Die Freude kehrt zurück

Während eines sehr erfolgreichen Ferienlagers in Chemnitz für jüdische Kinder aus Sachsen und Sachsen-Anhalt fanden diese zur Religion ihrer Vorfahren zurück.

Führung in der Chemnitzer Synagoge durch Frau Dr. Ruth Röcher

Von Rabbiner Elischa Portnoy

Die Organisation eines wöchentlichen Machanes für Kinder mit Übernachtungen, drei Mahlzeiten am Tag, Ausflügen und spannenden Programmen ist auch in regulären Zeiten eine große Aufgabe. In unseren Corona-Krisenzeiten hingegen ist es eine riesige Herausforderung. Diese Herausforderung hat die Jüdische Gemeinde Chemnitz angenommen und das Unmögliche möglich gemacht.

Als die langjährige Vorsitzende der JG Chemnitz, Frau Ruth Röcher, den „Bund der traditionellen Juden in Deutschland“ (BtJ) im Mai bezüglich eines Machane kontaktierte, schien diese Idee verrückt zu sein: der Corona-bedingte Lockdown wurde gerade erst langsam wieder aufgehoben und die Kinder kehrten schrittweise zum Präsenzunterricht zurück. Doch man entschied sich die Möglichkeit eines Camps offen zu lassen. Man wusste, dass auch in Sachsen-Anhalt die traditionellen Camps für Kinder außerhalb von Deutschland Corona-bedingt ausgefallen sind. Und die Gemeinden würden sich sicher freuen, wenn es dennoch eine Möglichkeit für die Kinderbetreuung gäbe.

Deshalb begann man sofort die Logistik vorzubereiten, ein potenzielles Team anzusprechen und zusammenzustellen und natürlich aufmerksam die ständig neuen Nachrichten aus Sachsen bzgl. Der Corona-Regeln für Kinder und Jugendliche zu verfolgen.

Viele Hürden mussten genommen werden: Zum einem musste die Jugendherberge ohne die Garantie, dass die Erlaubnis zum Camp tatsächlich erteilt wird, reserviert werden. Auch ein Engagement von Madrichim (Jugendleitern) wurde komplizierter: wegen des Lockdowns wurden die Prüfungen in den Unis verschoben und viele Sportvereine nahmen jetzt erst ihren Betrieb wieder auf. Deshalb waren mehrere erfahrene Jugendleiter nicht frei, um zum Beispiel an Prüfungen ihrer Unis teilnehmen zu können.

 

Das Lager stand auf der Kippe

Nach langem Bangen wurde Ende Juni klar, dass das Land Sachsen die Sommer-Camps für Kinder erlaubt hat – sogar ohne die üblichen Corona-Auflagen wie Abstandhalten und Masken-Tragen (innerhalb der entsprechenden Gruppen). Mit diesen Maßnahmen wäre jedes Camp unmöglich gewesen.

Dann begann die eigentliche Planung. Es musste ein überzeugendes Konzept für die Behörden vorgelegt werden. Auch wenn die Sache dadurch erschwert war, dass die Teilnehmer nicht nur aus Sachsen kamen, konnte der BtJ und die Gemeinde Chemnitz die zuständigen Behörden überzeugen, und die Erlaubnis für das Camp wurde schließlich erteilt.

Präsentation der Malarbeit zu Thema König David

Nun mussten auch die Eltern noch überzeugt werden, dass die Veranstaltung für die Kinder ungefährlich sein wird, und in kurzer Zeit waren bereits dreißig Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren aus den jüdischen Gemeinden Chemnitz, Halle und Dessau angemeldet.

Dann ging die Arbeit richtig los: Es musste das Essen, das Programm, die Ausflüge und die Sicherheit organisiert werden. Hier hat sich die langjährige Erfahrung der Geschäftsführerin des BtJ, Katia Novominski, ausgezahlt. Innerhalb kürzester Zeit wurden Madrichim aus ganz Deutschland zusammengerufen, ein erstklassiges Sicherheits-Team aus Dresden engagiert und die ganze Logistik rund um Wohnen und Essen in enger Abstimmung mit den Gemeinden organisiert.

Auch ein Motto für das Camp kam uns entsprechend unseren unseligen Corona-Zeiten schnell in den Sinn: „Kings und Queens“ hieß der Machane jetzt. Deshalb trugen die drei Gruppen, in die alle Kinder entsprechend ihres Alters aufgeteilt wurden, die Namen jüdischer Könige: Esther, Michal und Bat Schewa.

 

Volles jüdisches Programm

Während der Woche im Camp gab es neben gutem koscherem Essen, viel Bewegung und Spaß auch Peulot (Unterrichte) zu jüdischer Tradition. Jeder Teilnehmer hat einen eigenen kleinen Siddur mit Mode Ani, Schma, Birkat haMazon und traditionellen jüdischen Liedern bekommen. An drei Tagen haben Kinder die drei ersten jüdischen Könige (Schaul, David und Schlomo) kennengelernt.

Das erste Highlight der Woche war der Ausflug in den Vergnügungspark „Sonnenland“ in der Nähe von Chemnitz. Hier konnten sich die Kinder bei gutem Wetter einmal richtig austoben.

Am Schabbat wurde ein Quiz zu dem Wochenabschnitt, der aus Chumasch vorgelesen wurde, veranstaltet und für die richtigen Antworten bekamen einige Teilnehmer Bonbons. Außerdem wurde den Kindern die Thora-Rolle gezeigt und viele Erklärungen dazu u.a. von Frau Röcher gegeben. Viele Teilnehmer haben zum ersten Mal die echte Sefer Tora von innen gesehen. Nach der Schabbat-Mahlzeit hatte die ältere Gruppe die Möglichkeit dem Rabbiner Fragen zu stellen. Die Frage „woher weiß ich, dass es G’tt gibt“ hat die Jungs so interessiert, dass manche von ihnen noch nach dem offiziellen Ende des Gesprächs geblieben sind und weiter diskutierten. Besonders beeindruckend waren die Geschichten zum Thema „Reinkarnation im Judentum“.

Auch wenn sich die drei Gemeinden finanziell am Camp beteiligt haben, könnten sie sich alleine eine solche Veranstaltung nicht leisten. Nur mit kräftiger Unterstützung vom „Bund traditioneller Juden“ und seinem Vorsitzenden Michael Grünberg konnte dieses Machane realisiert werden.

Und natürlich gilt ein ganz großer Dank Katia Novominski, die nicht nur als Organisatorin, sondern auch als Lehrerin und Betreuerin immer wieder herausragend ist. Danke an die jüdische Gemeinde Halle und die Leiterin der Jugendarbeit Stela Korenblum – ohne sie alle wäre das Machane und die Betreuung der Kinder nicht möglich gewesen. Große Anerkennung gilt auch Frau Röcher: ohne ihren Mut dieses Camp zu riskieren und das Gebäude der JG Chemnitz zur Verfügung zu stellen, wäre dieses Camp nicht umsetzbar gewesen. Dass dieser Mut sich gelohnt hat, wurde durch die Rückmeldung der Kinder klar: Viele waren schon ganz gespannt auf das nächste Camp, und die während des Lockdowns teilweise eingeschränkte Lebensfreude kam wieder voll zurück.

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