Auswandern? Wenn ja: wohin (Teil 3/3)

Nicht nur die Juden, sondern auch jeder zweite nicht-jüdische Bundesbürger hat besonders in dieser Zeit schon einmal über Auswanderung nachgedacht. Wir präsentieren Auswanderungsziele, in denen attraktive deutschsprachige und jüdische Infrastrukturen existieren.

Deutsche evangelische Kirche in Kapstadt (Südafrika) – Quelle: IMH


Von Björn Akstinat

Viele haben nicht die Chance, ihr Auwanderungsziel frei zu wählen, weil sie von ihrem Arbeitgeber ins Ausland geschickt werden oder nur in einem bestimmten Land eine passende Arbeitsstelle finden. Andere jedoch können und wollen zwischen mehreren Auswanderungszielen abwägen und denken sehr langfristig. Sie möchten für sich, ihre Kinder und ihre Enkel auf Dauer eine neue geeignete Heimat finden ... und das will wohlüberlegt sein.

Alle Studien und Beobachtungen zeigen: Auch bei Auswanderern gilt langfristig nahezu immer der Grundsatz „Gleich und Gleich gesellt sich gern!“. Man sucht gerade im Ausland oft die Nähe zu Menschen mit gleicher Sprache und Kultur, um unkompliziert Erfahrungen und Ratschläge auszutauschen oder um Bräuche und Glaube gemeinsam pflegen zu können.

Deshalb werden in diesem Artikel nur Länder als Auswanderungsziele vorgestellt, in denen bereits eine nennenswerte Zahl an Deutschsprachigen lebt, an die neue Auswanderer andocken können.

Österreich, Luxemburg und die Schweiz bleiben verständlicherweise unberücksichtigt, weil sie Deutschland kulturell sehr ähneln und den Deutschen durch Reisen und Ausflüge meist schon gut bekannt sind. So gestaltet sich ein Umzug dorthin als die unproblematischste Art der Auswanderung ohne großen Beratungsbedarf.

Die hier mit Kurzporträts vorgestellten Länder werden nach folgenden Kriterien bewertet:

* medizinische Versorgung und Pflege auf Deutsch (z.B. Ärzte/Altersheime)

* deutschsprachige Kultur- und Freizeitangebote (Theateraufführungen, Filmvorstellungen, Konzerte, Büchereien, Sportvereine, Chöre oder andere regelmäßige Feierlichkeiten)

* deutschsprachige Medienangebote (Zeitungen, Zeitschriften, Internetportale, Radio- oder Fernsehsendungen in Deutsch)

* deutschsprachige Seelsorge (deutschsprachige Gemeinden)

* deutschsprachige Bildungs- und Erziehungsangebote (Kindergärten, Schulen, Hochschulen)

* Verfügbarkeit deutscher Lebensmittel und sonstiger Produkte bzw. Dienstleistungen (deutsche Gaststätten, Lebensmittelläden, Bäckereien, Buchhandlungen, Handwerker)

* Offenheit für deutschsprachige Neueinwanderer, Rechtssicherheit, Lebenshaltungskosten

Maximal können sieben Sternchen vergeben werden.

Deutschsprachige Zeitungen in den USA – Quelle: IMH


Auf die Bedürfnisse von deutsch-jüdischen Auswanderen wird in einigen Länderporträts besonders eingegangen.

Nachdem in den vorherigen Ausgaben die Situation in Argentinien bis Paraguay dargestellt wurde, werden in diesem dritten und letzten Teil der Artikelserie folgende Länder behandelt:

 

Polen * * * * * * *

Die Deutschstämmigen sind die mit weitem Abstand größte Minderheit unseres östlichen Nachbarlandes. Von den schätzungsweise rund 300.000 Deutsch-Polen leben die meisten in Oberschlesien und im Bezirk Ermland-Masuren. In einigen Ortschaften – besonders um die Stadt Oppeln – liegt ihr Anteil so hoch, dass dort zweisprachige Ortsschilder aufgestellt wurden und Deutsch als zweite Amtssprache gilt. Oppeln ist auch der Sitz des Zentralverbandes der deutschen Minderheit sowie der bedeutendsten deutschsprachigen Medien des Landes: einer Wochenzeitung (www.wochenblatt.pl), eines Wirtschaftsmagazins (www.polenjournal.de) und sogar einer Fernsehsendung (www.wochenblatt.pl/medien/tv). Eine Schule mit komplett deutschsprachigem Unterricht existiert in Warschau. Schulen mit verstärktem Deutschunterricht findet man in vielen Orten – auch in der Provinz. Eine Besonderheit in Schlesien ist das Netzwerk deutschsprachiger Fußballschulen unter der Schirmherrschaft des deutsch-polnischen Fußballspielers Miroslav Klose. Die Sprache Goethes ist in Polen äußerst beliebt. In keinem anderen Land der Welt lernen mehr Schüler Deutsch als Fremdsprache. Das heißt: Die Eröffnung einer privaten Sprachschule wäre für Neu-Einwanderer aus der Bundesrepublik eine überlegenswerte Geschäftsidee. In einigen Fächern ist auch nach der Schule eine akademische Ausbildung auf Deutsch möglich. So werden beispielsweise deutschsprachige Studiengänge in Betriebswirtschaft, Informatik und Rechtwissenschaft angeboten.

