Angela Merkel – wirklich eine Israelfreundin?

Die Bundeskanzlerin hat nahezu jeden Preis erhalten, den Israel und jüdische Institutionen in Deutschland zu vergeben haben. Doch ihr „pro-israelisches“ Engagement sollte wirklich und dringend einer kritischen Prüfung unterzogen werden.

Bundeskanzlerin Merkel spricht in der Knesset.© JIM HOLLANDE, AFP

Von Rainer Grell

Angela Merkel hat als Bundeskanzlerin so ziemlich alle Ehrungen erfahren, die jüdische Organisationen und der Staat Israel zu vergeben haben:

– Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland, am 6. November 2007

– Europe Award of Merit-Medal der B’nai B’rith, am 11. März 2008

– Leo-Baeck-Medaille, am 21. September 2010 in New York

– Preis für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museums Berlin, am 24. Oktober 2011 in Berlin

– Heinz-Galinski-Preis, am 28. November 2012

– „Itur Nesi Medinat Jisrael“, President’s Medal, Ehrenmedaille des Präsidenten, höchste Auszeichnung des israelischen Staates, am 25. Februar 2014

– Abraham-Geiger-Preis, am 2. Dezember 2015

– Elie Wiesel Award für das Jahr 2017, am 24. April 2017, ausgestellt vom United States Holocaust Memorial Museum

– Theodor-Herzl-Preis 2019 des Jüdischen Weltkongresses (WJC), am 28. Oktober 2019

– Buber-Rosenzweig-Medaille 2020 des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, am 8. März 2020 in Dresden.

Außerdem hat Merkel noch Ehrendoktorwürden folgender israelischer Universitäten erhalten:

– Ehrendoktorwürde in Philosophie der Hebräischen Universität Jerusalem, verliehen am 1. April 2007

– Ehrendoktorwürde der Universität Tel Aviv, verliehen am 1. Februar 2011

– Ehrendoktorwürde der Universität Haifa, verliehen am 4. Oktober 2018

Darauf kann nicht nur Angela Merkel selbst, sondern ganz Deutschland stolz sein. Gleichwohl wollen die nagenden Zweifel in mir keine Ruhe geben: Ist die deutsche Bundeskanzlerin wirklich eine so gute Freundin Israels, wie alle Welt und Israel selbst glauben? Um nicht den eigenen Vorurteilen aufzusitzen oder gar – horribile dictu – irgendeiner Verschwörungstheorie, schauen wir uns einfach mal die Tatsachen an, die einen überhaupt dazu bringen könnten, an der israelfreundlichen Haltung Merkels zu zweifeln. Ich beschränke mich dabei auf reine Fakten aus allgemein zugänglichen Quellen, aus denen dann jeder die ihm vertretbar erscheinenden Schlüsse ziehen mag.

 

Die Knesset-Rede vom 18. März 2008

Mir sind folgende Passagen aus dieser zweifellos eindrucksvollen Rede unvergesslich geblieben.

„Deutschland und Israel sind und bleiben und zwar für immer auf besondere Weise durch die Erinnerung an die Schoah verbunden.“

„Nur wenn sich Deutschland zu seiner immerwährenden Verantwortung für die moralische Katastrophe in der deutschen Geschichte bekennt, können wir die Zukunft menschlich gestalten.“

„Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben.“

„Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen in Deutschland und in Europa nie wieder Fuß fassen, und zwar weil alles andere uns insgesamt, die deutsche Gesellschaft, das europäische Gemeinwesen, die demokratische Grundordnung unserer Länder gefährden würde.“

 

Äußerungen der Kanzlerin ziemlich vage

Israel wird permanent durch die meisten arabischen Staaten sowie durch die islamische Republik Iran bedroht. Was bedeutet in diesem Zusammenhang Merkels „Stunde der Bewährung“? Aus israelischer Sicht ist diese an sich permanent gegeben, insbesondere angesichts der Weigerung der islamischen Republik Iran, das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Selbst der als gemäßigt geltende Präsident Rohani hat Israel als „Krebsgeschwür“ bezeichnet. Was mit einem solchen zu geschehen hat, ist allgemein bekannt und zudem kürzlich von dem langjährigen Europapolitiker Elmar Brok bezüglich der Werte-Union innerhalb der CDU deutlich gemacht worden: „So etwas muss man von vornherein mit aller Rücksichtslosigkeit bekämpfen“.

