Patrick Bahners, seines Zeichens Feuilletonist der „Frankfurter Allgemeinen“, hält israelbezogenen Antisemitismus für eine reine Erfindung
Der Journalist und Islamverharmloser Bahners beklagt larmoyant, dass Zionismuskritik trotz ihrer offensichtlichen Judenfeindlichkeit zu Unrecht skandalisiert werde.
Der Journalist und Aktivist Patrick Bahners kämpft gegen Islamkritiker.© WIKIPEDIA
„Wer den ,Zionismus‘ angreift, aber beileibe nichts gegen die ,Juden‘ sagen möchte, macht sich und anderen etwas vor. Der Staat Israel ist ein Judenstaat. Wer ihn zerstören möchte, erklärtermaßen oder durch eine Politik, die nichts anderes bewirken kann als solche Vernichtung, betreibt den Judenhaß von einst und von jeher.“
Dies hat einmal der Literaturwissenschaftler Hans Mayer gesagt, der als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie 1933 aus Nazi-Deutschland floh und im Februar 1947 zu den Gründungsmitgliedern der „Vereinigten der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) gehörte. Man sollte annehmen, dass Hans Mayer jedem deutschen Feuilletonisten ein Begriff ist und seine Ansichten zum antizionistischen Antisemitismus bekannt sein sollten.
Patrick Bahners, seines Zeichens langjähriger Chef des Feuilletons der FAZ, heutiger Kölner Kulturkorrespondent der FAZ sowie manchem auch bekannt durch sein Buch „Die Panikmacher – Die deutsche Angst vor dem Islam“, ist Hans Mayers Feststellung offenkundig entgangen. Denn besagter Bahners behauptete am 20. wie 23. Dezember 2020 konträr zu Mayers Aussage:
„Im Übrigen ist der ‚israelbezogene Antisemitismus‘ (als angeblich häufigste Form des Antisemitismus) erfunden worden, um Kritik am Zionismus zu skandalisieren.“
(Tweet vom 20. Dezember 2020)
„Und daran halte ich fest: Das Konzept des ,israelbezogenen Antisemitismus‘ wurde erdacht, publizistisch lanciert und diplomatisch durchgesetzt, um den Begriff des Antisemitismus gegenüber seinem evidenten Sinn auszudehnen.“
(Tweet vom 23. Dezember 2020)
„Der antizionistische Antisemitismus die aktuell bedeutendste Form der Judenfeindschaft“
An diesem Statement Bahners entfaltete sich in der Folge eine breitgefächerte Kritik: Vom Politologen Arye Sharuz Shalicar und der Anti-BDS-Aktivistin Malca Goldstein-Wolf über Hanning Voigts, Redakteur der „Frankfurter Rundschau“, und dem Nahost-Experten Alex Feuerherdt bis hin zum ehemaligen grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck und der Ökolinken Jutta Ditfurth meldete sich mannigfaltiger Widerspruch an.
Aus wissenschaftlicher wie nachrichtendienstlicher Sicht sind Bahners Aussagen nicht haltbar. So sind beim US-amerikanischen Think Tank „Foundation for Defense of Democracies“ sowie beim deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz im August 2020 Publikationen erschienen, die Patrick Bahners eindeutig widerlegen.
Diese Papiere dokumentieren respektive analysieren den israelbezogenen Antisemitismus in Deutschland im Allgemeinen und den der BDS-Kampagne als dessen neuzeitliche Ausprägung im Besonderen.
So veröffentlichte zunächst das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz am 10. August 2020 das „Lagebild Antisemitismus“, gemäß dem „der antizionistische Antisemitismus die aktuell bedeutendste Form der Judenfeindschaft“ in Deutschland darstelle:
„Es sind vor allem drei miteinander zusammenhängende Aspekte, die diese Ausprägung so zentral machen. Zum ersten handelt es sich um die seit Jahren am häufigsten zu beobachtende Ausprägung des Antisemitismus, zum zweiten ist sie in allen extremistischen Phänomenbereichen feststellbar und zum dritten ist sie wie keine andere Erscheinungsform an aktuelle Debatten einer breiten Öffentlichkeit anschlussfähig.“
„Antizionistischer Antisemitismus im Rahmen der gegen Israel gerichteten sogenannten BDS-Kampagne“
Neben ihrer Manifestation im links- wie rechtsextremistischen Teil des politischen Spektrums, zu der wir gleich noch kommen werden, gäbe es nämlich noch ein weiteres vordringliches Fundament dieser israelbezogenen Form der Judenfeindlichkeit: So bei „säkularen extremistischen Palästinenser und der sogenannten BDS-Bewegung“ in Deutschland.
