Im Jahr 135: Als die Römer Judäa den Namen Palästina aufzwangen

Im Nahostkonflikt wird viel mit der Geschichte argumentiert, dabei ist das Wissen über die Geschichte des jüdischen Staates erschreckend mangelhaft. Ein kurzer Überblick über die Geschichte Israels seit dem Jahr 1000 v. Chr. und darüber, wie alles begann.

Oberteil einer Panzerstatue Hadrians, Fundort: Tel Shalem (heute Jerusalem, Israel-Museum)© WIKIPEDIA

Von Samira Kley

Um 1300 v. Chr. siedelten zwölf jüdische Stämme in den Bergen von Judäa und Galiläa. Sie lebten dort in Feindschaft neben Völkern wie den Kanaanitern und den Philistern, die den jüdischen Glauben nicht akzeptierten. Sie verehrten, anders als die Juden, mehrere Gottheiten, denen sie Opfergaben brachten.

Um 1000 v. Chr. bildeten die zwölf Stämme ein Königreich unter König David. Dieser war aus dem Stamme der Juda und eroberte Jerusalem. Sein Sohn Salomon führte nach dem Tod König Davids das Königreich weiter und errichtete in Jerusalem den ersten jüdischen Tempel. Nachdem auch Salomon verstorben war, zerfiel das Reich in Israel im nördlichen und Juda im südlichen Teil. Nach dem Ansturm der Assyrer im Jahre 721 v. Chr. wurde das nördliche Israel zerstört. Juda existierte noch etwa 100 Jahre weiter.

 

Die Thora war wichtig für den Zusammenhalt im Exil

Der in der Bibel als Tyrann bezeichnete Babylonier-König Nebukadnezar II. eroberte 587 v. Chr. dann schließlich auch das südliche Juda. Er zerstörte die heiligen Stätten der Juden und ließ jüdische Gelehrte, Adlige und Handwerker nach Babylon verschleppen. Um ihre Identität und den Glauben in der Fremden zu bewahren, wurde nun die Thora für die jüdische Minderheit in Babylon doppelt wichtig.

Als der Perser Kyros im Jahre 539 v. Chr. Babylon eroberte, erlaubte er den Juden, nach 50 Jahren in Knechtschaft, in ihre Heimat zurückzukehren. Nach ihrer Rückkehr erbauten die Juden in Jerusalem um 500 v. Chr. einen Tempel, der unter König Herodes I. prachtvoll umgestaltet wurde und seither als Herodianischer Tempel bezeichnet wurde. Das Tempelareal konnte zu Lebzeiten Herodes I. nicht vollständig fertiggestellt werden. Tatsächlich wurde daran bis zum Ausbruch des Jüdischen Krieges im Jahr 66 n. Chr. gearbeitet. Seine Reste bilden die heutige Klagemauer in Jerusalem, die von König Herodes Agrippa II. erbaut wurde.

 

Das Leben unter römischer Herrschaft

Die Römer zwangen die Juden zu schweren Arbeiten und besteuerten sie höher als andere ethnische und religiöse Gruppen. Andererseits gewährten sie ihnen und ihren Institutionen, wie Synagogen oder dem Sanhedrin, einem Zusammenschluss aus siebzig Männern, der das geistliche und gerichtliche Monopol der jüdischen Gemeinde darstellte, Autonomie. Nur Kapitalverbrechen mussten vor einem römischen Gericht verhandelt werden.

So lebten Juden weitestgehend in Frieden, allerdings unter besonderen Auflagen im Römischen Reich.

Als König Hadrian im Jahre 130 n. Chr. auf jüdischem Territorium ein Denkmal des römischen Staatsgottes Jupiter errichten ließ, war das ruhige Nebeneinander der Römer und der Juden Vergangenheit. Es kam zu Aufständen, denn das jüdische Volk fühlte sich durch die Errichtung des römischen Heiligtums auf seinem Boden verhöhnt.

Im Angesicht der hohen Steuerabgaben, die sie leisten mussten und der schweren Arbeit, zu der sie gedrängt wurden, rebellierten die Juden gegen diese Repressionen. Im Jahre 131 n.Chr. begann eine Revolte, die bis ins Jahr 135 n.Chr. anhielt und von Simon Bar Kochba angeführt wurde. Bar Kochba galt vielen Juden als der Messias, weshalb sie sich ihm anschlossen und seinen Befehlen gehorchten.

