Anti-Netanjahu-Proteste und die Heuchelei der extremen Linken

Proteste in Jerusalem, die sich anfangs vor allem gegen Corona-Maßnahmen der israelischen Regierung wendeten, wurden von teils gewalttätigen Demonstranten der israelischen Linken und Antizionisten vereinnahmt.

Anti-Netanjahu-Demonstranten in Jerusalem© Ahmad GHARABLI , AFP

Von Tina Adcock

Der gemeinnützige Verein „Im Tirtzu“ prangert die augenscheinliche Doppelzüngigkeit der Proteste an und rief als Antwort darauf die Kampagne „Israel schützen – der Anarchie entgegentreten“ ins Leben. Der Leiter für Außenbeziehungen der Organisation, Eytan Meir, stand Audiatur-Online hierzu für ein Interview zur Verfügung:

 

Audiatur-Online: Das offizielle Ziel der Demonstranten ist es gegen den, ihrer Meinung nach, schlechten Umgang mit COVID 19 von Seiten der israelischen Regierung zu demonstrieren und auf Missstände aufmerksam zu machen. „Im Tirtzu“ klassifiziert die Demonstrationen allerdings als antizionistisch und sagt, dass die wirklichen Bestrebungen der Proteste etwas ganz anderes sind. Können Sie diese Gedanken weiter ausführen?

Eytan Meir: Am Anfang richteten sich die Proteste tatsächlich gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung. Die Teilnehmer hatten die unterschiedlichsten Hintergründe, z.B. waren es Kleinunternehmer, Selbstständige oder Restaurantbesitzer, die von den Regulierungen und vor allem Schließungen betroffen waren. Dies ist natürlich ihr demokratisches Recht, allerdings viel alsbald auf, dass verschiedene radikale linke Gruppierungen die Proteste für die Vermittlung ihrer eigenen Agenda nutzten. Unzählige Schilder mit den verschiedensten Aufschriften, wie z.B. „Israel ist ein Apartheidstaat“ sind plötzlich auf den Demonstrationen aufgetaucht.

Audiatur-Online: „Im Tirtzu“ startete jüngst eine landesweite Kampagne zur Unterstützung der Polizei, die sich gegen die Corona-/Anti-Netanyahu-Proteste positioniert. Was hat es damit auf sich und was ist auf den Straßen Israels los?

Eytan Meir: Wir befinden uns derzeit inmitten einer Pandemie und die Menschen müssen sich durch Masken und Abstandsregeln so gut wie es geht schützen. Die Leute, die zu den Demonstrationen gehen, halten diese Maßnahmen allerdings eher selten ein und bringen somit andere Menschen und auch die Wirtschaft in Gefahr, nur weil sie z.B. mit Netanjahu unzufrieden sind. Wenn Sie die Demonstranten fragen würden, ob es orthodoxen Juden erlaubt sein sollte sich zu Gebeten oder ähnlichem zu versammeln, würden sie zu Recht mit Nein antworten. Wenn sie aber fragen, warum sie dann die Regeln in Bezug auf ihre eigenen Versammlungen missachten, werden die Demonstranten antworten, dass dies ja etwas anderes wäre. Einer der problematischen Punkte ist jedoch die Gewalt, die von den Protesten ausgeht, vor allem gegenüber Polizisten und Journalisten. Die Sicherheitsbeamten sind bei den Kundgebungen, um Ausschreitungen zu verhindern, das heißt, um die Demonstranten zu schützen und dafür werden sie im Gegenzug attackiert. Bei den Journalisten ist es ähnlich. Sie wollen über die Demonstrationen berichten und werden angegriffen. Journalisten, die für den israelischen TV Channel 20 von den Protesten live berichteten, wurden verbal und körperlich angegriffen.