Deren Hauptanknüpfungspunkt sei „der durch die Etikettierung ‚Jude in Israel‘ definierbare Territorialkonkurrent“, dem „allenfalls die Möglichkeit einer Koexistenz in einem ‚Palästina‘ zugestanden“ wird. Die BDS-Bewegung spiele dabei eine besondere Rolle, sie bestehe
„aus einem (weltweiten) Zusammenschluss von 171 hauptsächlich palästinensischen Organisationen (unter ihnen auch die Terrororganisationen HAMAS und PFLP), die vermutlich im Jahre 2005 kurz nach Ende der zweiten Intifada ins Leben gerufen wurde […] [So] spielt antizionistischer Antisemitismus im Rahmen der gegen Israel gerichteten sogenannten BDS-Kampagne säkularer Palästinenser eine überragende Rolle. Die Kampagne wird jedoch auch von palästinensischen Terrororganisationen unterstützt, die dem Islamismus zuzuordnen sind.“
Die PFLP (kurz für „Volksfront zur Befreiung Palästinas“) ist dabei eine „Palästinenser“-Organisation, die von den USA und der EU als Terrororganisation klassifiziert wird. Der Lagebericht des Verfassungsschutzes sagt zur PFLP, die sich „zu den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus“ bekennt:
„Die PFLP bestreitet somit das Existenzrecht Israels und propagiert offen den bewaffneten Kampf gegen Israel. Ihre antisemitische Agitation ist aufgrund ihrer Zielsetzung und der ideologischen Ausrichtung stark antizionistisch geprägt.“
Dieses Zusammenspiel von BDS-Bewegung und „palästinensischen“ Terroristen, die der Verfassungsschutz rekapituliert, ist dabei nicht aus der Luft gegriffen. So berichtete Benjamin Weinthal in der „Jerusalem Post“ am 6. Juli 2020, dass deutsche Gruppen, die mit der PFLP und der BDS-Kampagne verbunden sind, vor dem Bundestag in Berlin gegen Israels Souveränität protestierten.
„Jüdischer Staat als Verkörperung des rassistischen Imperialismus“
Wenige Tage nach der Veröffentlichung des Lageberichts des Verfassungsschutzes, nämlich am 21. August 2020, publizierte Benjamin Weinthal bei der „Foundation for Defense of Democracies“, deren wissenschaftlicher Mitarbeiter er ist, eine Monographie über „Germany’s Battle Against the Delegitimization of Israel“.
Hierin konstatierte Weinthal, dass es der BDS-Kampagne nicht nur gelungen ist, „eine Infrastruktur in Deutschland aufzubauen“, sondern mehr noch „von einer Reihe von Organisationen unterstützt [wird], die Israel als den Aggressor im israelisch-palästinensischen Konflikt betrachten, von denen viele von ganz links stammen“. Dabei besteht laut Weinthal
„eine bemerkenswerte Kontinuität zwischen der Rhetorik der deutschen Gegner Israels während des Kalten Krieges und der heutigen Rhetorik der BDS-Kampagne. Die antiisraelischen Deutschen lehnten sich stark an die sowjetische und arabische Sprache an und versuchten, den jüdischen Staat als Verkörperung des rassistischen Imperialismus zu betrachten. Sie stellten Juden als ein fremdes Volk dar, welches das Land der indigenen Palästinenser kolonisierte.“
Eine linke BDS-nahe Gruppe hat es sogar bis in den deutschen Bundestag geschafft, obwohl dieser sich erst im Mai 2019 dazu entschied, der BDS-Kampagne „entschlossen entgegen[zu]treten“ und ihren „Antisemitismus [zu] bekämpfen“.
So sind die Bundestagsabgeordneten Christine Buchholz, Omid Nouripour und Aydan Özoguz (von Linkspartei, Grünen beziehungsweise SPD) sowie der ehemalige Linkspartei-Bundesabgeordnete Norman Paech Mitglieder im Beirat der BDS-nahen Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. (DPG), die vom „Jerusalem Center for Public Affairs“, einem israelischen Forschungsinstitut, in einem Kapitelabschnitt über die Wurzeln von BDS als linksextrem, islamistisch sowie der Muslimbruderschaft zugehörig beschrieben wird.
„Die Politik Israels mit den Verbrechen des Nationalsozialismus gleichsetzen“
Diese Analyse Weinthals, dass die „antiisraelischen Deutschen“ damals und die BDS-Kampagne heute ihre Sprache antiimperialistisch kodieren, konvergiert mit der Einschätzung des deutschen Verfassungsschutzes in Bezug auf Deutschlands politische Linke. Hier zeige sich nämlich ein israelbezogener Antisemitismus in besonderem Maße.
