Wie die Balfour-Erklärung zustande kam (Teil 2)

Die Historiker diskutieren bis heute über die Balfour-Deklaration und über die doppelzüngige Politik der britischen Regierung. Ohne Balfour-Erklärung gäbe es keinen jüdischen Staat. Wenig bekannt ist die Geschichte, wie es zu dieser Erklärung kam. Eine besondere Rolle bei deren Zustandekommen spielte der spätere Präsident Israels Chaim Weizmann.

Arthur James Balfour

Von Karl Pfeifer

Eine seiner wichtigsten Bekanntschaften machte Weizmann bei einer gesellschaftlichen Zusammenkunft, zu der ihn seine Ehefrau Anfang November 1914 in Manchester gedrängt hatte. Bei diesem Nachmittagstee wurde er Mr. Scott, dem Herausgeber der bekanntesten liberalen Tageszeitungen „The Manchester Guardian“ vorgestellt. „Ich sah vor mir einen hohen, vornehm ausschauenden, älteren Herren, der aber sehr aufmerksam war und sich für meinen Ursprung und Arbeit interessierte“, und sagte ihm, „Ich bin ein Jude und wenn Sie mit mir darüber sprechen wollen, Mr. Scott, dann stehe ich Ihnen zur Verfügung.“

Der ältere Zeitungsherausgeber begann sich für Weizmann zu interessieren und Weizmann öffnete sein Herz einem völlig Fremden. Vielleicht fühlte er die gemeinsamen liberalen Werte. Es war der Anfang einer außerordentlichen Freundschaft. Nach ihrem zweiten Gespräch sagte Scott: „Ich möchte etwas für Sie tun.“ Er kannte die meisten Regierungsmitglieder und schlug vor, Herbert Samuel, den Verantwortlichen für die lokale Verwaltung zu treffen. Weizmann befürchtete, dass dieser wie die meisten der jüdischen Elite in England damals, keine Sympathien mit der zionistischen Bewegung habe. So sprach Scott zuerst mit Lloyd George und bat ihn, diesen außerordentlichen Zionisten aus Manchester zu treffen. Lloyd George stimmte zu, denn er hatte soeben über Zionismus mit Herbert Samuel gesprochen, vielleicht würde Dr. Weizmann mit beiden zusammentreffen. Lloyd George musste die Termine mehrmals verschieben, so dass er Weizmann bat, Samuel allein zu treffen. Am Nachmittag des 9. Dezembers nahm Weizmann den Zug nach London, übernachtete in der Wohnung von Achad Ha’am in Haverstock Hill und traf Samuel am nächsten Vormittag in seinem Whitehall Büro.

Weizmann erklärte die zionistische Position, die Samuel geduldig anhörte. Dann wurde er von Herbert Samuel überrascht: „Seitdem die Türkei in den Krieg gezogen ist, hat er [Samuel] viel daran gedacht. Die Verwirklichung des zionistischen Traums ist möglich…. Große Dinge wird man in Palästina machen müssen… Die Juden müssen Eisenbahnlinien, einen Hafen, eine Universität bauen und ein Netz von Schulen.“ Weizmann reagierte: „Wäre ich ein religiöser Jude, so würde ich denken, die Zeit des Messias ist nicht fern.“

 

Palästina britisch machen

Weizmann kehrte ganz aufgeregt zu Achad Ha’ams Wohnung zurück. Drei Tage später schrieb er in einem Brief an seinen Freund. „Er [Samuel] sagte: Wir werden den Tempel wiederaufbauen als Zeichen jüdischer Einigkeit“. An Scott schrieb er, Samuel „fühle seine Verantwortung als britischer Minister und [als] Jude.“

Doch damit gab sich Weizmann nicht zufrieden. Er hatte das Mitglied des britischen Kriegsrates, den konservativen Arthur James Balfour, bereits vorher zwei Mal getroffen. Nun bat er einen gemeinsamen Freund, eine dritte Besprechung möglich zu machen. Es war eine kluge Bitte, denn bislang hatte Weizmann nur liberale Politiker kennengelernt, die Konservativen teilten nicht die anti-imperialistischen Skrupel gewisser Liberaler, wie Grey. Sie waren nicht dagegen Palästina britisch zu machen.

