Der Zentralrat und die Selbstverleugnung

Im „weltoffenen“ Bonn wurde im Mai 2021 die Synagoge Opfer eines Anschlags durch drei Syrer. Der Gemeindevorstand weiß ganz offensichtlich, warum der Antisemitismus seit einigen Jahren zugenommen hat, traut sich aber vor der Lokalpresse nicht zu einer klaren Stellungnahme.

Ebenso wie von den ebenfalls staatsfinanzierten evangelischen und katholischen Amtskirchen wird man auch vom Zentralrat in absehbarer Zeit keine wirkliche Kritik an Staat und Regierung zu hören bekommen. © WIKIPEDIA

Von Christoph Lövenich (Achse des Guten)

Am Dienstag wurde die Bonner Synagoge Opfer eines Anschlags. Glas am Gebäude wurde durch einen Steinwurf beschädigt, eine israelische Flagge vor dem Eingang verbrannt. Grüne Oberbürgermeisterin, gelber Vize-Ministerpräsident und andere Politprominente zeigten sich bestürzt, wo Bonn doch so „weltoffen“ sei. Drei junge Männer sind geständig, Syrer mit festem Wohnsitz in Deutschland.

Bestürzt waren natürlich auch Margaret Traub und Ricky Kaminski, die beiden Vorsitzenden der Bonner Synagogengemeinschaft. 2018 hatten sie dem regionalen General-Anzeiger ein ausführliches Interview gegeben. Es ging dabei auch um wachsenden Antisemitismus. Hier ein Auszug:

General-Anzeiger: Seit wann hat sich die Situation verschlimmert?

Traub: Seit drei, vier Jahren.

General-Anzeiger: Woran liegt das?

Traub: Dazu sage ich lieber nichts.“

Schweigen kann sehr beredt sein. Aber es wurde schon noch knallhart nachgefragt:

General-Anzeiger: Heißt das, Sie sehen einen Zusammenhang mit der Einwanderung aus islamischen Ländern?

Kaminski: Vielleicht trauen sich dadurch auch andere Leute eher, ihren Antisemitismus offen zu zeigen.“

Wer auch immer die anderen Leute sind, die sich mit ihrem Judenhass ohne arabische Unterstützung nicht aus dem Keller getraut hätten, sie waren es jedenfalls nicht, die in der Bonner Tempelstraße den ersten Stein geworfen haben. Keine „Verschwörungsideologen“ in dem Sinne, wie Anetta Kahane sie an die Wand malt, keine Rechtspopulisten, über die man sich – wie Charlotte Knobloch – taktisch empört.

 

Nach dem Anschlag in tröstendem Schulterklopfen üben

So wie oben äußern sich Funktionäre der unter dem Dach des Zentralrats der Juden organisierten Gemeinden, in einer „Selbstverleugnung“, die die Bundesregierung „mit 13 Millionen Euro jährlich finanziert“. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts agieren sie – wie auch die katholische und evangelische Kirche – halbstaatlich und staatsabhängig. So gelingt es ihnen nicht, eine eigenständige, zivilgesellschaftliche Stimme herauszubilden, die Projekte der Regierung, des gesellschaftlichen Mainstreams beziehungsweise des Zeitgeistes kritisch unter die Lupe nimmt.

Oder offen zu analysieren, wo die tatsächlichen Herausforderungen durch den Antisemitismus derzeit liegen. Dieser Tage drängt sich ja einiges an Anschauungsmaterial auf – aus unterschiedlichen Richtungen und verschiedenen Institutionen. Immerhin hat eine Funktionärin im zitierten Interview die einseitige Medienberichterstattung über Palästinensergewalt gegen Israel angeprangert. Ob die mutmaßlichen, syrischen Täter von Bonn so gut Deutsch beherrschen, dass sie vor Tatbegehung die aktuelle Nahost-Berichterstattung bei ARD und ZDF verfolgen konnten?

Die Bonner Politiker, die sich nach dem Anschlag nun in tröstendem Schulterklopfen üben, haben übrigens jahrelang zugesehen, wie sich die Bundesstadt und ehemalige -hauptstadt – lange vor der Flüchtlingswelle von 2015 – zu einer Hochburg des islamischen Fundamentalismus entwickeln konnte. Die Ansiedlung der (inzwischen aufgegebenen) König-Fahd-Akademie, einem fragwürdigen saudischen Bildungszentrum, war vor 25 Jahren sogar gefeiert worden. Von Salafisten verletzte Polizisten, ISIS-Anhänger, die Attacke eines Palästinensers auf einen israelischen Professor, das ist das „weltoffene“ Bonn.

Lautstark problematisieren darf man eigentlich nur den Medizintourismus aus zum Beispiel den Emiraten – dabei handelt es sich meist um Wohlhabende, die sich am Rhein Operationen unterziehen und von der Familie begleitet werden. Eine Übersprunghandlung, denn dieser Personenkreis hält sich hier nur temporär auf, bringt Geld mit und spielt bei der hiesigen Kriminalität keine Rolle (sondern ist lediglich von der Mülltrennung überfordert). So vermeidet man, stattdessen Sensibleres zu thematisieren.

Mit dem ritualisierten Gedenken zu jedem 9. November oder der offiziellen Empörung über den aktuellen Anschlag ist jedenfalls nicht viel gewonnen. Notwendig wäre, dem Problem mit unverstelltem Blick gegenüberzutreten.

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