Darum haben wir uns dazu entschlossen eine Kampagne ins Leben zu rufen, die sich gegen die Ausschreitungen und die Missachtung der Corona-Maßnahmen richtet. Trotzdem wollten wir dabei sicherstellen, dass die Corona-Restriktionen eingehalten werden, um uns und andere Menschen zu schützen. Deswegen haben wir uns entschieden Flyer zu verteilen und auf Social Media unsere mehr als 230.000 Follower über die Hintergründe der Demonstrationen aufzuklären. Diese Kundgebungen sind nebenbei gesagt, im Vergleich zu einem einzigen Wahlmandat, das 40.000 Stimmen beträgt, marginal in ihrer Größenordnung, auch wenn in den Medien oft von den „Massen“ berichtet wird, die sich gegen Netanjahu erheben würden. Zusätzlich gehen zwei bis drei unserer Mitarbeiter zu den Protesten, um eventuelle Ausschreitungen auf Video festzuhalten. Dies ist daher wichtig, weil viele Medien von der Gewalt, dem Antizionismus, den linksextremen Flaggen, den Apartheit-Statements usw. nicht berichten, sondern die Realität verklären. Das führt dazu, dass die Menschen denken, dass die Proteste friedlich sind und sich lediglich gegen die Corona-Maßnahmen richten. Unsere Videos sollen daher die Realität einfangen und die Leute sensibilisieren.

Audiatur-Online: Wer organisiert und finanziert die Demonstrationen?

Eytan Meir: Es gibt verschiedene Gruppierungen, die an den Demonstrationen teilnehmen. Eine von ihnen nennt sich „Black Flag“ und besteht aus radikalen Anti-Netanjahu-Aktivisten. Die Gruppe ist nicht offiziell als Organisation registriert, weswegen sie ihre Finanzierung verschleiern kann. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass der frühere Premierminister, Ehud Barak, einer der Unterstützer ist. Es ist ebenfalls wichtig zu wissen, dass die Bewegung bereits vor COVID 19 existierte, was klar beweist, dass ihr Hauptaugenmerk nicht auf der Pandemie lastet.

Eine andere Gruppe nennt sich „Crime Minister“/„New Contract“, und existierte ebenfalls bereits vor dem Ausbruch von COVID 19. Diese Gruppierung ist zwar registriert, hat aber bisher ihre Finanzen nicht öffentlich gemacht.

Eine weitere, nicht-registrierte Organisation, die ebenfalls bereits vor der Pandemie existierte, trägt den Namen „No Way“ und wurde von dem ehemaligen General Amir Haskel gegründet.

Dies drei wichtigsten Gruppierungen agieren alle unter dem Deckmantel der Corona-Proteste und treiben dabei ihre radikale und antizionistische Agenda voran.

Es gibt natürlich noch andere Organisationen wie den in den USA ansässigen „New Israel Fund“, der einer der größten Geldgeber von antizionistischen NGOs. Diese Nichtregierungsorganisationen (z.B. Stand Together), sind dementsprechend ebenfalls an den Protesten beteiligt.

Audiatur-Online: Wie nehmen die israelischen Mitbürger eure Kampagne wahr? Bekommt ihr mehr positives oder negatives Feedback?

Eytan Meir: Das ist eine schwierige Frage. Die Mehrheit der Israelis steht jedenfalls den Demonstrationen kritisch gegenüber. Die meisten Israelis sind gegen Anarchie und Gewalt und daher eher dazu geneigt mit uns zu sympathisieren.

Audiatur-Online: Was sind eure größten Sorgen in Hinblick auf den derzeitigen Kurs der Proteste?

Eytan Meir: Ein Anstieg der gewaltsamen radikalen Ausschreitungen und das Schweigen der moderaten und zionistischen linken Organisationen. Sie sollten sich von den Hardlinern distanzieren, doch sie haben Angst, dass sie, wenn sie das tun, anschließend selbst zur Zielscheibe werden könnten.

Die Zusammensetzung und vor allem die Motivation der Proteste in Israel ist vielseitig. Menschen, deren Existenz durch die Pandemie zerstört wurde und die deswegen zurecht frustriert sind, laufen sprichwörtlich Hand in Hand mit antizionistischen, linksextremen Demonstranten, denen es nicht darum geht die Corona-Maßnahmen zu kritisieren, sondern die ihre eigene Agenda teilweise auch mittels Gewalt auf die Straßen des jüdischen Staates tragen. Die friedlichen Teilnehmer der Demonstration sollten sich klar und deutlich von derartigen Gruppen distanzieren, wenn ihnen ihre Gesundheit und ein demokratischer Staat wichtig sind, denn genau dafür gehen sie ja auf die Straße – um ihr Leben, das Land und die Wirtschaft von Prä-Corona Zeiten zurück zu bekommen und es, im besten Falle, noch besser zu machen.

Audiatur-Online: Eytan Meir, vielen Dank für das Interview.

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