Was passiert, wenn Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gleichwohl in Deutschland und in Europa wieder Fuß gefasst haben? Wie begegnet die Bundesregierung dem Vorwurf des Rassismus, wenn der islamische Antisemitismus kritisiert wird?

Vor dem Hintergrund dieser Fragen nehmen sich die Äußerungen der Kanzlerin in der Knesset-Rede ziemlich vage aus.

 

Karl Lagerfeld hasste die Bundeskanzlerin

„Wir können nicht, selbst wenn Jahrzehnte zwischen den beiden Ereignissen liegen, Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen“, sagte Lagerfeld am 11. November 2017 in der französischen TV-Show „Salut les Terres“ des Senders Canal 8.

Henryk M. Broder hat dieses Phänomen in seiner Laudatio für Marcel Reich-Ranicki zur Verleihung der Ludwig-Börne-Medaille in der ihm eigenen Mischung von Klarsicht, Präzision und Sarkasmus so erklärt: „Sie und ich, wir alle leben in einem Deutschland, in dem tote Juden über alles geliebt, während die Überlebenden und ihre Nachkommen als Störer empfunden werden. Dabei stimmt es nicht, dass die Deutschen vergessen und nicht erinnert werden wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Sie können von der Vergangenheit nicht genug bekommen.“

Jeden Monat veröffentlichte Lagerfeld im Magazin der „FAZ“ eine politische Karikatur. Hier arbeitete er sich allzu gern an der deutschen Regierungschefin ab, die er nach eigener Aussage hasste. Übersetzt in eine Karikatur sah das so aus: Hinter einer Angela Merkel mit angsterfülltem Blick und beiden Händen vor dem Mund steht Adolf Hitler. Darüber die Worte: „Vielen Dank, dass Sie ungewollt meinen Nachfahren erlaubt haben, wieder im Parlament vertreten zu sein“.

In einem Achgut.com-Beitrag mit dem Titel „Ehre den toten Juden, Verachtung den lebenden“ hat Chaim Noll unmissverständlich erklärt: „Wenn der Islam zu Deutschland gehört, wie ein deutscher Bundespräsident formulierte, gehört auch der islamische Judenhass zu Deutschland. Ganz unvermeidlich – so, wie er seit anderthalb Jahrtausenden zum Islam gehört.“ Und: „Es ist beglückender, moralisch erhebender, in Feierstunden der toten Juden zu gedenken, als sich für die Zukunft der lebenden einzusetzen.“

Die Kanzlerin hat sich ohne Wenn und Aber zu der Äußerung von Christian Wulff bekannt und zwar nicht etwa ad hoc, sondern in einer wohl vorbereiteten Regierungserklärung vom 15. Januar 2015. Eine Äußerung Merkels zur Widersprüchlichkeit dieser Aussage, wie sie Lagerfeld und Noll aufgezeigt haben, sucht man vergeblich.

 

Israel und der Atomdeal mit dem Iran

Angesichts des Verhältnisses des Irans zu Israel hätte es nahegelegen, bei den Verhandlungen über den Atomdeal die Anerkennung des Existenzrechts Israel zur conditio sine qua non zu machen. Auf meine Anfrage an das Auswärtige Amt (AA), warum dies nicht geschehen sei, erhielt ich am 23. Mai 2018 folgende „diplomatische“ Antwort:

„Unabhängig davon wurde und wird unser Eintreten für das Existenzrecht Israels und die Forderung an Iran, von einer Politik der Aggression gegenüber dem Staat Israel Abstand zu nehmen, der iranischen Seite immer wieder auf allen Ebenen sehr deutlich gemacht. Ebenso protestiert die Bundesregierung konsequent gegen anti-israelische oder antisemitische Rhetorik der iranischen Führung.“

Angesichts der schönen Worte, die Merkel für unser Verhältnis zu Israel gefunden hat, hätte ich erwartet, dass sie im Rahmen ihrer Richtlinienkompetenz (Artikel 65 Satz 1 GG) den damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier anweist, bei den Verhandlungen mit dem Iran das Existenzrecht Israels in dem Atomdeal zu verankern. Bekannt geworden ist nichts dergleichen.

Dagegen hatte Merkel kurz nach Beginn ihrer Kanzlerschaft (22. November 2005) bei ihrem Antrittsbesuch in Israel (vom 29. bis 30. Januar 2006) als eine von drei Bedingungen für Gespräche der EU mit der Hamas genannt: Die Hamas müsse das Existenzrecht Israels ohne Wenn und Aber anerkennen.

