Der Jom Jeruschalaim
Jerusalem ist nicht nur die Hauptstadt von Israel, sondern auch spirituelles Zentrum des Judentums und seit Jahrtausenden Sehnsuchtsort der jüdischen Diaspora. Am Jerusalemtag, feiert Israel die Befreiung der Stadt von arabischer Fremdherrschaft im Jahr 1967.
1967 konnten die israelis ihre Hauptstadt Jerusalem vollständig von den Arabern zurückerobern.© Emmanuel DUNAND, AFP
Jerusalem – das ist die Stadt, die das Herz der jüdischen Religion repräsentiert. Seit König Salomon vor 3.000 Jahren dort den Ersten Tempel errichten ließ, werden Gebete und Synagogen nach Jerusalem ausgerichtet, und seit der Zerstörung des Zweiten Tempels beten religiöse Juden an den Werktagen täglich für Jerusalem: „Habe Acht auf Jerusalem, deine Stadt. Lass deine Gegenwart in ihr wohnen und lass es bald und noch in unseren Tagen eine Stadt sein, in der deine Gerechtigkeit wohnt. Möge sie ein Zentrum des Gebets sein für alle Völker. Gepriesen seist du, Ewiger. Du baust Jerusalem.“
In Psalm 122 spielt Jerusalem die zentrale Rolle. Die Stadt ist Hoffnungsort und Vision, ihr Wohlergehen ist gleichsam angestrebtes Ziel, die Vision eines Zusammenlebens in Frieden.
In Psalm 137 heißt es schließlich „Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, dann soll mir die rechte Hand verdorren. Die Zunge soll mir am Gaumen kleben, wenn ich an dich nicht mehr denke, wenn ich Jerusalem nicht zu meiner höchsten Freude erhebe“. Und einmal im Jahr, am Ende des Pessachmahls, wünscht man sich „Nächstes Jahr in Jerusalem“ – und das tun selbst die sonst eher säkular lebenden Juden.
Die Ersten, die auferstehen werden
Jerusalem, das ist ganz wörtlich auch die Stadt des Friedens (ir schalem), und die Stadt der Visionen, wie es in Isajah 2:3-4 heißt: „Denn das Gesetz wird aus Zion kommen und das Wort G’ttes aus Jerusalem“ und „Sie werden aus Schwertern Pflugscharen und aus ihren Speeren Sicheln machen“. Die Vision vom Frieden ist mit der Stadt so eng verbunden, wie in den deutschen Medien die Bilder orthodoxer Juden in der Altstadt oder steinewerfender arabischer Jugendlicher – sicher besonders beeindruckende Bilder, aber die besonders umstrittene Altstadt ist nur ein kleiner Teil der Realität. Der andere ist eine hochmoderne Straßenbahn, die vom Herzlberg bis nach Ostjerusalem fährt, jenem Teil der Stadt, in dem die arabische Bevölkerung überwiegt, der wunderbar bunte und vielseitige Mahane-Yehuda-Markt, der größte Markt Israels im westlichen Teil der Stadt, der sich abends in eine Bar- und Partygegend verwandelt, ein Busbahnhof, von dem aus man in alle Teile des Landes kommt, der israelische Parlamentssitz Knesset sowie eine reiche Kunst- und Museenlandschaft.
Jerusalem – eine glückliche Stadt? Zumindest die zentrale Stadt mit einer langen jüdischen Tradition. Hier befindet sich das Grab Davids. Und auch der Friedhof am Ölberg ist ein beredtes Zeugnis davon. Die ersten Gräber stammen aus der Zeit des Ersten Tempels und sind etwa 3.000 Jahre alt. Er ist eine riesige Nekropole, die zweihundert- bis dreihunderttausend Grabsteine beherbergt. Nach rabbinischer Auslegung ist es dieser Platz vor den Toren Jerusalems, der den dort Begrabenen als ersten die Auferstehung ermöglicht, wenn der Messias kommt und mit ihnen vom Ölberg in die Altstadt Jerusalems zieht.
Andere Religionen erheben Anspruch auf Jerusalem
Jerusalem, die Stadt aus Gold, wie sie in einem Lied besungen wird ist, ist auch eine Stadt, die immer wieder gewaltsam umkämpft war und nach der Zerstörung des Zweiten Tempels nicht mehr unter jüdischer Regierung stand, sondern immer wieder unter unterschiedliche Herrschaftsreiche fiel, wie zuerst unter das Römische Reich und zuletzt unter das britische Imperium. Jerusalem wurde mit dem Beginn des Christentums zu einer Stadt, auf die nun auch andere Religionen einen Anspruch erheben: Die vielen Kirchen wurden zu einem Pilgerort für Christen, die zu Ostern den Kreuzweg Jesu auf der Via dolorosa nachvollziehen und in der bereits 335 nach Christus Geburt geweihten Grabeskirche, die sich verschiedene christliche Gemeinden teilen, beten. Mit dem Aufkommen des Islam wurde der Tempelberg, das höchste jüdische Heiligtum, der Ort des zerstörten Tempels, zu einem moslemischen Heiligtum: hier, am Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee ist angeblich Mohammed auf seinem Pferd in den Himmel geritten.
