Der Champagner-Spion in Kairo
Zum 100. Geburtstag des Juden und deutsch- israelischen Agenten Wolfgang Lotz
Wolfgang Lotz
Am 21. Juni 1962 wurde ganz Israel von einer Nachricht über einen in Ägypten erfolgreich durchgeführten Test mit Boden-Boden-Raketen erschüttert. Raketen vom Typ El Safir („Der Sieger“) mit einer Reichweite von 280 km und El Kahir („Der Eroberer“) mit einer Reichweite von 560 km, konnten eine ernsthafte Gefahr für Israel darstellen. Hinzu kam, dass der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser aus seinen aggressiven Plänen gegen Israel keinen Hehl machte.
Als Ben Gurion feststellte, dass der Mossad über keine Kenntnisse von diesen Raketen verfügt, wurde er zornig. So bestellte er den Mossad-Direktor Isser Harel zu sich und fragte sarkastisch, wofür denn Israel enorme Mittel für seine Geheimdienste verschwende, wenn es doch genüge, ein einfaches Radio zu kaufen, um wertvolle Informationen aus der Rede des ägyptischen Präsidenten zu erfahren. Harel versicherte, dass in drei Monaten ein ausführlicher Bericht über das Raketenprogramm auf dem Tisch des Premierministers liegen werde. Den Bericht erstattete der israelische Geheimdienst sogar früher: Wolfgang Lotz, der Super-Agent in Kairo, lieferte entsprechende Informationen bereits nach einem Monat. Der Bericht beinhaltete nicht nur technische Daten, sondern auch die Standortkoordinaten des Raketensystems und sogar die Liste der Offiziere und Spezialisten, die an der Entstehung der neuen Raketen beteiligt waren!
Dem israelischen Geheimdienst attestiert man zu recht ein gutes Image als einem der effektivsten der Welt. Einer der herausragendsten Agenten des Mossad war Wolfgang Lotz, von ausländischen Historikern oft „israelischer James Bond“ genannt.
Wolfgang Lotz wurde am 6. Januar 1921 geboren. Seine jüdische Mutter Elena war Schauspielerin, der deutsche Vater war Direktor an einem Berliner Theater. Wolfgang schrieb: „Von meinen Eltern muss ich wohl so etwas wie ein schauspielerisches Talent geerbt haben, was sich während meiner Tätigkeit in Ägypten als äußerst nutzlich erwies.“
Als 1933 die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, ließen sich Wolfgangs Eltern scheiden. Der Vater trat der NSDAP bei und Elena ging mit dem Sohn nach Eretz Israel. Bald wurde Elena in die Theatertruppe Gabima aufgenommen; Wolfgang, sich seither Ze‘ev Gur Arje nennend, kam in die Landwirtschaftsschule Ben-Schemen, wo er seine Zeit besonders gern den Pferden widmete und so den Spitznamen „Suß“ (Hebr. סוס), „Pferd“ bekam.
Wolfgang alias Ze’ev in der britischen Armee und mit Arabisch-Kenntnissen
Wolfgang sprach fließend Hebräisch, Englisch, Deutsch und Arabisch. 1937, mit 17 Jahren, trat er der Haganah bei (Hebr. הגנה, „Verteidigung“. Hagana war in der Zeit des britischen Mandats in Palästina bis zur Entstehung des Staates Israel in 1948 eine zionistische paramilitärische Untergrundorganisation; 1948 ging aus ihr die israelische Armee, IDF, hervor. – Anm. d. Übers.). Ben-Schemen war von arabischen Dörfern umzingelt, in die Siedlung gelang man nur mit dem Bus und unter strenger Bewachung. Diese Bewachung musste Wolfgang alias Ze‘ev durchführen und die Sicherheit der Passagiere auf dem Weg zwischen der Schule in Ben-Schemen und dem Bezirk, wo hauptsächlich Juden lebten, gewährleisten. Dabei transportierte er auch geheime Fracht, nämlich Waffen, ohne die sich jüdische Anwohner gegen die Überfälle von Arabern nicht hätten verteidigen können.
Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, trat Wolfgang in die britische Armee ein, dafür machte er sich älter als er war. Er wurde in eine Militärschule abkommandiert, wo Nachrichtendienstler und Sabotageagenten ihre Ausbildung erhielten. Lotz nahm an den Kampfoperationen im Hinterland von Rommels Afrikakorps teil; zum Kriegsende, als Sergeant in Kairo, arbeitete er als Militärdolmetscher.