Arthur James Balfour spielt nicht nur wegen seiner Deklaration eine große Rolle in der Geschichte des Zionismus, sondern auch für die Vorbereitung und seiner unterstützenden Haltung nach der Deklaration. Er kam aus der aristokratischen politischen Cecil-Familie, die von Lord Burghley, dem Berater der Königin Elisabeth I., abstammte. Familienmitglieder gab es im Parlament, im Foreign Office und unter seinen Diplomaten. Balfour verfasste auch gelehrte Bücher über Philosophie, in denen er versuchte den Darwinismus mit der Religion zu versöhnen. Er war ein Anhänger des parlamentarischen Systems für die englischsprachigen Völker und unterstützte den britischen Imperialismus.

Balfour schrieb an Weizmanns Freund: „Ich habe die lebhafteste und sehr angenehme Erinnerung an mein Gespräch mit Dr. Weizmann 1906… und werde ihn gerne empfangen.“

Weizmann traf den Aristokraten in dessen schönem Haus 12 Carlton Garden, nicht weit vom Foreign Office, am 12. Dezember. Weizmann war zufrieden mit seinem Gespräch: „Balfour erinnerte sich an alles, was wir vor acht Jahren besprachen“. Weizmann schilderte die Entwicklung der zionistischen Bewegung seither. Balfour antwortete: „Sie werden ihre Arbeit nach dem Krieg viel schneller fortsetzen können.“

Weizmann erklärte einem skeptischen Philosophen und Politiker die Tragödie des Antisemitismus und was dagegen unternommen werden kann. Die beiden Männer sprachen von den Juden in Deutschland. Sie haben viel zur deutschen Größe beigetragen, „wie andere Juden zur Größe Frankreichs und Englands, auf Kosten des ganzen jüdischen Volkes, dessen Leiden, umso größer werden, wenn schöpferische Elemente von der umgebenden Gesellschaft absorbiert werden – denn diese machen uns später einen Vorwurf wegen dieser Absorbierung und reagieren mit Antisemitismus.“ Weizmann berichtete Achad Ha’am, dass Balfour aufmerksam zuhörte und ihn dann bei der Hand nahm und sagte, ich hätte ihn aufgeklärt über den Weg einer großen leidenden Nation.

Balfour begriff sofort den wesentlichen Unterschied zwischen Weizmann und anderen Juden, die ihn um Hilfe für verfolgte Juden gebeten hatten. „Was für eine große Differenz“, sagte er Weizmann, „denn Sie bitten nicht um irgendetwas… Sie fordern, und man muss Ihnen zuhören, denn Sie sind ein Staatsmann eines moralisch starken Staates.“ Er begleitete Weizmann zur Tür und sagte, „Bitte besuchen Sie mich wieder, Ich bin tief bewegt und interessiert, es ist kein Traum, sondern eine große Sache, die ich verstehe.“

 

Die katholische und orthodoxe Eifersucht

Weizmann fuhr nach Paris, wo mit Baron Edmond de Rothschild sprach. Am 15. Januar 1915 traf er Lloyd George und Herbert Samuel. Scott hatte ihn auf das Gespräch vorbereitet. „Sie werden vielleicht merken, dass er das Gespräch führen und Ihnen eine Menge Fragen stellen wird… er wird mehr wissen wollen über den jetzigen Umfang des jüdischen Elements in Palästina und die Möglichkeit eines raschen Wachstums; das Verhältnis zu der lokalen arabischen Einwohnerschaft, die viel größer ist; den Wert Palästinas als ‚Pufferstaat‘, wie wir eine nicht erwünschte Ausbreitung der militärischen Verantwortung vermeiden können und wie man die katholische und orthodoxe Eifersucht bezüglich der Obhut der Heiligen Orte zerstreuen kann.“

Weizmann war nervös als er in 10 Downing Street ankam, wo das Gespräch stattfand. Wie Scott voraussagte, bombardierte ihn der zukünftige Ministerpräsident mit Fragen. Weizmanns Charme wirkte auch bei ihm, Lloyd George wurde sein Unterstützer.

Weizmann versuchte auch im persönlichen Gespräch Lucien Wolf zu überzeugen, doch da scheiterte er. Dieser Vertreter der assimilierten Juden hatte sein eigenes Programm und es begann ein Wettbewerb um die Unterstützung der britischen Regierung.