Zum ersten Mal konnten Juden nicht zur Klagemauer
Lange Zeit lebten die Menschen mit ihren unterschiedlichen Religionen weitgehend friedlich zusammen in Jerusalem. Das änderte sich jedoch zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter britischer Besatzung, spätestens ab den schweren arabischen Massakern an Juden im Jahre 1921. Nur wenige Stunden nach der Ausrufung des Staates Israel 1948 begann der erste israelisch-arabische Krieg. Die arabischen Nachbarn griffen an und Jordanien eroberte Jerusalem. Es war das erste Mal in der jüdischen Geschichte, dass Juden der Zugang zur Klagemauer verwehrt war und sie Jerusalem nicht mehr betreten konnten. So war auch die Geburt des neuen Staates zugleich Anlass zu Trauer. Erst 1967 im Laufe des Sechstagekriegs gelang es israelischen Soldaten, die Stadt zurückzuerobern. Der Jerusalemtag, der Tag an dem Jerusalem von jüdischen Soldaten zurückerobert wurde, wird am 28. Iljar gefeiert, der Tag, an dem nach jüdischem Kalender Juden nach der Staatsgründung erstmals wieder an der Klagmauer beten konnten. Obwohl dieses Datum bereits 1968 festgelegt wurde, hat der Feiertag erst seit 1998 einen nationalen Status. In diesem Jahr fällt er nach dem weltlichen Kalender auf den 10. Mai.
Den Juden sind Gebete auf dem Tempelberg verboten
Der nationale Feiertag symbolisiert die Bedeutung, die Jerusalem in der jüdischen Religion einnimmt und wird deshalb von arabischer Seite als Provokation betrachtet. Der Iran als einer der mächtigsten Feinde Israels und auch Teile der arabischen Welt konterten deshalb mit der Einführung eines „Al-Quds“-Tages (arabisch für Jerusalem-Tag), der am letzten Tag des Ramadans besonders in der iranischen Hauptstadt Teheran bombastisch inszeniert wird. Der Streit um Jerusalem ist also als Machtdemonstration inszeniert und zieht sich durch die letzten Jahrzehnte. Er ist zäh, denn an der Bedeutung Jerusalems für die Juden in aller Welt gibt es keinen Zweifel. Israel ist dabei durchaus um Ausgleich bemüht: Der Tempelberg steht unter jordanischer Verwaltung, Juden ist das Betreten offiziell untersagt. Als der israelische Oppositionsführer Ariel Scharon im September 2000 den Tempelberg dennoch besuchte löste dies langanhaltende Krawalle aus, die sicherlich keine spontane Reaktion, sondern von langer Hand geplant waren.
Gerade erst verkündete der „Palästinenserpräsident“ Machmud Abbas wieder einmal, die für Ende Mai geplanten Wahlen in den „palästinensischen“ Gebieten zu verschieben. Als Grund nannte er den Konflikt um Jerusalem. Es ist anzunehmen, dass dies nicht der wahre Grund für die Absage ist. Vielmehr herrscht nach 15 Jahren, in denen Wahlen immer wieder verschoben wurden, eine große Unzufriedenheit mit dem nicht einmal vermeintlich demokratisch legitimierten „Präsidenten“. Jerusalem als Faustpfand ist aber eine Trumpfkarte, die starke emotionale Reaktionen hervorruft und die Bevölkerung der „palästinensischen“ Gebiete bislang immer wieder jenseits der internen Streitigkeiten gegen den vermeintlichen Feind Israel in Stellung bringen konnte. Diese Ankündigung nur wenige Tage vor dem nationalen israelischen Feiertag „Jom Jeruschalaim“ dürfte so wie der geplante Zeitpunkt der wahrscheinlich wieder nicht stattfindenden Wahlen kein Zufall sein.
Israelis lassen es sich aber sicher nicht nehmen, die Stadt, die seit jeher eine zentrale Rolle in ihrem Leben gespielt hat – sei es als tatsächlicher Wohnort oder sei es als Symbol der Hoffnung und des Friedens – ausgelassen zu feiern. Die Stadt wird wie jedes Jahr mit Fahnen geschmückt werden, der Tag beginnt nach jüdischer Tradition am Abend mit einer Danksagung an der Klagemauer und dem Gedenken an die gefallenen Soldaten, es folgen Paraden und Prozessionen. Ein glücklicher Tag! Möge Jerusalem tatsächlich einmal die Hauptstadt des Friedens werden!
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