Emmanuel Macron, Walter Lübcke und die Demos gegen die Mohammed-Karikaturen

Die islamische Gemeinschaft schweigt nicht länger zu islamistischen Mordtaten – stattdessen zeigt sie in großer Zahl Solidarität mit den Gewaltverbrechern im Internet und auf der Straße.

Demo am Brandenburger Tor zu den Mohammed-Karikaturen.© John MACDOUGALL, WIKIPEDIA

Von Jakob Kreuz

Merken Sie es? Irgendwie hat sich in den letzten Wochen, um nicht zu sagen, seit den letzten terroristischen Attentaten von Frankreich, etwas verändert. Zwar hatte ein jeder islamistischer Anschlag schon immer mit dem Islam zu tun, doch die Demonstrationsfreude der Muslime wächst stetig.

Es gab eine Zeit, in der die üblichen Verdächtigen eines „friedlichen Islams“, ob vom Verfassungsschutz beobachtete Religionsverbände, islamische Theologie-Professoren oder Lehrerinnen mit und ohne Qualifizierung resp. Buchveröffentlichung, nicht nur behaupteten, ein islamistischer Anschlag habe nichts mit dem Islam zu tun. Vielmehr setzten sie „proaktiv“ ein Zeichen, um der islamfeindlichen Welt die Distanzierung von sogenannten „feigen Anschlägen“ (welche Anschläge sind mutig?) um die Ohren zu schlagen.

Da gab es die große Showbühne am Brandenburger Tor 2015. Nach dem ersten Attentat auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ kamen die Popstars des deutschen Islams, etwa der „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ und die Türkische Gemeinde zu Berlin samt Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Michael Müller zunächst zu einer „Mahnwache der muslimischen Verbände“ zusammen. Der kritische Zuschauer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wunderte sich zwar über den geringen Zulauf von muslimischer Seite, tröstete sich aber damit, dass es eben gefährlich sein könnte, wenn Muslime sich als ehrliche, freiheitliche, tolerante oder gar friedliebende Demokraten outen würden. Erst als es zur buchhalterischen Abrechnung des Projektes kam, grummelte es in deutschen Wohnzimmern. Die Gastgeber, die Islamverbände, zierten sich mit der Bezahlung der Veranstaltung, die immerhin mit 32.822,17 € zu Buche schlug, und die in Vorkasse gegangene SPD ebenso wie die Partei der Grünen schauten verwundert auf sich nicht bewegende Kontoauszüge.

Zwei Jahre später, im Sommer 2017 versuchte die Lehrerin Lamya Kaddor eine Demonstration von Muslimen gegen den islamistischen Terror, unter dem Motto „Nicht mit uns!“, auf die Beine zu stellen. Während Kaddor, die selbst einst ihre ehemaligen Schüler an den islamischen Terror verlor, 2.000 Demonstranten zu sehen glaubte, sprach die Polizei von 300 Mitläufern. Der kritische Betrachter von Videomitschnitten sah zwar mehr deutsche Nichtmuslime – teilweise mit einem Kölsch in der Hand – als er deutsche und nichtdeutsche Muslime zählte. Aber immerhin. Wenigstens etwas. Seien wir nicht so streng.

Und da gibt es auch noch seit 2017 die Ibn-Rushd-Moschee in Berlin-Moabit. Die ist wirklich friedlich und eindeutig gegen den islamistischen Terror. Die Imamin und ihre in jeder Hinsicht inkognito wirkende Gemeinde klagen regelmäßig jede Gewalttat tan. Sehr gut. Ein sehr guter Anfang. Immerhin. Seien wir nicht so streng. Schließlich wird sie bedroht und hat es nicht einfach.