Niemand hatte in Großbritannien mehr Erfolg bei der Assimilation als Edwin Montagu, er hatte von seinem Vater, dem Banker und liberalen Politiker Samuel Montagu (Lord Swaythling) ein riesiges Vermögen geerbt, er besaß ein Gut in Norfolk, wie andere Männer seiner Klasse ging er auch gerne auf die Jagd. Bereits als junger Mann war er Privatsekretär des Ministerpräsidenten Asquith und er heiratete die Aristokratin Venetia Stanley. Asquith konnte nicht vergessen, dass sein politischer Kollege ein Jude war, in seiner Korrespondenz mit Venetia, nannte er Montagu „den Assyrer“ und sein Londoner Haus „das seidene Zelt“.

Montagu war politisch raffiniert, emotional, boshaft und empfindlich. Er wusste, dass Asquith ihn nicht als einen Kollegen sah, der Jude war, sondern als einen Juden, der sein Kollege wurde. Montagu wollte anerkannt werden als Brite, dessen Religion jüdisch war. Am 16. März schrieb er einen Brief an Asquith, mit dem er sich gegen das Memorandum von Samuel wandte.

 

„Kann ich keine Juden sehen, die Olivenbäume pflegen“

„Palästina ist weder vom strategischen noch vom materiellen Standpunkt attraktiv“, der Besitz dieses Landes würde die Verteidigung von Ägypten und des Suez-Kanals nicht erleichtern. Die Juden würden auch nicht zufrieden sein als Landwirte. Was immer Zionisten, wie sein Vetter sagen, „kann ich keine Juden sehen, die Olivenbäume oder Schafherden pflegen“.

Doch das war nicht alles. „Es gibt keine jüdische Rasse als ein homogenes Ganze. Es ist ganz offensichtlich, dass die Juden in Großbritannien so entfernt sind von den Juden in Marokko oder die schwarzen Juden in Cochin wie die christlichen Engländer von den Mohren oder den Hindus.“

Als Wissenschaftler hatte Weizmann auch Zugang zum DMI, zum Chef der Millitary Intelligence, wo er auch Oberst Richard Meinertzhagen, den Nachkommen einer schon lang in England ansässigen dänischen Familie traf, der ihm bereits bei ihrer ersten Begegnung mitteilte einst Antisemit gewesen zu sein, und seine Meinung erst geändert zu haben, als er Aron Aronson im Nahen Osten traf und so zum Zionisten wurde.

Aronson war Agronom in Sichron Yaakov und als solcher auch in die USA eingeladen, um das Landwirtschaftsamt der Regierung zu beraten. Er hatte Charisma und beeindruckte einige zionistische Wohltäter, die sein Projekt, eine landwirtschaftliche Versuchsstation in Atlit (südlich von Haifa) aufzubauen, finanzierten. Es war ein idealer Ort, um sich mit britischen Agenten zu treffen. Aronson war nach Kriegsausbruch auch verantwortlich für amerikanische Wohlfahrtsstiftungen in Jerusalem, wo er Dschemal Pascha traf. Im Sommer 1915 überfielen Schwärme von Heuschrecken das Land und Aronson bekam die Aufgabe, sie zu bekämpfen. Er konnte so das ganze Land bereisen und notierte in sein Tagebuch nicht nur seine Beobachtung der Heuschrecken, sondern auch wo osmanische Truppen und Waffen konzentriert waren. Seine Gespräche mit Dschemal machten ihm klar, dass der Zionismus von den Osmanen keine Unterstützung erwarten könne. Während die Juden in Erez Israel meinten, man dürfe nichts gegen die Osmanen unternehmen, baute Aronson das Spionagenetz NILI, nach den Anfangsbuchstaben eines Satzes aus der Bibel „Netzach Israel lo jeschaker“ (die Ewigkeit Israels wird nicht lügen). Aronson konnte den britischen Nachrichtendienst in Port Said überzeugen, und bald landete in Atlit ein britischer Seemann, um ein Dossier zu übernehmen.

 

Juden, Araber und Armenier befreien

Im Oktober 1917 gelang es den Osmanen eine von NILI gesandte Taube abzufangen – und fast alle Aktivisten wurden hingerichtet. Sara, die Schwester von Aronson, beging Selbstmord. Aron Aronson war zu dieser Zeit unterwegs auf einer abenteuerlichen Reise nach London. Dort machte er großen Eindruck auf Sir Mark Sykes, den Generalsekretär des Kriegskabinetts. Weizmann beschrieb diesen als einen frommen Katholiken, Großgrundbesitzer und Kenner des Nahen Ostens, der drei unterdrückte Völker befreien wollte, die Juden, die Araber und die Armenier.

