Realitäts-Verleugnung und Harmonisierungs-Träumerei: Das „House of One” und der kleinste gemeinsame Nenner

Nach Jahrzehnten des als vollkommen gescheitert anzusehenden Religionsdialoges wurde nun in Berlin der Grundstein für das sogenannte „House of One“ für Christen, Moslems und Juden gelegt. Angesichts der Christen- und Judenverfolgung in islamischen Ländern wird damit dem quasi nicht integrierbaren Islam mithilfe von Steuergeldern ein weiteres Alibi geschaffen.

Von Roger Letsch

Dass es am Ende zehn Jahre bis zur feierlichen Grundsteinlegung des „House of One“ in Berlin gedauert hat, lag sicher nicht nur an der wackeligen Finanzierung und der langwierigen Auswahl eines Entwurfs für die äußere Architektur. Es lag auch an der labilen inneren Struktur dieses neuen Symbols des „interreligiösen Dialogs“, die mit viel politischen Mörtel gefestigt werden musste. Glaubt man den Beteuerungen des Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, wird es sich beim „House of One“ um einen „Ort der Toleranz und Offenheit“ handeln und Bürgermeister Michael Müller nahm die Grundsteinlegung zum Anlass, das Bekenntnis Berlins zu „Toleranz und Weltoffenheit“ zu erneuern. Angesichts der gelebten und demonstrierten existenziellen Intoleranz gerade gegenüber Juden auf den Straßen und Plätzen Berlins wohnt dieser Erklärung leider ähnlich viel Substanz inne wie dem Siegel „Schule ohne Rassismus“. Sie merken schon, liebe Leser, ich bin kein Fan dieser neuen zelebrierten Dreieinigkeit, wenngleich ich dem Projekt alles erdenklich Gute wünschen möchte. Es ist nur leider wie bei so vielen guten Gedanken, wenn sie in Deutschland auf fruchtbaren Boden fallen: der Efeu, der aus ihnen wächst, verdeckt die Realität.

Potemkin’sche Dörfer

Die „Berliner Zeitung“ spricht von einem „Wahrzeichen für Toleranz“, das da am Petriplatz entsteht. Ein gemeinsames Haus für die drei abrahamitischen Religionen, eine Kirche, eine Moschee und eine Synagoge unter einem Dach. Getrennt, aber verbunden durch einen Mittelbau. Viel architektonisches Hineinbedeuten, viel Metaebene, viel Wollen, zu viel Politik. Fragt man sich, wem da eigentlich ein Monument der Versöhnung errichtet werden soll, stellt man schnell fest, dass es nicht Judentum und Christentum sind, denen heute Brüderlichkeit und gegenseitige Achtung in Stein gemeißelt werden soll. Jesiden, Bahai und Buddhisten sind auch außen vor. Auch wenn man es nicht so deutlich sagt, so ist es doch der Islam, dem hier in einer Art seltsamen Provokationstherapie gezeigt werden soll, dass es auch anders, kooperativer und mit weniger Anspruch auf Absolutheit und nach dem Motto „ein Ungläubiger ist auch ein Mensch“ gehen kann.

Bitte nicht falsch verstehen, gegen Dialog ist nichts einzuwenden, auch zwischen den Religionen nicht. Ich fürchte aber, dass schon der Standort Berlin dafür sorgen wird, dass das Experiment politisch vereinnahmt wird und nach dem Sündenstolz, wie er anlässlich des fünften Jahrestages der Einweihung des Holocaust-Mahnmals („um dieses Mahnmal beneiden uns andere Völker“) nun eine Versöhnung mit der Realität gefeiert wird, die in Wirklichkeit nie stattfand. Im Gegenteil: Die unschönen Bilder von gegen Juden ganz allgemein und Israel im besonderen gerichteten Demonstrationen der letzten Wochen schreien geradezu nach einer warmen ideologischen Decke des Nichtwissenwollens, welche man darüber werfen kann.