Sogenannte Antiimperialisten gingen dabei sogar so weit, sich zur Delegitimierung Israels auf den Nationalsozialismus zu beziehen. Im Lagebild des Verfassungsschutzes heißt es dazu weiter:
„[Es] werden zuweilen auch antisemitische Stereotype – u.a. die Begriffe 'Apartheitsregime', ‚Holocaust‘, ‚Pogrom‘, ‚Vernichtungskrieg‘ und ‚Völkermord‘ – verwendet. Insofern setzen Antiimperialisten die Politik Israels mit den Verbrechen des Nationalsozialismus gleich. Vor diesem Hintergrund wird auch das Existenzrecht Israels negiert.“
Wenn „linksextremistische judenfeindliche Positionen [auch] auf dieselben Ressentiments und antisemitischen Bilder wie andere extremistische Erscheinungsformen zurück[greifen]“, würden hier „in erster Linie antizionistische Auffassungen ventiliert“.
Vorfälle aus diesem Jahr bezeugen die Richtigkeit der Analyse des Verfassungsschutzes wie der Weinthals. So rief in Frankfurt am Main das „Palästina-Forum Nahost Frankfurt“ zu einer Kundgebung „Nein zur Annexion, Stopp dem Landraub“ für den 1. Juli 2020 auf, auf der Israel „Vertreibung, Landraub, [und] Unterdrückung“ vorgeworfen wurden. So sprach ein Redner dabei von „Annexion und Apartheid“, einer „akute[n] Gefährdung für die Sicherheit der ganzen Region“ und dass Netanjahu und Trump ein „Großisrael“ errichten wollen.
In Bremen, der „wichtigste[n] Hochburg der antisemitischen BDS-Aktivitäten […] gegen Israel“ (O-Ton Benjamin Weinthal in der „Jerusalem Post“), demonstrierten am 4. Juli 2020 die „palästinensische“ Gemeinde Bremen mit dem Linkspartei-nahen Bremer Nahost-Forum auf einer gemeinsamen Mahnwache „Gegen die Annexionspläne“ und „für Frieden und Gerechtigkeit in Israel/Palästina“. Sie begründeten dies mit einer „immer weiter eskalierenden Gefahr von völkerrechtswidrigen Annexionen durch die israelische Regierung“.
Neuerdings zeigt sich auch in der Bischofsstadt Münster eine Phalanx von BDS-Bewegten und linken Anti-Israel-Aktivisten. So berichtet Sharon Fehr, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Münster, in der „Jüdischen Allgemeinen“ am 30. Juli 2020, dass in Münster eine anti-israelische Kundgebung stattfand, bei der Linke gegen den „Landraub im Westjordanland protestieren und allen Palästinensern, die von Annexion, Rassismus und Besatzung (…) betroffen sind, eine Stimme verleihen“ wollten. Ein Redner nannte Israel ein „Apartheidsystem, das dem palästinensischen Volk unveräußerliche Menschenrechte und das Recht auf politische Selbstbestimmung verweigere“.
Israelbezogener Antisemitismus hat „hohen Stellenwert“ bei Rechtsextremen
Auch im Rechtsextremismus habe diese Variante des Antisemitismus gemäß dem deutschen Verfassungsschutz einen „hohen Stellenwert“. So bei der neonazistischen NPD, die „das Existenzrecht Israels verneint und den jüdischen Staat diffamiert“. So veröffentlichte die NPD-Jugendorganisation ein Grundsatzpapier, das Israel zum „Feind aller Völker“ erklärt.
Nicht nur in der NPD manifestiere sich diese Variante des Antisemitismus, sondern auch bei der neonazistischen Kleinpartei „Der III. Weg“, die Israel als „Terrorstaat“ bezeichnet und „offen zum Boykott von Produkten aus Israel“ auffordert. Und erst im November 2020 wollte die neonazistische Kleinstpartei „DIE RECHTE“ in Braunschweig eine „Mahnwache gegen Zionismus“ vor einer Synagoge abhalten.
Bei den „Neuen Rechten“ gäbe es ein Lager, das „dezidiert israelkritisch“ ist und „in einer antiimperialistischen (und somit beispielsweise propalästinensischen) Denktradition“ stehe. Man denke hierbei an den ehemaligen AfD-Politiker Wolfgang Gedeon, der im Dezember 2017 zum Bundesparteitag der AfD eine Resolution einbrachte, die forderte, dass sich Deutschland „auch wirtschaftliche Sanktionen und Boykottmaßnahmen gegenüber Israel (sog. BDS-Politik) vorbehalten“ müsse.
Insofern unterstreichen all die genannten Fälle die Einschätzung des deutschen Verfassungsschutzes, dass „der antizionistische Antisemitismus die aktuell bedeutendste Form der Judenfeindschaft“ ist und widerlegen den FAZ-Feuilletonisten Patrick Bahners eindeutig.
Eine ausführliche Analyse zur israelbezogenen Judenfeindschaft, der Teile dieses Textes entstammen, findet man in meinem Artikel „Ein Lagebild des israelbezogenen BDS-Antisemitismus in Deutschland“, der am 9. September 2020 auf Audiatur-Online erschien.
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