Ein anderer Unterstützer von Weizmann war Leo Amery, der in Indien geborene Sohn eines britischen Offiziers und einer ungarischen Jüdin, die mit ihrer Familie zum Protestantismus konvertierte und nach England umzog. Amery war Klassenkamerad von Winston Chuchill in Harrow, wurde konservativer Politiker und sollte später Kolonialminister werden.

Sykes vereinbarte 1916 mit dem französischen Diplomaten F.G. Picot die Aufteilung des Nahen Ostens in britische und französische Einflusszonen, im Frühjahr 1917 informierten die beiden Diplomaten sowohl die führenden arabischen Persönlichkeiten als auch die Zionisten über ihren Plan. Allerdings wurden die Araber nicht informiert über die pro-zionistische Haltung der britischen Regierung.

Am 21. Juni 1917 verließ Henry Morgenthau, der ehemalige US-Botschafter in Istanbul, auf einem Schiff mit 18 Kisten Gold im Wert von 400.000 Dollar für die Juden Erez Israels, die Stadt New York. Er beabsichtigte die Osmanen vom Vorteil eines Sonderfriedens zu überzeugen und wollte auch im Namen der Zionisten sprechen. Weizmann traf ihn nach einer abenteuerlichen Fahrt über Frankreich und Spanien in Gibraltar. Er sagte dem amerikanischen Diplomaten klipp und klar: „Auf keinem Fall darf die zionistische Organisation identifiziert werden oder irgendwie mit den Versuchen einen separaten Frieden in Verbindung gebracht werden.“

 

Juden gegen den Judenstaat

Am 2. November 1917 nach einer heftigen Diskussion im Kriegskabinett hat Balfour seine bekannte Deklaration – aufgrund des Wunsches von Weizmann – an Lord Rothschild gerichtet. Edwin Montagu hielt eine emotionale Rede gegen die Deklaration und wiederholte alle antizionistischen Argumente. Die Heftigkeit, mit er seine Ansichten vorgetragen hatte, überraschte das Kabinett, denn er hatte fast geweint. Deswegen wurde dann auch eine Kompromissformel ausgearbeitet.

Weizmann wartete draußen und Sykes brachte Weizmann das Dokument mit den Worten „Dr. Weizmann, es ist ein Bub!“. Weizmann bemerkte in seinen Memoiren: „Nun, ich hatte zunächst nichts übrig für den Buben. Es war nicht derjenige, den ich erwartet hatte. Aber ich wusste, das ist ein großes Ereignis. Ich rief meine Frau an und besuchte Achad Haam.“

Chaim Weizmann und seine Kollegen hatten dazu den wesentlichen Beitrag geleistet. Ihnen ist es während der ersten drei Kriegsjahre gelungen mit der Elite der britischen Juden einen Kontakt herzustellen und viele von ihnen zum Zionismus zu bekehren.

Die berühmte Balfour-Deklaration

Die Befürworter der Assimilation, die das Foreign Office bedrängt haben hauptsächlich Juden in Russland und Rumänien zu schützen, konnten damit während des Krieges nicht weitermachen. Das wichtigste aber war, die Fähigkeit von Chaim Weizmann mit den in Großbritannien, Frankreich und Italien herrschenden Kreisen in Verbindung zu treten und ihnen klarzumachen, welchen Vorteil ihnen das zionistische Projekt während und nach dem Krieg bieten würde.

 

Deutschland schätzte die Juden schon höher ein

Sie benützten den Glauben dieser Menschen an die Macht des „Internationalen Judentums“, insbesondere an die jüdischen Finanzen in den USA und den jüdischen Einfluss auf die Kriegsgegner in Russland. Das waren unverschämte Übertreibungen, die aber ihren Zweck erfüllten. Weizmann warnte das Foreign Office, dass Deutschland bereits die jüdische Macht erkannt hat, und Angebote macht. Seine Argumentation überzeugte sowohl Philo- als auch Antisemiten. Im Nachhinein entdeckten Historiker, dass die jüdischen Financiers in den USA schon vor der Balfour-Erklärung den Alliierten wohlgesonnen waren. In Russland kamen fünf Tage später die Bolschewiken zur Macht, die entschlossen waren – ohne die Juden zu fragen – Russland aus dem Krieg zu führen.

Großbritannien verwaltete das Land als Ergebnis einer militärischen Besatzung. Die Pariser Friedenskonferenz 1919 und die San-Remo-Konferenz 1920 bestätigten die britische Herrschaft, und der Völkerbund bestätigte dies mit einem unbefristeten Mandat.