Die Katholiken machen nicht mit

Die Politik braucht positive Symbolik, selbst dann, wenn sie nur in Form von verkopften Leuchttürmen existiert. Die „Drei“, die in diesem Projekt zu „One“ werden sollen, muss man sich schon durch eine ganze Reihe von Abstraktionen glatt denken. Eine kleine muslimische Gemeinde mit in Berlin gerade mal 5.000 Mitgliedern, die der Gülen-Bewegung nahesteht, kann schwerlich „den“ Islam verkörpern. Die beteiligte evangelische Kirche ist heute sowieso überall zu finden, wo dem Profanen, politischen Aktivismus gehuldigt und das Spirituelle vernachlässigt wird. Von anderen christlichen Kirchen ist in dem Projekt ebenso wenig zu finden, wie von den vielfältigen Strömungen und streitenden Meinungen im Judentum oder die zahlreichen Schismen im Islam. Kann es ja auch nicht, sage ich. Soll man ja auch nicht, wird der eine oder andere Leser vielleicht einwenden.

Doch wozu dann das Pathos? Wozu die absichtsvolle Auslassung alles Trennenden? Um die Gemeinsamkeiten umso heller strahlen zu lassen? Es mangelt ja weder an Gelegenheiten zur Begegnung noch an Gotteshäusern in Deutschland. Die freie Religionsausübung ist vom Grundgesetz garantiert. Es werden Kirchen abgerissen und Moscheen und Synagogen errichtet. Nur letztere müssen umfassend geschützt werden. Aus schlechtem, sehr traurigem Grunde, wie wir wissen. „House of One“ soll der wahr gewordene Traum vom Cumbaya sein, so wie ihn sich die Politiker erträumen, die die Menschen gern in Schachteln packen, um sie einschätzen, benutzen oder nach Interessen sortieren zu können. „House of One“ ist also ein politisches Projekt, kein gesellschaftliches oder religiöses.

Privatsache Religion

Nichts bringt heute Gelder, Ressourcen und Menschen zuverlässiger in Bewegung als die Religionszugehörigkeit. Muslime werden in Deutschland geradezu ausschließlich über diese Zugehörigkeit angesprochen und auch deren Bedürfnisse und die Anforderungen, die man an sie zu stellen wagt, werden darüber definiert. Was dazu führt, dass sie sich selbst häufig ausschließlich über eben diese Religionszugehörigkeit definieren. Als gäbe es keine anderen, der Religion entzogene Ebenen, auf der alle Menschen gleichermaßen „nur“ Konsumenten, Unternehmer, Steuerzahler, Hausbesitzer oder Hausbesetzer, Urlauber, Student, Passant, Leser oder sonst etwas sind, fliegen der Staat und die ihm zuarbeitenden Parteien, die Schulen, NGOs oder Initiativen auf dieses eine Merkmal wie Wespen zum Zwetschgenkuchen.

Hier setzten Förderprogramme an, werden Islamkonferenzen durchgeführt, Beauftragte ernannt, gibt es Posten und Pöstchen in einem ganzen Zirkus von Kümmerer-Organisationen zu besetzen, wird schon in der Ablehnung bestimmter religiös begründeter Praktiken eine Islamphobie erschnuppert und gern zur gesellschaftlichen Therapie geschritten. „House of One“ ist zwar kein genuin staatliches Projekt, es kann aber nur dank der politischen Hefe gedeihen, die man dem Most dieser Idee hinzugefügt hat. Dass sich daraus ein guter Wein keltern, auf Flaschen ziehen und exportieren lassen wird, wage ich zu bezweifeln.

0Im Grunde denke ich, „House of One“ zäumt das Pferd einfach von der falschen Seite auf. Statt gemeinsam zu beten und getrennt zu leben, sollten wir besser getrennt beten und gemeinsam leben. Dass es dazu nie kam, ist Teil des Versagens der Politik. Weil das, was unser Land an verbindenden säkularen Werten anzubieten hat, längst zu schwach ist, wird stattdessen nach einem religiösen kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht. Gefunden hat man ihn nicht, die Brüche sind einfach viel zu komplex.

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