Eine unangepasste Perle im Pro-Merkel- Gleichklang des deutschen Medienbetriebes

Das bekannte und vielgelesene Internetportal „Deutsche WirtschaftsNachrichten“ (DWN) thematisiert regelmäßig als eine der ganz wenigen Medien-Plattformen die Mitschuld der Bundeskanzlerin am Anstieg des Antisemitismus in Deutschland.

Die „Deutschen WirtschaftsNachrichten” gehören zu Bonnier, das einst als kleine Buchhandlung begann. Oben rechts der Gründer Gerhard Bonnier.

Kennen Sie den schwedischen Medienkonzern Bonnier? Er zählt zu den größten Verlagshäusern weltweit und wurde von einer aus Dresden stammenden jüdischen Familie gegründet. Dem bis heute familiengeführten Konzern gehören in Schweden Fernsehkanäle, Buchverlage, Filmstudios und die großen überregionalen Tageszeitungen „Dagens Nyheter“ und „Expressen“. In Deutschland, der alten Heimat seiner Besitzerfamilie, hat Bonnier mittlerweile die Buchverlage Carlsen, Piper, Econ, Ullstein, Riva und viele weitere übernommen. Bonnier wurde so zum zweitgrößten Akteur auf dem deutschen Buchverlagsmarkt – gleich nach der Bertelsmann-Tochterfirma Random House. Zu den hiesigen Beteiligungen von Bonnier gehört auch das vielgelesene Berliner Internetportal und Magazin „Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“ (DWN). Die JR-Redaktion traf Hauke Rudolph, den Chefredakteur der Nachrichtenseite mit dazugehöriger Zeitschrift, zum Interview.

 

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Wie kam es dazu, dass der Dresdner Jude Gutkind Hirschel den Grundstein für den heutigen Weltkonzern „Bonnier“ legte? Und warum heißt der Konzern heute nicht „Hirschel“?

Rudolph: Gutkind Hirschel (1778–1862) war unternehmerisch und sprachlich sehr begabt. Geboren in Dresden, studierte er in Prag und wanderte im Alter von 17 nach Kopenhagen aus. Dort gründete er zunächst eine Leihbibliothek – Bücher waren damals sehr teuer – und unterrichtete Französisch, was er sehr gut beherrschte, da seine Mutter aus dem französischen Ort Bonnet in Lothringen stammte. Anschließend begann er eine Karriere als Buch- und Zeitungsverleger.

Gleich nach seiner Ankunft in Kopenhagen änderte der Neuankömmling seinen Namen in Gerhard Bonnier. Was ihn dazu bewog? Heute würde man seine Beweggründe Marketing-Überlegungen nennen. Es waren die Jahre, in denen sich Frankreich unter Napoleon Bonaparte zur führenden Nation erhob, und da klang „Bonnier“ einfach lässiger als „Hirschel“. Wie er auf „Bonnier“ kam, wissen wir nicht mehr. Vielleicht ließ er sich vom Herkunftsort seiner Mutter inspirieren, vielleicht aber auch von der traditionellen französischen Mütze (Bonnet). Es könnte sich aber auch um eine freie Übersetzung seines Vornamens „Gutkind“ handeln (gut = bon/Kind = enfant). Im Endeffekt kann man darüber nur spekulieren.

Gerhard Bonnier hatte elf Kinder. Sein ältester Sohn Adolf wanderte nach Stockholm aus, weil er dort für seine unternehmerischen Ambitionen bessere Perspektiven sah – der schwedische Markt war größer als der dänische, und unterversorgt. Darüber hinaus befand sich Dänemark damals im Krieg, und dementsprechend wenig locker saß das Geld. Adolf gründete Buchhandlungen in Göteborg, Uppsala und schließlich in der Altstadt von Stockholm. Die Geschäfte, vor allem in Stockholm, liefen ausgezeichnet, und so holte Adolf seinen Bruder Albert in die Firma. Dieser war geborener Unternehmer, machte sich nach einiger Zeit selbständig und gründete einen Buchverlag. Etwas später startete Felix, Adolfs Sohn, in Göteborg mit der Herausgabe einer Zeitung. Aus Alberts Buch- und Felix‘ Zeitungsverlag entstand das heutige Unternehmen „Bonnier“, ein global operierender Großverlag mit insgesamt 175 Einzelunternehmen in 15 Ländern.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Durch die selbst veranlasste Namensänderung des Gründervaters sind die jüdischen und deutschen Wurzeln des Bonnier-Konzerns nicht mehr sofort erkennbar. Gibt es denn noch „jüdische Spuren“ im Unternehmen, die an die Gründer erinnern?