USA Präsident Wilson erklärte: „Ich bin überzeugt, dass die alliierten Nationen, mit der vollen Unterstützung unserer Regierung, einverstanden sind, dass die Grundlagen des jüdischen Commonwealth in Palästina gelegt werden.“

Anfang 1918 beschloss die britische Regierung eine zionistische Kommission nach Palästina zu senden, um die Lage zu begutachten und Pläne im Sinne der Balfour-Erklärung auszuarbeiten. Die Abfahrt sollte am 8. März 1918 erfolgen. Ein paar Tage vorher wurde Weizmann von Sykes informiert, dass König George V. ihn an diesem Tag empfangen wird. Der König wusste, dass Weizmann in Russland geboren wurde und sprach mit ihm über die russische Revolution, er sagte auch, „ich habe Nicky immer über die Risiken gewarnt sein Regime aufrechtzuerhalten; aber er hat nicht auf mich gehört“. Am Abend ging die Reise los über Frankreich nach Taranto in Italien. Von dort ging es mit einem Schiff neun Tage bis Alexandria. Hier traf Weizmann das erste Mal eine große sephardische Gemeinde und arabische Notabeln. Sie wurden gewarnt, Araber nie mit konkreten Fragen zu konfrontieren.

Zuerst konnte James de Rothschild ins Land fahren, wo er Gast des kommandierenden General Allenby war. Der nächste Gast von Allenby war Weizmann und erst danach kam der Rest der Kommission.

 

Judenfeindliche Briten

Das Hauptquartier befand sich in Bir Salem bei Ramleh in einem früheren deutschen Hospiz.

Die britischen Offizieren waren noch mit dem Krieg beschäftigt und nicht informiert über die Balfour-Erklärung. Eingeladen zum Abendessen bei General Allenby, beschwerte sich Weizmann über die feindliche Einstellung der britischen Zivilangestellten zur jüdischen Bevölkerung, die mit den Australiern und Neuseeländern hingegen keine Probleme hatte. Später aber besserte sich das Verhältnis der Administration zu den Juden.

Bald begann die zionistische Führung an den guten Absichten der Briten zu zweifeln. Ronald Storrs, der erste Militärgouverneur in Jerusalem, hat die Araber bevorzugt und der früher mit Zionisten verbündete Winston Churchill hatte 1922 in Kairo Transjordanien vom Mandatsgebiet getrennt. Und sogar Herbert Samuel, der erste britische Hochkommissar, schockierte die Zionisten, als er nach anti-jüdischen Unruhen im Mai 1921 die jüdische Einwanderung provisorisch einstellte und die arabischen Täter begnadigte. Nach 1922 gab es weniger Spannungen zwischen Briten und Zionisten. Doch 1930 erließ die Labour-Regierung das erste Weißbuch, das u.a. den jüdischen Landerwerb begrenzte. Der zionistische Protest war so stark, dass die Regierung dies zurücknahm. 1937 akzeptierte eine konservative Regierung die Vorschläge der Peel-Kommission zur Teilung des Landes. Doch 1939 erließ die Regierung Chamberlain wieder ein Weißbuch, die jüdische Einwanderung sollte auf 75.000 binnen der nächsten fünf Jahre und der Landerwerb ganz eingeschränkt werden.

Der 67 Wörter kurze Brief von Lord Balfour an Lord Rothschild wirft bis heute einen riesigen Schatten auf die Geschehnisse seitdem. Die Geschichte der jüdischen Staatswerdung begann nicht am 15. Mai 1948 mit der israelischen Unabhängigkeitserklärung, die viel der britischen Präsenz im Nahen Osten schuldet. Das Dreieck Briten, Araber und Juden war maßgebend für die demokratische Selbstverwaltung der Juden und die Schaffung von paramilitärischen Organisationen, die zum Kern des neuen Staates wurden. Dieses Dreieck erlebte Jahre der Harmonie, der Koexistenz und des Dialogs, während es miteinander nicht vereinbare Hoffnungen gab, ständig wachsende Spannung und am Ende einen totalen Zusammenbruch von Gesetz und Ordnung.

War die Balfour-Erklärung die Startrampe für den jüdischen Staat drei Jahrzehnte später? Oder Geburtsstunde eines hartnäckigen, noch zu lösenden israelisch-arabischen Konflikts?

Die Historiker geben verschiedene Antworten.

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