Die Zahl der polnischen Bürger jüdischen Glaubens liegt bei etwa 10.000. Rund 10 % davon sprechen noch Jiddisch. Deshalb erscheint in Warschau auch eine der letzten Zeitschriften Europas mit jiddischsprachigem Inhalt (https://alt.juedischerundschau.de/dos-jidisze-wort-die-stimme-der-polnischen-juden-135910800). Viele jüdische Gemeinden und Synagogen warten auf eine Wiederbelebung.

 

Rumänien * * * * * * *

Die Deutschen in Rumänien sind eine absolute Besonderheit. Sie sind nicht nur die älteste deutsche Minderheit außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachraums, sondern auch eine der fortschrittlichsten. Ab 1150 siedelten die ersten Deutschen an den Karpaten und gründeten Städte wie Hermannstadt/Sibiu oder Kronstadt/Brasov. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts lebten rund 800.000 von ihnen in Rumänien. Nach 1945 kehrten die meisten nach Deutschland zurück, um den Repressalien und dem Elend des Kommunismus zu entfliehen. Doch einige hielten durch. Bis heute leben rund 40.000 Rumäniendeutsche im Land – hauptsächlich in Siebenbürgen, im Banat und um die Stadt Sathmar im Nordwesten. Auch wenn sie nun eine relativ kleine Gruppe sind, haben sie enormen Einfluss und genießen hohes Ansehen. Mit Klaus Johannis stellen sie nicht nur den Staatspräsidenten, sondern unterhalten eine beeindruckende Infrastruktur mit mehreren deutschsprachigen Zeitungen (z.B. www.adz.ro und www.hermannstaedter.ro), Radioprogrammen, Fernsehsendungen, Vereinen, prunkvollen Kirchen, einzigartigen Kirchenburgen, Theatern, Buchhandlungen, Schulen, Studiengängen und einer eigenen Partei. Ihre deutschen Schulen, die teils eine über 600-jährige Tradition vorweisen können, haben oft ein höheres Niveau als vergleichbare in der Bundesrepublik. Das im 19. Jahrhundert gegründete Nikolaus-Lenau-Lyzeum in Temschwar brachte beispielsweise gleich zwei Nobelpreisträger hervor – einerseits Stefan Hell (Physik-Nobelpreis 2014) und andererseits Herta Müller (Literatur-Nobelpreis 2009). Da die Deutschen schon immer zur Bildungselite Rumäniens gehörten, wird an dortigen Universitäten häufig auch in der Sprache Goethes unterrichtet. In keinem anderen Staat außerhalb Deutschlands, Österreichs und der Schweiz kann man so viele unterschiedliche Fächer auf Deutsch studieren. Wer sich über die vielfältigen Angebote informieren will, kann eine Übersicht im Buch „Deutschsprachige Studienangebote weltweit“ finden. Dass die Rumäniendeutschen die einzige deutschsprachige Tageszeitung Osteuropas besitzen und ihre TV-Sendungen im Hauptprogramm des rumänischen Fernsehens zu sehen sind, unterstreicht zusätzlich ihre besondere Rolle unter den deutschen Minderheiten weltweit.

Die Zahl der Juden im Land liegt heute bei unter 10.000. Viele der erhaltenen Synagogen stehen leer. Doch das ist kein Grund zur Resignation, sondern eher eine Chance. Im schönen Hermannstadt beispielsweise, in dessen Zentrum es gleich zwei größere deutsch-evangelische Kirchen gibt, steht auch eine fertig restaurierte Synagoge aus der österreichisch-ungarischen Zeit, die darauf wartet, wieder von deutschsprachigen Juden für deutschsprachige Gottesdienste genutzt zu werden.

