Wie der Araber Hamouda zum Juden Baruch Mizrahi wurde

Jüdischer Geist, jüdisches Schicksal: Die Geschichte eines Arabers, der zum Judentum konvertierte

Baruch Mizrahi; sein Grab© Wikipedia; Yehuz

Von Vladimir Hanelis und Israel Spektor

 

Es gibt ein einsames Grab auf dem Militärfriedhof in Netanya; weder Nachkommen noch Kameraden des hier begrabenen Helden kommen hierher. Die meisten sind bereits tot. Die Inschrift besagt: „Baruch Mizrahi, der Sohn von Sarah und Abraham, geboren in Tzefat (Safed, Hebrצפת ., - Anm. d. Übers.), mit 22 Jahren am 9. Nissan 5708 in Djenin gefallen. Möge seine Seele eingebunden sein in den Bund des Lebens“.

Der Mann, dessen sterbliche Überreste in diesem Grab ruhen, wurde 1926 in eine wohlhabende arabische Familie hineingeboren und trug den Namen Hamouda Abou El-Enian. Er ging zunächst auf eine staatliche arabische Schule, wechselte jedoch mit 14 auf eine jüdische. Seine Eltern versuchten, dies zu verhindern, waren aufgebracht – aber es half nichts. Mehr noch: Der Junge suchte den Kontakt zu der Organisation Beitar (Beitar - Hebr. בית"ר - war die 1923 in Riga von Wladinir Ze‘ev Jabotinsky gegründete zionistische Jugendorganisation, aus der die israelischen Parteien Cherut und Likud hervorgegangen sind, - Anm. d. Übers.). Doch auch die Juden waren misstrauisch, witterten Spionage und versuchten, den Eltern des Jungen gleich, ihn davon abzubringen, so, dass sie ihn gar in eine Schlägerei verwickelten. Dennoch gelang es ihnen nicht, den störrischen Hamouda von seiner Idee abzubringen. Als 1943 seine Mutter verstarb und der Vater seinen rebellischen Sohn für dessen Freundschaft mit Juden zu töten drohte, brach Hamouda vollends mit der Familie.

 

Kein Aschkenase

Er konvertierte zum Judentum, der Gijur wurde im Rabbinat von Haifa vollzogen. Baruch Markus, der Rabbiner, gab ihm den für einen konvertierten Juden üblichen Namen „Abraham, der Sohn von Abraham und Sarah“. Hamouda lehnte diesen Namen jedoch ab, da dieser, wie ihm schien, seinen Status als „neuer Jude“ allzu sehr preisgab und ihn somit dem Risiko aussetzte, identifiziert zu werden. Er suchte sich daher den neuen Namen Baruch Mizrahi selbst aus und meinte zu seinen Freunden: „Dass ich kein aschkenasischer Jude bin, sieht man mir an. Hieße ich Efraim Goldmann, hätte man mir ebenfalls Fragen gestellt. Baruch Mizrahi hingegen wird wohl keine Fragen aufwerfen.“ (Als aschkenasische Juden oder Aschkenasim (Pl.), Hebr. אשכנזים, bezeichnet man europäische Juden; Mizrahim (Pl.), Hebr. מזרחים, sind orientalische - aus dem Nahen Osten, Afrika und Asien - stammende Juden, - Anm. d. Übers.)

Zum Judentum konvertiert gehörte Baruch Mizrahi bald der Organisation Etzel an (Hebr. אִרְגּוּן צְבָאִי לְאֻמִּי, Irgun Zwai Le’umi, Abkürzung IZL oder Etzel, war eine zionistische paramilitärische Untergrundorganisation im britischen Mandatsgebiet Palästina, die bis 1948, dem Gründungsjahr des Staates Israel, existierte, - Anm. d. Übers.) und nahm an den Kampfoperationen gegen die britischen Truppen teil.