Im Unabhängigkeitskrieg 1948 – 1949 kämpfte Lotz als Leutnant in Israel. 1956, bereits Major, leitete er eine Kompanie, die während der Sinai-Krise in das Gebiet von Suez durchbrach und dort mehrere mächtige feindliche Befestigungen einnahm. Unmittelbar nach Beendigung dieses Krieges trat der militärische Aufklärungsdienst mit Wolfgang Lotz in Verbindung. Dies war nicht nur in seinen Erfolgen begründet, sondern auch darin, dass er nicht jüdisch aussah. Später erinnerte sich Lotz: „Ich war blond, trank viel und verkörperte einen ehemaligen deutschen Offizier.“ Freundlich und aufgeschlossen, mit schauspielerischem Talent, mutig und risikobereit – diese Eigenschaften machten ihn zu einem vielversprechenden Agenten…
Eine Legende als ehemaliger Wehrmachtoffizier und Pferdezüchter
Nach einer anspruchsvollen, anstrengenden Agentenausbildung schickte man Lotz nach Deutschland, um seine „Legende“ weiterzuspinnen: Ein ehemaliger Wehrmachtoffizier, der seinerzeit in der 115. Division von Rommels Afrikakorps kämpfte, ging nach dem Krieg nach Australien, wo er als Pferdezüchter und Besitzer von Rennpferden sehr vermögend wurde.
Lotz verbrachte ein Jahr in der Bundesrepublik. Im Dezember 1960 ging er nach Italien und kam im Januar 1961 aus Genua nach Ägypten. Der „Tourist-Pferdezüchter“ verfügte über erhebliche Finanzmittel, wofür der israelische Geheimdienst sorgte, was ihm vor allem erlaubte, schnell die privilegierten Kreise der ägyptischen Gesellschaft, insbesondere den Elite-Kavallerieclub, zu unterwandern und dort einzudringen. Dort lernte er den obersten Polizeichef Ägyptens, El-Gauhar, kennen, und sie wurden Freunde. Bald konnte Lotz auch auf ägyptischem Boden seinem Lieblingshobby nachgehen, der Pferdezucht und Dressur.
Von dem israelischen Geheimdienst erhielt Lotz folgende Aufgaben: Einerseits Informationen über das Militär und die Marine Ägyptens zu beschaffen und über Fortschritte bei deren Ausrüstung mit neusten Waffen zu berichten; andererseits sollten Informationen über die an der Seite Ägyptens tätigen deutschen Luftfahrt- und Raketenspezialisten besorgt werden.
Goebbels‘ Assistent
Mit dem „Polizist Nr. 1“ El-Gauhar pflegte Wolfgang Lotz täglich auszureiten. Erfolgreich mehrten sich seine Kontakte zu den einflussreichen ägyptischen Offizieren und wohlhabenden Vertretern der Gesellschaft. Gesellig und gastfreundlich, veranstaltete Lotz zahlreiche Feste und Dinner, lud höhere ägyptische Offiziere und andere wichtige Personen ein; sie rauchten Haschisch und plauderten über die Kriegsthemen.
Die Sicherheitsdienste in Ägypten arbeiteten präzise und mit gewisser Härte. Die Polizei beobachtete sorgfältig alle Ausländer und ihre Tätigkeiten, Telefonate wurden abgehört. Dennoch gelang es Wolfgang, sich von jedem Verdacht freizuhalten. Seine neuen Bekannten – hohe Offiziere des Militärs und der Polizei – vertrauten ihm vollends und waren davon überzeugt, dass er zuvor wohl bei der Waffen-SS oder der Gestapo gedient hatte. Lotz widerlegte diese Gerüchte nicht. Mit der Zeit konnte er in den relativ geschlossenen Kreis der Deutschen in Ägypten vordringen, der ehemaligen Nazis, die nach der Niederlage der Wehrmacht Zuflucht in Ägypten gefunden hatten. Insgesamt pflegte Lotz zahlreiche Kontakte in der deutschen Kolonie; unter seinen „Freunden“ befanden sich nicht wenige nach wie vor überzeugte Nazis wie beispielsweise Johann von Leers, seinerzeit Assistent von Goebbels. Der Kontakt mit ihm festigte Wolfgangs Reputation als die eines leidenschaftlichen Nazis.