Russland * * * * * * *

Obwohl über zwei Millionen Russlanddeutsche in die Bundesrepublik zurückgekehrt sind, lebt bis heute weiterhin eine beachtliche Zahl von ihnen in der Russischen Föderation. Zu den Siedlungszentren gehören die beiden autonomen deutschen Landkreise Asowo und Halbstadt in Südsibirien sowie das Königsberger Gebiet im äußersten Westen Russlands. Die autonomen Landkreise haben vielerlei Sonderrechte und werden von der Bundesrepublik besonders bezuschusst. Ihre Infrastruktur ist daher besser als die anderer ländlicher Regionen. Auch in deren Umgebung ist der Anteil Deutschstämmiger an der Gesamtbevölkerung recht hoch, da nach der Auflösung der etwa 20 Jahre lang existierenden autonomen deutschen Wolgarepublik im August 1941 durch Stalin die meisten Deutschen nach Sibirien deportiert wurden. Der vorherrschende Erwerbszweig der zwei deutschen Landkreise ist die Landwirtschaft. Sie bietet derzeit allgemein große Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten in der Russischen Föderation und zieht dadurch zunehmend deutsche Neu-Einwanderer ins Land. Einer der bekanntesten von ihnen ist Stefan Dürr aus Baden, der Anfang der 90er-Jahre ein Agrarunternehmen in Südwestrussland gründete und zum größten Milchbauern des Landes aufstieg. Im Königsberger Gebiet haben Russlanddeutsche keine Sonderrechte, aber zahlreiche eigene Institutionen wie das deutsche Kulturzentrum und eine riesige evangelische Kirche. Die größte Bäckereikette des Gebietes heißt „Königsbäcker“ und auch die bedeutendste regionale Biermarke trägt einen traditionellen deutschen Namen – und zwar „Ostmark“. Außerdem erscheint in Königsberg/Kalinigrad die von einem russisch-jüdischen Ehepaar seit 1993 herausgegebene deutschsprachige Monatszeitung „Königsberger Express“. Sie ist wie die in der Hauptstadt erscheinende zweiwöchentliche „Moskauer Deutsche Zeitung“ eine hervorragende Informationsquelle für alle, die eine Einwanderung planen (www.koenigsberger-express.com und www.mdz-moskau.eu). Das Ansehen der alteingesessenen Russlanddeutschen und deutscher Neuzuzügler ist mittlerweile sehr gut. Aus Kriegszeiten herrührende Ressentiments sind kaum noch zu spüren. So wurde zum Beispiel der Russlanddeutsche Herman Gräf zum Wirtschaftsminister und zum Vorstandsvorsitzenden der führenden Sberbank ernannt. Deutsch gehört zu den beliebtesten Fremdsprachen. Produktbezeichnungen in der Sprache Goethes wirken verkaufsfördernd. Viele alte deutsche Ortsnamen werden heute von Russen selbst verwendet. Kaum ein Russe zuckt mit der Wimper, wenn jemand Königsberg statt Kaliningrad oder Cranz statt Selenogradsk sagt. Am Ortseingang des alten ostpreußischen Ostseekurortes Cranz/Selenogradsk haben die Bürger vollkommen freiwillig ein zweisprachiges Ortsschild aufgestellt, ohne dass es dafür irgendeine gesetzliche Verpflichtung gäbe.

Sogar die neu entstandene jüdische Gemeinde Königsbergs (sie war früher nach Berlin und Breslau die drittgrößte Gemeinde Deutschlands) ist sehr deutschfreundlich. Man will an die Tradition der Vorkriegszeit anknüpfen, hat erst vor kurzem die alte Synagoge der Stadt (1896 im Kaiserreich eingeweiht) fast 1:1 wiederaufgebaut und freut sich über Gäste oder Neu-Mitglieder aus der Bundesrepublik. Der Gemeindevorsteher spricht gut Deutsch und hat auch schon in der JÜDISCHEN RUNDSCHAU publiziert.   