Er bekämpfte die Römer mit einer Guerillataktik, weil die jüdischen Bewohner Judäas in einem offenen Gefecht unterlegen gewesen wären. Insgesamt vier Jahre war er mit dieser Kampftaktik erfolgreich und die Römer hatten keine Chance den Aufstand zu beenden. Zumindest so lange nicht, bis der römische Befehlshaber Julius Severus ins Spiel kam und die Rebellenstützpunkte der Juden mit der gleichen Taktik, wie Simon Bar Kochba sie benutzte, nach und nach erstickte. Auf der Seite des jüdischen Volkes kam es nach den Jahren andauernden Aufständen zu über fünfhunderttausend Toten. Ein herber Verlust.

 

Umbenennung in Palästina im Jahr 135 n.Chr.

Nachdem die jüdischen Aufstände von den Römern beendet wurden, wurden die Zivilbevölkerung gezwungen Judäa zu verlassen, um einen vierten jüdischen Guerilla-Aufstand unmöglich zu machen. Daraufhin benannte König Hadrian die Provinz um in Syria Palaestina. Er wollte damit den namentlichen Bezug zum jüdischen Volk zerstören. Das Wort Palaestina bezog sich auf die Erzfeinde der Juden, die Philister, deren Stadtstaaten als Pleschet bezeichnet wurden, wovon sich palaestina ableitete.

Nachdem die Juden aus Syria Palaestina vertrieben worden waren, bedrohte man sie mit der Todesstrafe, sollten sie das Land je wieder betreten. Sie wurden enteignet, ihre Heiligtümer wurden nach Rom verschleppt, die Thora wurde verboten und die jüdischen Gelehrten hingerichtet.

Nicht erst seitdem verstreute sich die jüdische Bevölkerung in sämtliche Länder des Nahen Ostens. Sie lebten in der Diaspora (oder hebräisch in der Tefutsot – der Zerstreuung der Juden). Anfangs wurde diese Zerstreuung als Strafe und Gefangenschaft im Exil empfunden. Später wandelte sich das Verständnis darüber und viele jüdische Menschen sahen sich als eine Saat, die auf den verschiedenen Territorien gesät wurde. Sie wurde als Chance gesehen, ein neues Imperium zu errichten. Denn eine Saat, die auf fruchtbaren Boden fällt, kann aufgehen.

Das jüdische Volk erlitt im Verlauf seiner Existenz viele Rückschläge und wurde mehrmals aus Gebieten, in denen es sich angesiedelt hatte, verbannt.

Durch den Ein-Gott-Glauben wurden die Juden von Völkern der Früh- und Spätantike nicht akzeptiert. Neben der Vertreibung aus Judäa und der Verschleppung nach Babylon durch Nebukadnezar II., wurden im Jüdischen Krieg 66-74 n. Chr. viele Juden vertrieben, versklavt und getötet und um 534 n. Chr. erließ der byzantinische Kaiser Theodosius II. sogenannte Judengesetze, die Juden zu Bürgern zweiter Klasse degradierten.

 

Im Mittelalter hatte die katholische Kirche in Europa das

Machtmonopol

Juden wurden systematisch diskriminiert und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Sie durften nicht arbeiten, mussten einheitliche Kleidung tragen und schon im Jahre 1048 n. Chr. wurde erstmals überliefert, dass man Juden in Ghettos gesperrt hatte. Es kam zu Ritualmorden, gar Massakern am jüdischen Volk und zur Zeit der Kreuzzüge brachte man mehr als zwölftausend Juden um, woraufhin die verbliebenen Angehörigen in Richtung Osteuropa flohen.

Zu Beginn der Neuzeit besserten sich die Zustände nicht. Juden wurden weiterhin verfolgt. Im Rahmen der Inquisition der katholischen Kirche kam es zu über 30.000 jüdischen Opfern allein in Spanien. Den Höhepunkt fand die Verfolgung des jüdischen Volkes in der Schoah unter Adolf Hitler, in der über sechs Millionen Juden ihr Leben in Konzentrationslagern lassen mussten.

Erst seit diesem, die Welt wachrüttelnden grausamen Genozid, entspannt sich die Lage für die jüdische Gemeinschaft, obwohl sie auch heute noch unter Diskriminierung leidet. Antisemitismus ist ein altes allgegenwärtiges Problem und gerade seit der Öffnung der Grenzen im Jahre 2015, die muslimischen Antisemiten den Weg in das einst sichere Europa geebnet hat, hat Judenfeindlichkeit einen traurigen Aufschwung erlebt. Allein im Jahre 2019 wurden über 2.000 antisemitische Delikte in Deutschland verzeichnet, was einen Anstieg um 13 % zum Vorjahr bedeutet.

Sicherheit und (Glaubens-)Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit, wie man an der bewegten Geschichte des jüdischen Volkes unschwer erkennen kann. Umso bewundernswerter ist die Standhaftigkeit der Juden, die aller Widrigkeiten zum Trotz ihren Glauben seit Jahrhunderten beibehalten.

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