Ein merkwürdiger Kreis, der sich da schließt

„Wenngleich Merkel Israel grundsätzlich unterstützt, hat sie wiederholt den israelischen Siedlungsbau kritisiert. So zum Beispiel während eines Besuchs des israelischen Premierministers Netanjahu in Berlin im August 2009“. Auch im März 2010 und während der zweiten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen (aus Anlass des 60. Jahrestags der Staatsgründung Israels von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Ehud Olmert ins Leben gerufen) in Jerusalem im Januar 2011 kritisierte Merkel den israelischen Siedlungsbau im Westjordanland und Ostjerusalem mit ungewohnter Schärfe und bezeichnete ihn als Hindernis für den Frieden. Schließlich ist bemerkenswert, dass Deutschland im Februar 2011 im UN-Sicherheitsrat für einen Resolutionsentwurf stimmte, der den israelischen Siedlungsbau verurteilte. Der Entwurf scheiterte aufgrund eines Vetos der USA.

Natürlich möchte man der Beteuerung des AA trotzdem glauben, aber das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen spricht eine andere Sprache. 2018 stimmte Deutschland dort 16 von insgesamt 21 Resolutionen zu, die sich gegen Israel richteten. Im gleichen Zeitraum wurden Länder mit miserabler Menschenrechtslage wie Syrien oder Nordkorea jeweils nur einmal verurteilt. Bei den restlichen fünf Resolutionen enthielt sich der deutsche Vertreter viermal, nur einmal stimmte er dagegen, also für Israel. 2019 sah es nicht viel besser aus: Hier stimmte der deutsche UN-Botschafter für neun anti-israelische Resolutionen, darunter eine, die die heiligsten Stätten Jerusalems als „besetztes palästinensisches Gebiet“ („Palestinian Occupied Territory“) bezeichnete, während er sich dreimal der Stimme enthielt und, wie im Vorjahr, nur eine einzige anti-israelische Resolution ablehnte.

Die antiisraelische Haltung innerhalb der Weltorganisation ist bekannt. Wie ist es zu erklären, dass sich unser UN-Botschafter nicht demonstrativ an die Seite Israels stellt, wie man dies angesichts der Knesset-Rede der Kanzlerin und der „historischen Verantwortung“ Deutschlands erwarten würde?

Seit Juli 2017 ist übrigens Christoph Heusgen „Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen“ – derselbe Heusgen, der zuvor ab November 2005 die für Außenpolitik im Bundeskanzleramt zuständige Abteilung 2 geleitet hat, damit der außen- und sicherheitspolitische Berater der Bundeskanzlerin war und deshalb die Knesset-Rede Merkels zu verantworten hat. Ein merkwürdiger Kreis, der sich da schließt – jedenfalls aus der Perspektive eines unvoreingenommenen Beobachters.

 

„Boykotte können nicht die Antwort sein“

Und nicht nur das. Merkel scheint es nicht zu stören, dass das Simon Wiesenthal Center ihren Vertrauten Heusgen 2019 auf Platz 7 der jährlichen SWC-Liste der „Top Ten worst global anti-semitic and anti-Israel incidents“ gesetzt hat (Platz 1 nimmt Jeremy Corbyn ein) – einmal wegen seines geschilderten Abstimmungsverhaltens. Aber auch, „weil er 130 Raketen, die von der Terrororganisation Hamas in einer Märzwoche auf israelische Zivilisten abgefeuert wurden, mit der Zerstörung der Häuser von Terroristen durch den jüdischen Staat gleichsetzte“. Das SWC erinnert in diesem Zusammenhang an Merkels Knesset-Rede und meint dann sarkastisch „es sieht so aus, als ob Heusgen davon keine Kenntnis hatte“.

Wir erinnern uns: BDS „ist eine transnationale politische Kampagne, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will, um ihre im Jahr 2005 beschlossenen Ziele durchzusetzen: Israel müsse die ‚Okkupation und Kolonisierung allen arabischen Landes‘ beenden, das ‚Grundrecht seiner arabisch-palästinensischen Bürger auf volle Gleichheit‘ anerkennen und ‚das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf eine Rückkehr in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum gemäß UN-Resolution 194 schützen und fördern‘“ (Wikipedia).