 

Spanien * * * * * * *

In Spanien gibt es keine traditionelle deutsche Minderheit. Doch in einigen Küstengebieten und auf bestimmten Touristeninseln leben mittlerweile Deutsche und Deutschstämmige seit mehreren Generationen. Sie haben eine eigene Infrastruktur aufgebaut, die kaum Wünsche offenlässt. Deutsche Gaststätten, Kirchengemeinden, Ärzte, Schulen, Bäckereien, Radioprogramme oder Zeitungen – alles ist vorhanden! Besonders auf Mallorca ist dies der Fall. Dort wohnen mittlerweile rund 30.000 Deutsche dauerhaft. Einige von ihnen wurden schon auf der Insel geboren. In Spanien ist die Zahl der deutschsprachigen Zeitschriften und Zeitungen besonders groß. Allein auf Mallorca erscheinen zwei große Wochenzeitungen für deutsche Urlauber und Residenten. Einen Überblick über alle Titel verschafft das „Handbuch der deutschsprachigen Presse im Ausland“.

Seit 1971 besteht wieder eine kleine jüdische Gemeinde in Palma de Mallorca, die erste seit der spanischen Inquisition. Die Gemeinde wurde vom deutschen Juden Dr. Werner van der Zyl aus Westfalen gegründet. Er starb 1984 auf der Insel. Drei Jahre nach seinem Tod konnte eine Synagoge in der Calle Monseñor Palmer eingeweiht werden. Der jüdische Friedhof befindet sich etwa 16 km östlich der Stadt in Santa Eugenia. Heute leben auf den Balearen schätzungsweise 1.500 jüdische Personen. Die Gemeindemitglieder stammen aus unterschiedlichen Nationen, darunter auch aus Deutschland. Mehr dazu in diesem Artikel der deutschsprachigen „Mallorca-Zeitung“: www.mallorcazeitung.es/leben/2019/03/03/juden-mallorca-unsichtbare-geschichte/66389.html.

 

Südafrika * * * * * *

Deutsche leben bereits seit über 350 Jahren im Gebiet des heutigen Südafrikas. Sie gründeten eigene Ortschaften wie Hermannsburg oder ließen sich auch in Ballungszentren wie Johannesburg, Pretoria, Durban und Kapstadt nieder. In allen größeren Städten existieren deutsche Kirchengemeinden und Schulen. Die Zahl der Menschen in Südafrika, die gegenwärtig Deutsch als Mutter- oder Fremdsprache sprechen, dürfte bei etwa 200.000 liegen. Sie ist in den letzten Jahrzehnten gesunken, da viele Deutschstämmige aufgrund der schlechten Sicherheitslage und ungewissen Zukunftsaussichten seit dem politischen Umbruch in den 1990er Jahren wieder in ihre alte Heimat zurückkehren. Ein sicheres und weitgehend unbeschwertes Leben ist mittlerweile fast nur noch an der Südküste und in kleineren Siedlungen möglich – beispielsweise im bis heute sehr deutsch geprägten Hermannsburg bei Durban. Das Betreten der Stadtzentren nördlicher Metropolen wie Johannesburg (größte Stadt des Landes) und Pretoria (Hauptstadt) ist mittlerweile sehr gefährlich.

Deshalb mussten bereits jüdische und deutsch-evangelische Gemeinden aus den Innenstädten an die Stadtränder ziehen. Die Kontaktadressen passender Gemeinden für deutsche Auswanderer listet das „Handbuch der deutschsprachigen Presse im Ausland“ auf. Die Firma DEUKOM in Kapstadt bietet seit Jahrzehnten einen besonderen Dienst an: Deutschsprachige in Südafrika und Namibia können über sie die kompletten Programme aller deutschen TV-Sender empfangen (sogar inklusive aller Sportsendungen und Spielfilme). Das gab und gibt es in dieser Form sonst nirgendwo außerhalb Europas. Auch wenn die Infrastruktur für Auswanderer vielerorts noch gut ist, so reicht es in Anbetracht der momentanen Sicherheitslage nur für sechs von sieben Sternchen.

 