Folgendes verrät das Internet über sein weiteres Leben und seinen Tod:

1945 wird Baruch verhaftet und für einige Monate in ein Lager nach Latrun, dann in ein weiteres nach Eritrea deportiert. Seinen Verwandten gelingt es, mit den Briten seine Freilassung auszuhandeln; im Gegenzug soll Baruch zum Islam und der Familie zurückkehren. Jedoch lehnt er ab: „Ich werde mein Volk und meine Heimat nicht verraten.“ Am 17. Januar 1946 eröffnen die sudanesischen Wachposten auf die Gefangenen das Feuer, es gibt zwei Tote und 12 Verwundete; einer der Schwerverletzten ist Baruch Mizrahi. „Meine Gijur-Papiere sind weg. Wenn ich sterbe, tragen Sie bitte Sorge dafür, dass ich wie ein Jude beigesetzt werde“, bittet er den Oberrabbiner Israels Yitzhak Herzog, der im Winter 1946 das Lager besucht.

 

Die eigene Familie will ihn ermorden

Baruch überlebt. Zusammen mit anderen Gefangenen gräbt er Tunnel für die Flucht, wird jedoch im Dezember 1946 aus dem Lager entlassen. Nach Eretz Israel zurückgekehrt nimmt er erneut an den Kampfoperationen von Etzel teil.

Die Familie verliert letzte Hoffnungen, dass sich Mizrahi besinnt. Um der „Schande des Verrats“ zu entgehen, organisiert sie mehrere Attentate mit dem Ziel, Baruch zu ermorden. „Hamouda werden wir noch erwischen, blutige Tränen wird er vergießen“, soll sein Vater gesagt haben.

Einige Monate später wird Baruch abermals verhaftet und wieder freigelassen mit der Verpflichtung, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden. Zu dieser Zeit schließt er sich der Siedlergruppe Margolin an, die später das Moschav Nordia bei Netanya gründet. Mizrahi ist beliebt, er freundet sich schnell mit allen an, hilft gerne, arbeitet selbstlos und hält die Gebote des Judentums ein. Ende 1947 ist er bei der arabischen Abteilung von Etzel beschäftigt; dank seiner arabischen Herkunft kommt er leichter an wertvolle Informationen.

Im Mai 1948 wird der jüdische Staat ausgerufen. Wie erwartet brach unmittelbar danach der Unabhängigkeitskrieg aus. Zu Beginn des Krieges schlägt Mizrahi vor, das Hauptquartier von Fawzi al-Qawuqji, des Kommandeurs der „Arabischen Befreiungsarmee“, in Djenin zu sprengen. Mit einem arabischen Bus fährt er nach Djenin. Kurz vor der Stadt wird der Bus kontrolliert; die Qawuqji-Männer betreten den Bus, einer von ihnen erkennt Mizrahi. Er wird brutal geschlagen, gefesselt und in das Dorf Djaba gebracht. Zusammen mit Baruch nimmt man auch drei weitere Fahrgäste fest, die umterwegs mit ihm gesprochen hatten. Das Militärgericht in Djaba verurteilt sie alle zum Tode; sie werden noch am selben Tag hingerichtet.

Am Tag darauf veröffentlicht Etzel folgende Meldung: „Die Kommandeure und Soldaten der Nationalen Militärorganisation würdigen ihren Bruder, der während einer Kampfmission hinter der Front von arabischen Banden getötet wurde.“ Sein Grab blieb zunächst unbekannt. Daher hat man ihm zu Ehren auf dem Militärfriedhof am Herzl-Berg in Jerusalem ein Denkmal errichtet, im Abschnitt für Verschollene.

Unsere Erzählung jedoch begann auf dem Militärfriedhof in Netanya. Was war geschehen? 1967, nach dem Sechstagekrieg, kam Samaria als Teil des Westjordanlands unter die Kontrolle von Israel bzw. der Israelischen Streitkräfte (IDF). So gelang es Mizrahis Freunden, den Ort, an dem er verscharrt wurde, ausfindig zu machen und seine sterblichen Überreste zu identifizieren. Am 9. Oktober 1969 konnte Baruch Mizrahi auf dem Militärfriedhof in Netanya mit militärischen Ehren beigesetzt werden. Menachem Begin, der einstige Kommandeur von Etzel und spätere israelische Premierminister, hielt die Trauerrede, die von Jankel Ditkowski, dem Freund Mizrahis, in einem Satz zusammengefasst wurde: „Seine Seele brachte er den Juden dar.“

In der den acht gefallenen Etzel-Kämpfern gewidmeten Gedenkstätte in der Siedlung Nordia wird Baruch Mizrahi zu guter Letzt ebenfalls mit einer Gedenktafel gedacht.

 

Übersetzung aus dem Russischen von Irina Korotkina

 

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