Nach einer Meldung der „Süddeutschen“ vom 25. Februar 2014 lehnt „Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ... einen Boykott Israels als Reaktion auf den umstrittenen Siedlungsbau im Palästinensergebiet ab. ‚Boykotte können nicht die Antwort sein, um den Friedensprozess voranzubringen‘, sagte Merkel in Jerusalem bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Dies gehe nur auf dem Verhandlungswege.“

Am 4. Juni 2019 berichtete die „Zeit“: „Der Bundestag hat die BDS-Bewegung, die Israel per Boykott unter Druck setzen will, [am 17. Mai] als antisemitisch verurteilt. Führende Experten für die Region [die am Ende des Artikels namentlich genannt sind, darunter die Islamwissenschaftler Gudrun Krämer und Achim Rohde] halten das für falsch.“

 

Merkel will deutsche Botschaft nicht nach Jerusalem verlegen

Die folgenden Ausführungen entnehme ich einem Hintergrund-Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) vom 13. Januar 2020. Am 23. Januar 1950 stimmte das israelische Parlament, die Knesset, mit großer Mehrheit dafür, West-Jerusalem zur Hauptstadt Israels zu erklären. Das Parlament selbst war bereits am 26. Dezember 1949 von Tel Aviv nach Jerusalem umgezogen. Im Jahr 1980 beschloss die Knesset das sogenannte „Jerusalemgesetz“, das faktisch Verfassungsrang hat. Darin wird das vollständige und vereinte Jerusalem als Hauptstadt Israels bezeichnet. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte das Gesetz in seiner Resolution 478 und rief jene Staaten, die bereits eine Botschaft eröffnet hatten, zum Rückzug ihrer diplomatischen Vertreterinnen und Vertreter aus der Heiligen Stadt auf.

Auch die „Palästinensische Autonomiebehörde“ beansprucht Jerusalem als Hauptstadt für sich. Im Dezember 2017 rief der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die islamische Welt dazu auf, Jerusalem als Hauptstadt Palästinas anzuerkennen. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump in einer Rede vor dem Weißen Haus Jerusalem entgegen der Bestimmungen der Vereinten Nationen als Hauptstadt Jerusalems anerkannt und die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem angeordnet. Bereits 1995 hatte der US-Kongress ein Gesetz verabschiedet, um die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. Eine Klausel hatte es den Präsidenten aber erlaubt, dieses Gesetz außer Kraft zu setzen, wovon Trumps Vorgänger Gebrauch gemacht hatten.

Während die israelische Regierung die Entscheidung begrüßte, wurde sie international heftig kritisiert. Am 14. Mai 2018, dem 70. Jahrestag der israelischen Unabhängigkeitserklärung, wurde die US-Botschaft in Jerusalem eingeweiht.

Soweit die Darstellung der bpb.

Nach der Knesset-Rede Merkels hatte ich erwartet, dass sich die Bundesregierung dem Schritt der USA anschließt. Doch stattdessen meldete beispielsweise die „Welt“ vom 6. Dezember 2017: „Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich von der Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch die USA distanziert. ‚Die Bundesregierung unterstützt diese Haltung nicht, weil der Status von Jerusalem im Rahmen einer 2-Staaten-Lösung auszuhandeln ist‘, schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwochabend im Namen der Kanzlerin bei Twitter.“ Da half es auch nichts, dass Ministerpräsident Netanjahu andere Staaten aufgerufen hat, dem Vorbild der USA zu folgen.

Neben den USA unterhält derzeit nur Guatemala eine Botschaft in Jerusalem.

 

„Pastorale Einschläferung als Krisenbewältigung“

Um das Verhalten Merkels bei islamistischen, rechtsextremistischen und antisemitischen Anschlägen richtig würdigen und bewerten zu können, muss man diese im Zusammenhang betrachten und vergleichen.

Nach dem islamistischen Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz mit zwölf Toten und mehr als 50 Verletzten am 19. Dezember 2016 schrieb „Cicero“ am 21. Dezember 2016 über die Reaktion der Kanzlerin:

„Angela Merkel wirkt nach dem Anschlag in Berlin wie eine Pastorin, nicht aber wie eine Regierungschefin. Obwohl jeder Bürger nach Orientierung, Selbstvergewisserung und Zuversicht sucht, bietet die Kanzlerin statt Antworten nur Floskeln.“

Und:

„Tonlos, blass, ratlos, pastoral, ohne mitreißende Impulse, ohne Pathos, ohne spürbare Betroffenheit, ohne jegliche Andeutung von Konsequenzen für das Regierungshandeln oder einer Neuordnung von Prioritäten – wie anders hat da die gleiche Kanzlerin 2011 nach Fukushima gehandelt: Eine Katastrophe am anderen Ende der Welt hat sie bewogen, über Nacht alles über den Haufen zu werfen, was sie wenige Monate zuvor mit großem Elan durchgedrückt hatte. Aber ein Überdenken der überhasteten Flüchtlingspolitik und deren schwer absehbarer Folgen wurde nicht einmal angedeutet. Stattdessen pastorale Einschläferung als Krisenbewältigung.“

 

NSU und Breitscheidplatz

Familienangehörigen der zwölf Todesopfer kritisierten in einem offenen Brief das Verhalten der Bundeskanzlerin: „In Bezug auf den Umgang mit uns Hinterbliebenen müssen wir zur Kenntnis nehmen, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie uns auch fast ein Jahr nach dem Anschlag weder persönlich noch schriftlich kondoliert haben. Wir sind der Auffassung, dass Sie damit Ihrem Amt nicht gerecht werden.“

Ganz anders die Reaktion Merkels bei den NSU-Morden. Allerdings war hier nicht etwa das Schicksal der zehn Opfer (in acht Fällen Türken oder türkischstämmige Deutsche, ein Grieche und eine deutsche Polizistin) und deren Angehörigen, das die Kanzlerin zu Mitleidsbekundungen veranlasste, sondern zehn Jahre nach den Taten das Ermitteln der („mutmaßlichen“) Täter aus der „rechten Szene“. Dafür kam es dann aber knüppeldick: Im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin fand eine zentrale Gedenkfeier mit rund 1.200 Gästen statt, darunter neben den Angehörigen der Opfer auch der (damals designierte) Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Volker Lammert, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Vosskuhle, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und mehrere Ministerpräsidenten.

Die Schauspieler Iris Berben und Erol Sander (deutscher Schauspieler türkischer Herkunft, eigentlich Urçun Salihoğlu) trugen Gedichte vor. Außerdem hat die Bundeskanzlerin es sich nicht nehmen lassen, „Familienangehörige der Mordopfer der rechtsextremistischen Terrorgruppe NSU im Kanzleramt [zu] empfangen“ (Pressemeldung). Am 1. Juli 2013 widmete sie ihnen mehr als drei Stunden (so der stellvertretende Regierungssprecher).

In der Amtszeit von Angela Merkel als Bundeskanzlerin seit dem 22. November 2005 kam es zu zahlreichen antisemitischen Anschlägen in Deutschland. Bei einem Angriff auf die Synagoge in Halle an der Saale am jüdischen Feiertag Jom Kippur am Mittwoch, den 9. Oktober 2019, erschoss der Täter eine Passantin in der Nähe des jüdischen Friedhofs sowie einen Gast in einem Döner-Bistro in der Nähe der Synagoge. Außerdem verletzte er mehrere Menschen.

Die massive Tür der Synagoge verhinderte, dass er in das Gotteshaus eindringen konnte, wo sich rund 70 Personen aus Anlass des Feiertags versammelt hatten. „Zeit Online“ vom 9. Oktober 2019 meldete: „Der rechtsextreme Anschlag auf eine Synagoge in Halle, bei dem zwei Menschen starben, hat Bestürzung ausgelöst. Die Bundeskanzlerin kondolierte den Angehörigen.“ Außerdem nahm Merkel „am Mittwochabend an einer Solidaritätsveranstaltung an der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin teil.“

Und dann dieser Hammer: Ende der jüdischen Einwanderung nach Deutschland? Ein Beitrag des hochgeschätzten Chaim Noll vom 31. August 2020. Ich konnte es einfach nicht glauben und habe die Angaben im Terminvergabesystem des Auswärtigen Amtes für die Vertretung in Moskau überprüft: Sie stimmen. Dort heißt es auch: „Bitte sehen Sie von Anfragen zu weiteren Ausnahmeregelungen per E-Mail ab. Die zuvor genannten Ausnahmefälle von der weiterhin geltenden Einreisebeschränkung wurden in Abstimmung mit dem Bundesministerium des Inneren vom Auswärtigen Amt in Berlin festgelegt.“ Kann man sich vorstellen, dass dies ohne Wissen und Einverständnis der Israelfreundin Angela Merkel angeordnet wurde?

 

Zuerst erschienen bei der „Achse des Guten“.

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