Nicht wirklich. Natürlich hat das Unternehmen einen jüdischen Ursprung, aber heute bekennt sich kein Mitglied der Familie mehr aktiv zum Judentum. Die Familie gehört formell der Lutherischen Kirche an, wobei die Religion in der Familie keine große Rolle spielt. Aber selbstverständlich pflegt sie Beziehungen zu jüdischen Familien, vor allem mit solchen, die sich in derselben Zeit wie die Bonniers in Schweden niedergelassen haben. Die Freundschaften reichen also rund zwei Jahrhunderte zurück. Ab und zu zeigt man seine geschichtliche Verbundenheit mit dem Judentum auch in Form von Sponsoring.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Der frühere Herausgeber der „DWN“ und heutige Herausgeber der „Berliner Zeitung“, der Österreicher Michael Maier, befasste sich unter anderem für die Jerusalemer Universität wissenschaftlich mit Antisemitismus in den Medien der DDR. Hat er aufgrund seines Interesses häufiger über Israel berichtet?

Die „DWN“ haben der Berichterstattung über Israel stets einen angemessenen Raum eingeräumt. Berichtet wurde und wird über politische Ereignisse sowie recht häufig über Wirtschaft mit Hinblick auf Spitzentechnologie, gerade im Bereich Software und Telekommunikation. Israel verfügt ja über eine sehr dynamische Start-up-Szene, die äußerst erfindungsreich ist. Innovationen aus israelischen Tech-Schmieden waren und sind immer wieder Gegenstand der Berichterstattung. Mit den jüngsten Raketen-Angriffen auf Israel durch die Hamas hat sich vor allem unser Kolumnist Ronald Barazon mit Analysen und Kommentaren gründlich befasst.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Was ist Ihre Meinung zur Israel-Berichterstattung der deutschen Medien im Allgemeinen?

Über Israel wird oft und viel berichtet – selbstverständlich haben alle größeren Zeitungen, Zeitschriften sowie Fernseh- und Rundfunksender eigene Korrespondenten im Land. Deren Artikel, Meldungen und Reportagen sind in der Regel angemessen und ausgewogen. Sie leben ja auch dort, können die Verhältnisse beurteilen, haben Zugang zu wichtigen Akteuren, kennen die Menschen, sind in der Lage, wertvolle Quellen aufzutun. Sowie es zu größeren Ereignissen kommt – in der Regel kriegerischer-terroristischer Natur – nimmt die Qualität der Berichterstattung manchmal ab. Dann müssen nämlich auch Journalisten, die sich nicht vor Ort befinden, also hier in Deutschland sind, ihren Teil zur Berichterstattung beitragen. Demensprechend oberflächlicher wird das Gesagte und Geschriebene, was aber ganz natürlich ist – nicht jeder kann Spezialist für jedes Thema sein. Das ist aber kein Israel-spezifisches Phänomen; nicht jeder Kommentar, der zur amerikanischen Politik veröffentlicht wird, stammt von einem Auslandskorrespondenten, nicht jede Analyse zur Politik Russlands von jemandem, der seinen Schreibtisch in Moskau hat. Dass die Israel-Berichterstattung nicht immer ausgewogen ist, hat aber nicht ausschließlich mit fehlendem vertieftem Wissen zu tun. Gerade bei eher dem links-liberalen Spektrum angehörigen Medien findet sich immer wieder eine gewisse Distanz zu Israel. Und auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kann man gewiss nicht vorwerfen, eine pro-israelische Haltung einzunehmen. Die Semantik ist da manchmal sehr vielsagend.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Die „DWN“ bringen wie die JÜDISCHE RUNDSCHAU viele Nachrichten, die andere Medien weglassen. Welche Nachrichten findet man vor allem nur bei Ihnen? Werden die „DWN“ dafür gelegentlich angegriffen?

