschlands Straßen.

Der Publizist Eike Geisel schrieb schon vor drei Jahrzehnten: „Abgeschirmt in Reservaten, den Hochsicherheitsghettos der jüdischen Gemeinden, dürfen sie an den Gedenktagen das deutsche Judenschutzgebiet verlassen, um als moralische Pausenclowns für das wohlige Gruseln, für die kleine Betroffenheit zwischendurch sorgen.“ Während also ehrliche, bekennende Nazis uns Juden einfach nur als „Unglück“ bezeichnen, setzte Kellermann den Sohn von Holocaustüberlebenden nicht nur mit Faschisten gleich, sondern er machte damit einen Juden zum eigentlichen und potentiellen Täter. Gleichzeitig ist Georg „Georgine“ Kellermann queerer Judenhass auf deutschen Straßen offenbar nicht der Erwähnung wert.

Irgendwie kommt mir all das nicht koscher vor …

Sehr geehrte Leser!

Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:

alte Website der Zeitung.


Und hier können Sie:

unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen

in der Druck- oder Onlineform

Unterstützen Sie die einzige unabhängige jüdische Zeitung in Deutschland mit Ihrer Spende!

Werbung


Alle Artikel
Diese Webseite verwendet Cookies, um bestimmte Funktionen zu ermöglichen und das Angebot zu verbessern. Indem Sie hier fortfahren, stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Mehr dazu..
Verstanden