Tschechische Republik * * * * * * *

Unser östliches Nachbarland ist uns nicht nur geographisch nah, sondern auch kulturell. Das trifft insbesondere auf die Randgebiete der Tschechischen Republik zu, die bis zum Zweiten Weltkrieg fast ausschließlich von Deutschen bewohnt wurden. Einige nordböhmische Orte, deren deutsche Namen nach 1945 kaum abgeändert wurden – wie beispielsweise Rumburk (deutsch = Rumburg) oder Varnsdorf (Warnsdorf) – erinnern daran. Mehrere zehntausend Deutschstämmige wurden nach dem Kriegsende nicht vertrieben und leben noch immer dort. Ihre Vereine und Begegnungszentren haben einen eigenen Dachverband, der auch eine informative Zeitschrift zu Kultur, Wirtschaft und Politik herausgibt (www.landesversammlung.cz). Besonders viele Deutsche leben im Norwesten in den Regionen um Karlovy Vary (Karlsbad) und um Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe). Neben dem Sudetenland waren früher auch die Großstädte Böhmens und Mährens weitgehend deutsch geprägt. In Prag, Pilsen oder Brünn sprachen die Bildungsbürger und die jüdischen Einwohner fast ausnahmslos Deutsch. Davon zeugen auf Häuserwänden der tschechischen Hauptstadt noch viele übriggebliebene gemalte deutschsprachige Straßennamen aus der Vorkriegszeit. Wer die beeindruckende Jerusalem-Synagoge im Prager Zentrum besucht, wird dort ebenfalls einige Schriftzüge in deutscher Sprache entdecken (www.synagogue.cz). Auch wenn man in dieser Synagoge und auf den Straßen der Tschechischen Republik kaum noch Deutsch hört, ist die Verbreitung von Deutsch als Fremdsprache enorm. Machen Sie den Test! Sprechen Sie einmal einen Tschechen an! Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie sich mit ihm in Ihrer Muttersprache unterhalten können.

 

Ungarn * * * * * * *

In Ungarn lässt es sich gut leben. Viele deutschsprachige Menschen und Kulturangebote sowie niedrige Steuern und Lebenshaltungskosten tragen dazu bei. Deutsche Touristen, Investoren und Auswanderer kommen deshalb in großer Zahl ins Land.

Die ersten Deutschen kamen bereits vor vielen hundert Jahren. Zur alteingesessenen deutschen Minderheit, die größtenteils aus verbliebenen Donauschwaben besteht, gehören etwa 200.000 Menschen, von denen rund 50 Prozent bis heute ihre Muttersprache beherrschen. Noch weitaus höher ist die Zahl der Ungarn, die Deutsch als Fremdsprache sprechen: Sie liegt bei über 1,5 Mio. Menschen. Die Minderheit lebt in verschiedenen Regionen. Städte mit einem nennenswerten Anteil von Deutschstämmigen sind beispielsweise Fünfkirchen/Pécs und Frankenstadt/Baja im Südwesten sowie Werischwar/Pilisvörösvár bei Budapest und Ödenburg/Sopron an der Grenze zu Österreich. In den beiden Letztgenannten gibt es für sie sogar zweisprachige Orts- und Straßenschilder. Von der Minderheit werden zahlreiche Kulturzentren, Schulen, Kindergärten, ein deutsches Theater in Seksard/Szekszárd und übergeordnete Verbandsinstitutionen in Budapest (www.zentrum.hu) betrieben. Wie minderheitenfreundlich Ungarn nach der Wende geworden ist, zeigt sich unter anderem daran, dass die Deutschen seit neuestem einen eigenen Abgeordneten ins Parlament entsenden dürfen und dass vor einigen Jahren ein spezieller Gedenktag für die Vertreibung vieler Donauschwaben nach 1945 eingerichtet wurde – der erste und bislang einzige Tag zum Gedenken an die gewaltsame Vertreibung der Deutschen in einem osteuropäischen Staat.

Für Angehörige der Minderheit, für Neu-Einwanderer, Geschäftsleute und Urlauber enstand in den vergangenen Jahrzehnten eine außerordentlich vielfältige deutschsprachige Medienszene mit rund 100 Zeitschriften und Zeitungen sowie Radioprogrammen und regelmäßigen Fernsehsendungen. Allein in Budapest erscheinen zwei Wochenzeitungen auf Deutsch. Mehr Infos dazu bietet das Nachschlagewerk „Handbuch der deutschsprachigen Presse im Ausland“. Neben dem enormen Medienangebot, das Neulingen hilft, Schwierigkeiten mit der ungarischen Sprache zu überbrücken und das Land zu verstehen, existieren ebenfalls außergewöhnlich viele deutschsprachige Studiengänge – von Betriebswirtschaft über Pädagogik bis hin zu Zahnmedizin. In Budapest sitzt sogar die einzige vollständig deutschsprachige Hochschule außerhalb des deutschen Sprachraums, die Andrássy-Universität.