Die Reputation eines wohlhabenden, großzügigen Menschen öffnete Wolfgang viele Türen. Er sparte auch nicht an Geschenken, und mit herrlichen Mahlzeiten bei sich zuhause sorgte er ausgiebig für das leibliche Wohl seiner Gäste. Der Vize-Präsident Ägyptens El-Shafi wurde sein engster Freund. Zwar übte El-Shafi keinen großen Einfluss auf die Politik des Landes aus, dennoch hatte er Zugang zu interessierenden geheimen Informationen.
In Kairo genoss Lotz die Anerkennung als bester Pferdezüchter, er vergaß jedoch nie, wofür er sich in Ägypten aufhielt. Dank einem winzigen Peilfunksender, der im Absatz seines Reitstiefels versteckt war, konnte Lotz fast täglich wichtige Informationen an den Mossad liefern.
Treffen in Paris mit dem Führungsoffizier und eine nordische Frau
Nachdem er sich in Kairo eingelebt hatte, reiste Wolfgang Lotz ein halbes Jahr später nach Europa, „um seine Angelegenheiten zu regeln“, wie er seine „Freunde“ wissen ließ. Er machte einen Zwischenstopp in Paris; dort fand ein Treffen mit einem seiner Chefs vom Geheimdienst statt. Solche Treffen wurden danach regelmäßig arrangiert, dazu reiste Lotz in der Folge alle drei, vier Monate nach Europa. Bei seiner ersten Pariser Reise saß in seinem Zugabteil eine schöne, anmutige blonde Frau. Ihr Name war Waltraud. Ihre Eltern waren mit ihr aus DDR geflohen, sie lebte inzwischen in den USA und war unterwegs nach Westdeutschland, ihre Eltern zu besuchen. Zwei Wochen später heirateten Wolfgang und Waltraud. Seine Chefs beim Mossad setzte Lotz nicht mal in Kenntnis und nahm Waltraud einfach mit nach Kairo. Einige Historiker, wie z. B. die Kenner der besonderen Welt der Geheimdienste, Norman Palmer und Thomas Allen, liefern eine andere Version dieses Ereignisses. Sie schreiben: „Um Lotz‘ Image als Deutscher und überzeugter Nazi abzurunden, organisierte der Mossad für ihn eine Heirat mit der Deutschen Waltraud Neumann, die durch ihr nordisches Aussehen auffiel.“ Ähnlich die These von Dan Raviv und Yossy Melman in ihrem Buch „Geschichte der Nachrichtendienste in Israel“; sie meinten, Waltraud sei ein Teil von Wolfgangs Legende gewesen und wäre vom damaligen BND-Chef Reinhard Gehlen mit dieser Rolle im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem israelischen Geheimdienst beauftragt worden. Wolfgang Lotz hingegen behauptete, von sich aus und ohne Erlaubnis geheiratet und seine Vorgesetzten erst danach informiert zu haben. Der jungen Gemahlin solle er erzählt haben, er lebe in Kairo und züchte Pferde, was ihm ein sorgloses Leben sichere. Bald darauf entschloss sich Lotz, seiner Ehefrau doch reinen Wein einzuschenken und zu eröffnen, dass er für Israel arbeite; ohne zu zögern war sie bereit ihm zu helfen.
Von ihrer Ranch aus, die in der Nähe einer Raketenbasis lag, beobachteten Wolfgang und Waltraud fortan alle Geschehnisse dort. Sie überwachten ebenfalls die ehemaligen Nazis und deutschen Wissenschaftler, die die Ägypter bei der Produktion der neuesten Waffentechnik berieten. Ägypten bot den zu diesen Zwecken eingeflogenen Spezialisten sehr hohe Honorare, die zudem steuerfrei waren; es gab darüber hinaus noch eine ganze Reihe anderer Privilegien. Zahlreiche bedeutende Wissenschaftler, darunter der berühmte Flugzeugkonstrukteur Willy Messerschmitt und der ehemalige leitende Konstrukteur der Junkers-Werke, Prof. Brandner wie auch Dr. Eugen Sänger und Prof. Wolfgang Pilz, forschten im Bereich der Entwicklung von Überschallflugzeugen für die ägyptische Luftwaffe sowie für ballistische Boden-Boden-Raketen. Dies erklärt das gezielte Interesse israelischer Geheimdienste, der Tätigkeit der deutschen Wissenschaftler entgegenzuwirken.