Verglichen mit den Reaktionen auf die ersten Anschläge in Europa singen jene Vertreter, Zuarbeiter, „Reformer des Islams“ in Deutschland zwar noch immer dasselbe arabische, nicht enden wollende, Lied im Kanon. Nach der ersten Stimme hat ein islamistischer Anschlag nichts mit dem Islam zu tun. Dann setzt die zweite Stimme ein, die betont, dass der Muslim eben auch nur ein Mensch ist und aus ebendiesem Grunde fehlbar einem falschen Verständnis seiner Religion unterliege. Ganz mutige Stimmen heben dann noch einmal hervor, dass die Mehrheitsgesellschaft hier Verantwortung trage, weil sie sich den neuen Realitäten und einer entsprechenden Integration durch Diskriminierung der neuen Deutschen verweigere. Zum Abschluss wird im Chor eine vermeintlich einfach zu erreichende Harmonie besungen: Lasst uns nur machen und wehrt euch nicht. Dann klappt das mit dem Frieden, auch in dieser Gesellschaft.

Geändert hat sich seit den vielen, aufeinanderfolgenden Attentaten der letzten Wochen eines aber dann doch. Die Umma, die Gemeinschaft der Muslime, hat schlichtweg keine Lust mehr auf das Geschwurbel der eigenen, in der westlichen Politik populären Religionsverbände. Sie will Stärke zeigen, sich „wehren“ gegen jede Beleidigung des muslimischen Propheten, präventiv ebenso wie repressiv. Die Zeit der – nie wirklich erbrachten – Distanzierung, der präsentierten Scham und des vermeintlich selbstkritischen Geistes ist vorbei. Angezündet vom neo-osmanischen Führer, dem Präsidenten der neuen Türkei, Recep Tayyip Erdogan, brennt das neue Selbstbewusstsein der Gemeinschaft lichterloh. Gerecht sei die Strafe, die Samuel Paty für das Präsentieren einer Mohammed-Karikatur in der Schulklasse erhalten habe. Samuel Paty wurde von einem jungen Muslim geköpft. Die Jagd auf christliche Armenier durch türkische Nationalisten in Lyon, ebenso wie die Enthauptung in einer Kirche in Nizza schockieren nur noch die apathische, nicht-islamische Welt im World Wide Web. Der Fernsehzuschauer bleibt von den meisten Schreckensnachrichten, aufgrund einer „nur regionalen“ Bedeutung, verschont.

Emmanuel Macron, Präsident der konstitutionellen, laizistischen Republik Frankreich hingegen sei, so lesen wir selbst in deutschen Medien, der „Verlierer des Tages“. Für Muslime ist er gar „islamophob“, ein „Rassist par excellence“. Dabei verteidigte Emmanuel Macron lediglich universelle Werte der westlichen Zivilisation. Er verlangte Respekt gegenüber Frankreich, bekannte sich zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen und trat ein für die Meinungsfreiheit, die – in Frankreich – eben auch Blasphemie umfasst.

Die Umma aber, jene, die weder die fabelhaften Artikel einer Lamya Kaddor liest, noch versteht, wie sehr Mouhanad Khorchide und Seyran Ates ihr in einer essentiellen Frage, nämlich der Unfehlbarkeit des Islams, zustimmen, übersieht die Anschläge, die der Enthauptung von Samuel Paty folgten. Nicht aus Versehen, sondern in dem Bewusstsein, dass weder Simone Barreto Silva, Vincent Loques oder Nadine Dellivers sich „etwas zu Schulden kommen lassen“ haben. Die Umma geht lieber demonstrieren, für Mohammed, gegen „Charlie Hebdo“ oder wie gerade in Berlin mit einem wie ein Sklave angeleinten Macron-Darsteller durch die Straßen und versucht sich im Boykott gefälschter Louis-Vuitton-Taschen. Jedenfalls schweigt sie nicht mal mehr.

Man stelle sich nur mal eine Sekunde lang vor, die deutsche Mitte würde lautstark behaupten, der ermordete Regierungspräsident im Bezirk Kassel (Hessen), Walter Lübke, sei selbst schuld an seinem Ableben. Immerhin habe er durch sein Engagement für Flüchtlinge deutschlandweit die Menschen verärgert.

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