Joseph Schmidt – der jüdische Superstar Österreichs der 30er Jahre

Einer der talentiertesten und bekanntesten Sänger der 1930er Jahre war der jüdische Tenor Joseph Schmidt. Mit seiner unverkennbaren Stimme eroberte er weltweit die Herzen.

Joseph Schmidt, eine Berühmtheit seiner Zeit
© WIKIPEDIA

Von Samira Kley

Die Autoren des Buches Unvergessliche Stimmen. Kleines Sängerlexikon, Karl-Josef Kutsch und Leo Riemens, beschrieben seinen Gesang wie folgt:

„Joseph Schmidt besaß eine der schönsten lyrischen Tenorstimmen seiner Epoche. An sich war diese Stimme nur klein, doch ihre enorme Tonhöhe und ihr nuancenreicher, ausdrucksschöner Vortrag verdienen noch auf seinen zahlreichen Schallplatten höchste Bewunderung.“

Schmidt ist im Jahre 1904 in der Stadt Dawideny als Sohn orthodoxer Juden, im österreichischen Kronland geboren und aufgewachsen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Stadt an Rumänien angegliedert, heute gehört sie zur Ukraine. Schon in seiner Kindheit sang er als Vorbeter im Israelitischen Tempel der nahegelegenen Stadt Czernowitz. Im Alter von 21 Jahren begann er ein Gesangsstudium an der Königlichen Musikschule Berlin, wo er durch den niederländischen Opernsänger Cornelis Bronsgeest entdeckt und von diesem an den Berliner Rundfunk vermittelt wurde. Durch seine geringe Körpergröße von nur 1,54 Meter blieb ihm sein sehnlicher Wunsch auf der Opernbühne zu stehen zeitlebens verwehrt.

 

Hausverbot in Berlin

Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, weltweit Karriere als einer der besten Sänger der 30er Jahre zu machen. Schmidt nahm während der Zeit als Opernsänger beim Berliner Rundfunk von 1929 bis 1933 zahlreiche Schallplatten auf und sang in unzähligen Rundfunkopern. Im Jahr 1939 ging er in Belgien auf Tournee. Seine Reise führte ihn durch die wallonische Stadt Lüttich, Ost-Flanderns Hauptstadt Gent, Antwerpen, Brügge, Kotrijk, die belgische Hafenstadt Ostende und Verviers. Auf seiner Tournee verkörperte er den Rudolf in der Oper „La Bohème“ von Komponist Giacomo Puccini. Kurze Zeit später sollte der talentierte Tenor den Canio in der Oper „Bajazzo“ singen, was allerdings durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten nicht mehr möglich war. Es ist überliefert, dass er am 20. Februar des Jahres 1933 letztmalig im Berliner Rundfunk die Oper „Der Barbier von Bagdad“ sang. Aufgrund seiner religiösen und ethnischen Zugehörigkeit durfte er das Funkhaus danach nicht wieder betreten.

 

Goebbels war ein Fan

Sein bekannter Film „Ein Lied geht um die Welt“ feierte am 9. Mai 1933 Premiere, einen Tag vor der – durch den „Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund“ initiierten – Bücherverbrennung. Im Film spielt er einen jungen Tenor namens Ricardo, der sich mit seinem Freund Rigo, ebenfalls Sänger, eine Wohnung teilt. Nachdem er beginnt seine Stimme der Öffentlichkeit zu präsentieren, werden Radiosender auf ihn aufmerksam und er wird so zu einer Berühmtheit. Er verliebt sich unglücklich in die Schallplattenverkäuferin Nina, die mit seinem Freund und Zimmergenossen Rigo eine Liebschaft beginnt. Daraufhin entzweien sich die Freunde, finden aber während eines gemeinsamen Auftritts wieder zueinander. Joseph Goebbels, einer der einflussreichsten nationalsozialistischen Politiker und enger Vertrauter Adolf Hitlers, war zu dieser Uraufführung ebenfalls zu Gast. Er verehrte Schmidt und plante, ihn zum „Ehrenarier“ ernennen zu lassen.

