Synagoga und Ecclesia: Was hat eine judenverunglimpfende mittelalterliche Statue in Bamberg mit dem heutigen Antisemitismus zu tun?
Vor dem Hintergrund einer bekannten Judenschmäh- Figur blendet der Chef des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, bei seinem Vortrag in Bamberg anlässlich des Jubiläums „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ erneut den virulenten und gewalttätigen Antisemitismus vor allem von islamischer Seite weitestgehend aus (JR).
Synagoga und Ecclesia in Bamberg© WIKIPEDIA
Ecclesia und Synagoge sind der Stein des Anstoßes. Beide Steinfiguren stehen als Kopien auf gegenüberliegenden Säulen des Fürstenportals des Bamberger Doms mit seinem monumentalen Weltgericht. Ecclesia, das Christentum und seine Kirche, und Synagoga, das Judentum symbolisierend.
Ecclesia, mit Krone auf dem Haupt, das Gewand dicht gefaltet, den Leib verdeckt, steht starr und gerade vor dem Gewände. Einst hielt sie in der rechten Hand einen Kelch und in der linken Hand einen Kreuzstab. Hände, Kelch und Kreuzstab fehlen heute.
Synagoga, die Hüften sacht geschwungen, steht auf der Seite der Verdammten, den Kopf seitlich geneigt, die Augen verbunden. In ihrer rechten Hand hält sie einen zerbrochenen Stab und aus ihrer linken entgleiten ihr die Gesetzestafeln von Mose. Unter ihr blendet der Teufel einen aus ihrem Volk.
Die Originale stehen heute im Dom. Kunsthistorisch entstanden beide Figuren in der Hohen Zeit der Gotik im Jahre 1225. Sie gelten als Meisterwerk des Hochmittelalters.
Anlässlich des Jubiläumsjahrs „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ hat das Erzbistum Bamberg mehrere Runde Tische einberufen, um verschiedene Meinungen einzuholen: wie soll man mit dem antijüdischen Erbe umgehen? Und begünstigt der Antijudaismus den gegenwärtigen Antisemitismus?
Podiumsdiskussion und Runder Tisch
Auf einer Podiumsdiskussion im hellen Dominikanerbau der Universität Bamberg fand sich am 7. Juli 2021 um Josef Schuster (Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland) und Ludwig Schick (Erzbischof von Bamberg) ein Gesprächskreis zusammen, der sich auf vorwiegend theologischer und denkmalpflegerischer Grundlage am weiteren Schicksal der Synagoga- und Ecclesia-Statuen im und am Bamberger Dom abarbeitete. Dabei wurden aus den mittelalterlichen antijüdischen Stereotypen Bezüge zum heutigen Antisemitismus hergestellt. Auch bei dieser Veranstaltung lag der Schwerpunkt auf christlichem Antijudaismus, während die meisten Juden sich heute eher von Muslimen bedrängt fühlen. Die deutschen Leitmedien bagatellisieren dieses aktuelle Problem ebenso wie der Zentralrat der Juden.
Verschiedene Ideen zum Verbleib oder zur Entfernung der beiden Statuen wurden erörtert. Der Erzbischof Ludwig Schick plädierte für einen Verbleib beider Statuen im Inneren des Doms. Wohingegen sich Herr Schuster für einen Verbleib von Synagoga und Ecclesia außerhalb des Doms, in einem Museum, aussprach. Damit aber wird weder der Antisemitismus noch die Israelfeindlichkeit verschwinden. Vertreter der Denkmalpflege sind für einen Verbleib beider Statuen im Dom, wo sie sich derzeit schon befinden.
Weitere Vorschläge waren beispielsweise die Aufstellung moderner Skulpturen, die eine Versöhnung von Judentum und Christum fröhlich verkünden, verbunden mit dem frommen Wunsch, dass die ehemalige antijudaistische Deutung abgemildert wird oder gar verschwindet. Eine Pädagogin empfahl eine Fotodokumentation im Inneren des Domes über das Leben und Sterben von Juden in deutschen Konzentrationslagern. Sie erhoffe sich eine erzieherische Wirkung und Mahnung zugleich.
Im Gespräch mit Dr. Dr. Matthias Scherbaum, Theologe und Philosoph, kam der Gedanke, Aufklärung über die beiden Statuen im Dom mittels QR-Codes sichtbar zu machen. Einer der wenigen vernünftigen und umsetzbaren Vorschläge!
Die Judaistikprofessorin an der Uni Bamberg, Susanne Talabardon, stellte eine „weise“ Frage. Sie wollte wissen, ob denn bei der Veranstaltung auch Juden anwesend seien und was deren Meinung zum Verbleib der beiden Statuen wäre. Dies sei doch interessant, denn schließlich beträfe es vor allem sie. Es meldete sich niemand. Die jüdische Gemeinde hatte nur drei Karten erhalten zu dieser exquisiten Veranstaltung.
Wie wirken Ecclesia und Synagoga heute auf Juden?
Beide Statuen stehen jetzt ohne Seligpreisung und Verdammnis, auf sich selbst zurückgeworfen, im südlichen Schiff des Domes.
Eine mögliche Antwort könnte sein:
Von der einst triumphierenden Ecclesia ist nicht viel geblieben. Die Kirche ist inzwischen in die „Jahre gekommen“. Ohnmächtig und handlungseingeschränkt steht sie da: ohne Hände, Kelch und Kreuzstab. Angekommen in der Gegenwart. Sehr authentisch!
Und Synagoga? Tapfer und anmutig hat sie alle Demütigungen ertragen. Es mag sein, es gleiten ihr die Tafeln aus der Hand. Aber sie liegen nicht auf dem Boden. Und Synagoga hat ihre Treue bewahrt und den Bund nicht gebrochen, und sie steht schöner da denn je: anmutig und stolz.
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