Die „DWN“ sind ein relativ kleines Medium, das in seiner Berichterstattung naturgemäß selektiv sein muss. Beispielsweise dokumentieren wir Parteipolitik nur in geringem Maße. Darüber hinaus schreiben wir primär über tatsächliche Geschehnisse – Verlautbarungen, Ankündigungen oder Absichtserklärungen schenken wir in der Regel keine Beachtung. Unser Bestreben ist es, die Leser mit Informationen zu versorgen, die sie bei anderen Medien nicht finden. In einigen Bereichen verfügen wir über eine besondere Expertise und Zugang zu äußerst vielen Quellen – beispielsweise Geopolitik, Rohstoffe, das internationale Finanzsystem sowie Kryptowährungen. Wichtig ist uns darüber hinaus, Ereignisse von allen Seiten zu beleuchten. Dabei gehen wir selbstverständlich nicht dogmatisch vor – wenn wir mit der Mehrheit der anderen, auch der großen Medien übereinstimmen, dann ist das eben so, wir vertreten nicht aus Prinzip eine andere Meinung. Aber unser Ziel, man kann sagen, unsere Daseinsberechtigung als kritisches Medium ist es, Zusammenhänge zu analysieren und aufzuzeigen, die andere nicht erkennen, manchmal auch absichtlich übersehen. Natürlich werden wir immer mal wieder kritisiert, auch mal scharf angegangen – das geschieht fast allen Medien so. Als Journalist sollte man so etwas als Bestätigung seiner Arbeit ansehen – zeigt es doch, dass man einen Nerv getroffen hat.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Der zur Bonnier-Gruppe gehörende Carlsen-Buchverlag in Hamburg war im März das Ziel einer chinesischen Kampagne, um die Veröffentlichung eines Kinderbuchs zu verhindern, in dem China als Ursprungsland der Corona-Epidemie genannt wurde. Der Carlsen-Verlag hat nachgegeben und änderte den Buch-Text. Wie ist es Ihrer Ansicht nach um die Medien- und Meinungsfreiheit in Deutschland bestellt?

Hierzulande herrscht keine Zensur. Allerdings macht sich in Deutschland die Unsitte breit, mit juristischen Mitteln die Pressefreiheit einschränken zu wollen. Die Chance, nach einem kritischen Artikel eine Unterlassungserklärung von einem Medienanwalt zu erhalten, ist heute viel größer als noch vor ein paar Jahren. Darüber hinaus üben bestimmte gesellschaftliche Gruppierungen im Namen der „Political Correctness“ Druck aus. Damit wollen sie nur erreichen, dass Journalisten die berühmte „Schere im Kopf“ haben und über Geschehnisse und Zusammenhänge, deren Thematisierung von eben diesen Gruppierungen nicht gewünscht wird, nicht mehr berichten. Davon muss man sich als Journalist frei machen, sonst verliert man seine Fähigkeit, Missstände kritisch und offen zu benennen und anzuprangern.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Warum hat sich Bonnier am Nachrichtenportal „DWN“ beteiligt und welche Investitionsfelder sehen Sie für die Zukunft?

Die „Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“ waren und sind eine hervorragende Geschäftsmöglichkeit. Bei Bonnier ist man daran interessiert, die Aktivitäten auf dem deutschen Medienmarkt auszubauen. Deutschland ist ein sehr großer und attraktiver Markt, der wohl wichtigste Europas. Das Buch- und das Zeitungsgeschäft – digital wie gedruckt – werden laut Bonnier in Stockholm auf absehbare Zeit das Kerngeschäft bleiben.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Vielen Dank für dieses Gespräch.

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