Briefbomben aus Deutschland adressiert an Deutsche
Irgendwann kamen aus Deutschland mehrere Drohbriefe, adressiert an Deutsche, die sich mit dem Raketenbau beschäftigten und hinsichtlich anderer militärischer Objekte tätig waren; dann kamen auch Sprengstoffpakete, sogenannte Briefbomben. Die Deutschen wurden nervös und ihre Arbeit in der Folge weniger effektiv. Einige zogen es vor, Ägypten zu verlassen. Hinter diesen Aktionen stand der Mossad, genauer gesagt – Lotz (der Militärische Aufklärungsdienst übertrug den Kontakt mit Lotz auf den Mossad).
Eines Tages wurde Wolfgang Lotz beauftragt, ausführliche Informationen über die Raketenbasis zu sammeln, deren Existenz bekannt wurde, nicht aber deren Standort. Man wusste ebenfalls, dass diese Basis äußert streng bewacht wird. Zunächst einmal galt es, ihre Koordinaten herauszufinden. Zwar gab es Luftaufnahmen, es wurde jedoch vermutet, dass sie ein anderes Objekt betrafen und die besagte Raketenbasis sich woanders befindet und gut versteckt ist. So hatte Lotz keine andere Wahl, außer selbst auf die Raketenbasis zu gelangen. Nach langem Suchen entdeckte er diese. Als nun die Wache etwas abgelenkt wirkte, preschte Wolfgangs Auto, in dem er zusammen mit seiner Frau saß, an dem Wachposten und an dem Schild „Verbotene Zone“ vorbei. Als sie dennoch gestoppt wurden, erklärte das Paar, zum Schwimmen fahren zu wollen und sich verfahren zu haben. Lotz bestand darauf, dass man sich mit seinen Freunden in Verbindung setzte, und zwar dem Polizei-General Fuad Osman und dem Oberst des militärischen Nachrichtendienstes Mohsen (arabischer männlicher Vorname, - Anm. d. Übers.). Das beeindruckte den Offizier so sehr, dass er für Lotz eine Führung auf der ganzen Raketenbasis machte; zum Abschied sagte er:
„Wir müssen vorsichtig sein, wissen Sie. Die Israelis haben ein starkes Spionagenetz. Sie dürfen über den Moment des entscheidenden Schlags nicht erfahren…“
So erhielt der Mossad detaillierte Informationen über das für ihn bedeutungsvolle Objekt. Ebenfalls schickte Lotz Informationen über zwei andere Raketenbasen, über die Herstellung von Flugzeugen in zwei ägyptischen Militärflugzeugfabriken, wichtigste Informationen von hoher Brisanz über die ägyptische Armee, Schiff- und Luftfahrt, über die Truppenbewegungen u.v.m. Der russische Historiker D. Prochorov betonte in seinem Buch „Israelische Nachrichtendienste“: „Major Wolfgang Lotz sammelte in Ägypten und schickte an den Mossad Informationen von enormer Wichtigkeit, die sich im Sechstagekrieg bewährt haben.“
Israelische Agentin verplappert sich
Das Budget, über das der Mossad verfügte, konnte verständlicherweise nicht mit dem von Geheimdiensten der USA oder der Sowjetunion verglichen werden; trotzdem sparte man an den Ausgaben für Wolfgang Lotz nie. Der damalige Mossad-Finanzchef, der die Beträge für Lotz‘ „Empfange für Freunde“ genehmigte, nannte ihn „den Champagner-Agenten“. Später gab Wolfgang seinen Memoiren den Titel „Der Champagnerspion“.
Auf einem Dinner in Kairo begegnete Lotz einer Vertreterin der High Society – der schönen und aufgeschlossenen Caroline Balter. Die Ehefrau eines deutschen Archäologen interessierte sich nicht besonders für die Angelegenheiten ihres Mannes und zog es vor, mit deutschen Ingenieuren und Konstrukteuren über deren Teilnahme am ägyptischen Raketenprogramm zu plaudern. Als etwas mehr getrunken wurde, begann sie plötzlich, Jiddisch zu sprechen, das ihr eigentlich nicht hätte geläufig sein können… Sie bestand darauf, die Frau eines deutschen Konstrukteurs zu besuchen, und als sich die Dame des Hauses in die Küche begab, betrat Caroline rasch das Kabinett des Konstrukteurs und fing an, die auf dem Tisch ausgebreiteten Dokumente zu fotografieren – und wurde dabei von ihrer Bekannten überrascht. Sofort schickte Lotz ein Radiogramm, dass Agent Balter kurz vom Auffliegen stehe und umgehend zurückgerufen werden müsse. Am nächsten Morgen verließ Caroline mit der ersten Maschine das Land.