 

Flucht nach Österreich und Frankreich

Einen Tag nach seiner Filmpremiere floh Schmidt nach Wien. Seine Flucht brachte ihn später nach Palästina, wo man ihm Schutz gewährte und nach New York, wo er an der Carnegie Hall seiner Tätigkeit als Sänger weiter nachgehen konnte. Später gab er noch vereinzelt Konzerte in Deutschland für den Jüdischen Kulturbund. Im Jahre 1940 reiste Schmidt unglücklicherweise nach Frankreich, wo er in La Bourboule, einer kleinen Gemeinde in den Auvergne-Rhone-Alpen, zwangsinterniert wurde. Nach einigen erfolglosen Ausbruchsversuchen gelang ihm im Oktober 1942 schließlich doch die Flucht. Zu Fuß überquerte er die schweizerische Grenze. Durch die Witterungsverhältnisse und Mangelernährung brach er geschwächt in Zürich auf offener Straße zusammen. Da jüdische Flüchtlinge in der damaligen Schweiz nicht als politisch Verfolgte galten, brachte man ihn erneut in ein Internierungslager nach Girenbad, wo er mit der Begründung seinen Fall abklären zu müssen, festgehalten wurde. Von Girenbad aus beantragte er eine Arbeitserlaubnis, die zunächst abgelehnt wurde. Kurz darauf stellte man bei ihm eine Halsentzündung fest, woraufhin man ihn in das Kantonspital Zürich einwies. Seine Halsentzündung behandelte man zwar erfolgreich, seine Schmerzen in der Herzgegend, über die er klagte, wurden hingegen ignoriert. Das führte dazu, dass er zwei Tage nach seiner Entlassung aus dem Spital, im Restaurant Waldegg nahe des Lagers Girenbad, zusammenbrach und mit nur 38 Jahren an Herzversagen verstarb.

 

Wertschätzung nach seinem Tod

Die grausame Politik der Nazis nahm einem erstklassigen Tenor das Leben und einer ganzen Generation ein Stück Kultur. Glücklicherweise ließ man Schmidts Werke nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes wieder aufleben.

So nahm die Wienerin Gertrud Ney-Nowotny große Anstrengungen auf sich, um der Familie Schmidt, die in Rumänien in große Schwierigkeiten geraten war, zu helfen. Joseph Schmidts Mutter Sara übertrug Ney-Nowotny sämtliche Vollmachten, um die Hinterlassenschaften ihres Sohnes weltweit suchen lassen zu können. Frau Ney-Nowotny veröffentlichte zum zwanzigsten Todestag von Joseph Schmidt, zusammen mit ihrem Vater Karl, die tatsachengetreue Biografie „Ein Stern fällt – Leben und Sterben eines Unvergesslichen“.

Nachdem auch Gertrud Ney-Nawatny verstarb, kümmerte sich Berty Rossetti weiter um Schmidts Erbe. Sie pflegte sein Grab auf dem Israelitischen Friedhof „Unterer Friesenberg“ in Zürich und setzte sich dafür ein, dass der Ausnahmekünstler auch weiterhin öffentlich wahrgenommen wurde. Sie organisierte Ausstellungen, trat in Radiosendungen auf, in denen sie über ihn sprach, und ließ 1967 eine Gedenktafel am Sterbeort Schmidts, dem Restaurant Waldegg, errichten. Wenige Monate vor ihrem Tod übergab sie den Nachlass Joseph Schmidts an den damals erst 17 Jahre alten Alfred Fassbind, welcher ebenfalls eine umfangreiche Biografie über Schmidt verfasste.

In dem 1992 erschienenen Buch „Joseph Schmidt – Spuren einer Legende“ trug Fassbind kritisch alle Facetten des Künstlers und Menschen Joseph Schmidt zusammen. Fassbind, der selbst 35 Jahre als Tenor im Fach Lied, Oratorium und Bühnengesang in ganz Europa aufgetreten war, gab sich Mühe der jüngeren Generation Schmidts Werke nahe zu bringen. So wiederveröffentlichte er in den 90er Jahren über 200 Tonaufnahmen Schmidts auf CD und sprach in unzähligen Radio- und Fernsehsendungen über ihn. Heute betreut er das Joseph-Schmidt-Archiv im schweizerischen Oberdürnten.

Auf dem Grab des einst gefeierten Opernsängers kann man die hebräische Inschrift „hameshorer hamfurssam“ (Der berühmte Sänger), sowie „Ein Stern fällt ... Joseph Schmidt Kammersänger 1904–1942“ lesen. Joseph Schmidt war wahrlich eine Koryphäe seines Genres und ein leuchtender Stern am Opernhimmel – als diesen sollten wir ihn heute feiern und in Erinnerung behalten. Seine großartigen Stücke kann man sich auf der Netzseite des Joseph-Schmidt-Archiv anhören.

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