In Osteuropa haben Juden immer stark zur Verbreitung der deutschen bzw. jiddischen Sprache beigetragen. Auch wenn das jüdische Leben in Ungarn mittlerweile nicht mehr auf Deutsch stattfindet, so ist es dennoch äußerst lebendig. Es ist keinen Einschränkungen unterworfen und wird staatlicherseits gefördert. Jüdische Symbole können in der Öffentlichkeit ohne Angst getragen werden. Heute leben im Land der Magyaren über 100.000 Juden. Die jüdische Gemeinde Budapests ist die größte Osteuropas. Über 20 Synagogen stehen den Gläubigen in Budapest zur Verfügung. Die „Große Synagoge“ im Stadtteil Pest ist eine einzigartige Sehenswürdigkeit und die prächtigste sowie größte Synagoge in ganz Europa.

 

USA * * * * * * *

Die über 50 Mio. Deutschstämmigen in den USA sind die größte ethnische Gruppe des Landes – weit vor den Amerikanern mit irischen, mexikanischen oder englischen Wurzeln. Etwa 10 Prozent der Deutschamerikaner – zu denen u.a. auch Sandra Bullock, Leonardo DiCaprio, Henry Kissinger und Kirsten Dunst gehören – sprechen oder verstehen noch Deutsch. Sie haben entscheidend zu Amerikas Aufstieg zur Weltmacht beigetragen und sind ein gutes Beispiel dafür, wie deutsche Auswanderer weltweit den Fortschritt ankurbelten. Deutsche Gemeinschaften oder Minderheiten im Ausland stellen eine Besonderheit dar, weil sie das Wohlstands- und Entwicklungsniveau anderer Länder nie gesenkt, sondern immer angehoben haben. Oft wurden deutsche Siedler aufgrund ihres guten Rufs extra angeworben. In den Vereinigten Staaten findet man Deutschamerikaner heute überall – aber im Mittleren Westen treten sie besonders konzentriert auf. Ihr Bevölkerungsanteil liegt beispielsweise in Wisconsin, Süd-Dakota und Nord-Dakota bei rund 50 Prozent. Nicht ohne Grund trägt die Hauptstadt von Nord-Dakota den Namen „Bismarck“. In den Bundesstaaten Pennsylvania, Ohio oder Indiana hört man Deutsch nicht selten auf den Straßen. Die dort lebenden Amischen, die ursprünglich aus Südwestdeutschland einwanderten, benutzen ihre althergebrachte Muttersprache noch ganz selbstverständlich im Alltag.

Als Interessenvertretung der Deutschstämmigen im Land versteht sich der Deutsch-Amerikanische Nationalkongress (www.dank.org) in Chicago. Er setzte sich u.a. erfolgreich für die Einführung eines offiziellen deutsch-amerikanischen Feiertages ein, der seit den 1980er Jahren alljährlich am 6. Oktober – oft mit Beteiligung des US-Präsidenten – begangen wird und an die Ankunft der ersten deutschen Einwandererfamilien am 6. Oktober 1683 erinnert. Wer andere Deutsche treffen möchte, muss nur die deutschen Gaststätten, Klubs, Vereine, Kirchengemeinden und Feste im ganzen Land besuchen. Die Adressen stehen in den vielen deutschsprachigen Zeitschriften und Zeitungen, die zwischen Ost- und Westküste herausgegeben werden. Welch lange Tradition die deutsche Kultur in den USA hat, lässt sich unschwer daran erkennen, dass dort die weltweit älteste deutschsprachige Wochenzeitung erscheint. Investoren, die deutsche Presseverlage übernehmen oder sich daran beteiligen, kommen übrigens leichter an eine US-Aufenthaltsgenehmigung. Bis vor wenigen Jahren publizierte eine New Yorker Redaktion sogar noch eine jüdische Zeitung auf Deutsch. Sie ist an den amerikanischen Kiosken nicht mehr erhältlich, dafür aber zahlreiche jiddische Druckmedien (www.wina-magazin.at/lesen-in-mameloshn). Ganze New Yorker Stadtteile werden von jiddischsprachigen Juden bevölkert. Sie haben viele eigene Institutionen – darunter ein Theater (www.nytf.org), dessen Aufführungen auch Deutschsprachige verstehen können. Nähere Auskünfte über das reiche deutsch-jüdische Kulturleben in den USA kann das Leo-Baeck-Institut in New York (www.lbi.org/de) erteilen.

 

Der Artikel stammt von der Nachrichtenagentur der Internationalen Medienhilfe (IMH). Falls Sie weitere Informationen zu deutschsprachigen Institutionen, Medien oder Studienangeboten im Ausland benötigen, können Sie sich unter info@medienhilfe.org an die IMH wenden.

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