1964 richtete Wolfgang zusammen mit seinem Freund, Oberst Omar El-Khader einen Rennpferdestall und ein Hippodrom unmittelbar auf dem Gelände einer Militärbasis in Abbassia (Stadtteil von Kairo, - Anm. d. Übers.) ein. Ein weiteres Hippodrom eröffnete er im Nildelta, nicht weit von einem Übungsplatz, wo Boden-Luft-Raketen getestet wurden. Die Informationen über den Militäraufbau Ägyptens waren von höchster Wichtigkeit und hatten immer Priorität, sodass sie umgehend an den israelischen Premierminister weitergeleitet wurden.
Nasser und seine Schergen posaunten von „großen Siegen“, in Wirklichkeit durchlebte Ägypten eine harte politische wie ökonomische Krise. Dank seiner Kontakte in der Armee, bei der Polizei und den anderen staatlichen Strukturen beschaffte Lotz umfangreiche und oft höchstbrisante, streng geheime Informationen über die tatsächliche Situation im Land und darüber, welche Schritte die ägyptische Regierung zu unternehmen gedachte. So hatte der Mossad den Überblick über die Lage im Nachbarland und konnte Prognosen der Ereignisse aufstellen.
Der Sender in der Badezimmer-Waage und Enttarnung und Folter
Gut getarnt in einer Fitnesswaage, stand der Funksender im Badezimmer des Hauses Lotz; er wurde häufig benutzt und kontaktierte regelmäßig das „Zentrum“. Was Wolfgang Lotz nicht wusste: Es ist ägyptischen Spezialisten gelungen, den Sender aufzuspüren. Ihn genau lokalisieren konnten sie jedoch nicht; Hilfe erhielten sie von den Radiospezialisten des sowjetischen Militäraufklärungsdienstes, die dafür nach Ägypten einreisten.
Am 23. Februar 1965 brachen Agenten des ägyptischen Geheimdienstes Mukgabarat ins Haus von Waltraud und Wolfgang lotz ein; sie agierten sicher und schnell, und der Funksender wurde entdeckt. Seine Mitwirkung an den Aktivitäten des Mossad zu verleugnen, war zwecklos; in dieser Situation hielt Lotz es für richtig, einzugestehen, ein israelischer Agent zu sein, beteuerte allerdings, er sei Deutscher und vom Mossad für seine Tätigkeit bezahlt worden. Die Tatsache, dass er nicht beschnitten war, half Wolfgang, auf seiner Version zu beharren. Hätten die Ägypter erfahren, dass er ein Jude ist, hätte man ihn hingerichtet. Der Mossad schickte einen deutschen Anwalt nach Kairo. Lotz wurde gefoltert, wiederholte dennoch stets, er sei Deutscher und habe fürs Geld gearbeitet.
Allerdings nicht nur Wolfgangs, sondern auch Waltrauds Leben war in Gefahr. Der Prozess fand im Sommer 1965 statt und dauerte einen Monat. Wolfgangs Anklage bestand aus 10 Punkten, jeder von diesen bedeutete die Verhängung der Todesstrafe. Endlich wurde das Urteil verkündet: Zwar habe er die Todesstrafe verdient, unter der Berücksichtigung der mildernden Umstände verurteilte man ihn aber zu lebenslanger Haft, Waltraud zu drei Jahren Zwangsarbeit. Als „mildernde Umstände“ wurde offensichtlich die Tatsache betrachtet, dass beide westdeutsche Staatsbürger waren. Drei Jahre später wurden Wolfgang, Waltraud und weitere acht israelische Agenten gegen neun ägyptische Generäle und 500 Offiziere eingetauscht, die im Zuge des Sechstagekrieges gefangengenommen worden waren.
Nach seiner Rückkehr war das Schicksal Wolfgang Lotz nicht sonderlich gnädig gestimmt. Wenige Jahre später wurde Waltraud krank und starb; als Unternehmer in Israel, USA und Deutschland hatte er wenig Erfolg. Wolfgang Lotz starb am 13. Mai 1993 in München.
Es gab nicht wenige herausragende Agenten in israelischen Geheimdiensten. Dennoch werden von Historikern als die zwei größten genannt: Eli Coen, hingerichtet in Damaskus, und Wolfgang Lotz.
Übersetzung aus dem Russischen von Irina Korotkina
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